Perspektive

Faschistischer Anschlag auf den Guardian-Journalisten Owen Jones

Ein brutaler Anschlag auf den Journalisten Owen Jones vom Guardian zeigt, welche große Gefahr der Arbeiterklasse von der extremen Rechten droht.

Gegen 3.00 Uhr am Samstagmorgen verließ Jones mit sechs Freunden einen Pub in London, als vier Männer „direkt auf mich zukamen: Einer von ihnen trat mir heftig den Rücken, warf mich zu Boden, und fing an, auf Kopf und Rücken einzutreten. Meine Freunde versuchten, sie wegzuziehen, und wurde selbst geschlagen, als sie mich verteidigten.“

Jones geht von einem „politisch motivierten, vorsätzlichen Angriff“ aus. Er wurde wiederholt von rechtsextremen Aktivisten angegriffen, dabei kam es auch in der Vergangenheit bereits zu körperlichen Übergriffen. Jones sagt, es lägen Beweise vor, „die eine politische Motivation nahelegen“.

Jones erlitt relativ leichte Verletzungen, aber die Tritte gegen den Kopf hätten auch tödlich enden können. Obwohl Überwachungskameras den Angriff aufgezeichnet haben und die Namen derjenigen bekannt sind, die ihn in der Vergangenheit bedroht haben, kam es noch nicht zu Verhaftungen. Die Londoner Polizei prüft dem eigenen Vernehmen nach, ob es sich bei diesem „sinnlosen Angriff“ tatsächlich um ein Hassverbrechen handelt. In den Medien macht die Geschichte keine Schlagzeilen.

Jones‘ Fall ist nur der jüngste einer Reihe von vorsätzlichen körperlichen Angriffen auf bekannte Linke in Großbritannien. Im Juni 2016 ermordete der Faschist Thomas Mair die Labour-Abgeordnetn Jo Cox, er griff sie mit dem Schlachtruf „Großbritannien zuerst!“ mit Messer und Schusswaffe an. Cox war eine prominente Vertreterin des Remain-Lagers während des laufenden Brexit-Referendums.

Im Juli 2018 wurden Steve Hedley, stellvertretender Generalsekretär der Gewerkschaft Rail, Maritime and Transport und sein Partner nach einer Demonstration gegen Rassismus in London in einem Pub von Faschisten brutal angegriffen. Auch hier kam es nicht zu Verhaftungen.

Darren Osborne tötete 2017 einen Menschen und verletzte 12 weitere, als er mit einem gemieteten Lieferwagen in eine Menge von Gläubigen vor der Finsbury Park Moschee fuhr. Während des Gerichtsverfahrens gab er zu, Mordpläne gegen Labour-Chef Jeremy Corbyn und den Londoner Bürgermeister Sadiq Khan (ebenfalls ein Mitglied der Labour Party) entwickelt zu haben.

Im März wurde Corbyn von dem rechtsextremen Schläger und Brexit-Anhänger John Murphy im Gemeindehaus der Finsbury Park Moschee attackiert und am Kopf verletzt. Es war keine Polizei anwesend, um Corbyn gegen den Angriff zu verteidigen. Murphy erhielt später nur eine 28-tägige Haftstrafe wegen „gewöhnlicher Körperverletzung“.

Im April wurde das Mitglied der Neonazigruppe National Action Jack Renshaw wegen Verschwörung zur Ermordung der Labour-Abgeordneten Rosie Cooper mit einem Schwert im Jahr 2017 verurteilt.

Zudem gab es politisch motivierte Angriffe auf weniger prominente Opfer. Im Oktober 2018 wurde Jade Unal angegriffen, nachdem sie eine Versammlung der Labour Party zum Brexit verlassen hatte, und erlitt eine Gehirnerschütterung. Wegen anhaltender Drohungen sieht sich Unal gezwungen, mit ihrer Tochter seither versteckt zu leben. Es wurden keine Verhaftungen vorgenommen.

Der feige Angriff auf Jones bestätigt, dass die Faschisten keine Massenunterstützung genießen. Neonazi-Gruppen bestehen aus einigen Dutzend oder Hundert Menschen. Die Faschisten genießen aber offenkundig einen besonderen Schutz bei ihren Anschlägen. Sie werden von der herrschenden Klasse und ihrem Staatsapparat geschützt und erhalten ideologische Unterstützung von den großen Parteien und den Medien.

Jones wirft den Medien und dem politische Establishment vor, „den Aufstieg einer immer gewalttätigeren extremen Rechten, die sich gegen Minderheiten und Menschen auf der linken Seite richtet“, ermutigt zu haben. Er zitiert Schlagzeilen, in denen politische Gegner des Brexits als „Verräter“ bezeichnet werden, als Beispiel dafür, wie die Medien die nationalistische Rechte fördern.

Die Pro-Brexit-Agitation hat die faschistische Gewalt im Vereinigten Königreich erkennbar gefördert und stand eindeutig hinter den Angriffen auf Cox, Unal und Corbyn. Aber allgemein wird der Niedergang des Kapitalismus und die tiefe Krise seiner Herrschaft unweigerlich begleitet von einem Hochkochen des Nationalismus in allen Ländern und von allen Fraktionen der herrschenden Klasse.

Die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Rechtsextreme - in den Vereinigten Staaten, Brasilien, den Philippinen, Ungarn und Italien - geht immer einher mit einer Hinwendung zum faschistischen Terror. Der neuseeländische Moscheekiller Brenton Tarrent nannte den Anschlag auf die Finsbury Park-Moschee durch Darren Osborne eine Inspiration für seinen Mord an 51 Muslimen. Ein anderes Vorbild war für ihn der norwegische rechtsextreme Massenmörder Anders Breivik, der 2011 acht Menschen mit einer Bombe in Oslo tötete, bevor er 69 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Jugend-Sommercamps erschoss.

In Deutschland wurde der christdemokratische Politiker Walter Lübcke am 2. Juni von einem bekannten Neonazi getötet, nachdem er sich für die Verteidigung von Flüchtlingen ausgesprochen hatte. Im Oktober 2015 wurde Henriette Reker, die heutige Oberbürgermeisterin von Köln, im Wahlkampf mit einem Messer schwer verletzt. Seit 1990 wurden mindestens 169 Menschen von Rechtsextremen ermordet. Nach offiziellen Angaben gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 8.600 rechtsextreme Straftaten, darunter 363 Gewalttaten mit 179 Personen. Die Polizei hat 2.625 Verdächtige identifiziert, aber nur 23 wurden verhaftet.

In den Vereinigten Staaten haben ABC News und Mother Jones auf den engen Zusammenhang zwischen Gewalttaten und der rassistischen Rhetorik von Donald Trump hingewiesen. ABC News listet mindestens 36 Fälle auf, in denen Trumps Name in direktem Zusammenhang mit Gewalttaten, Gewaltdrohungen oder Anschuldigungen von Körperverletzung genannt wurde. Laut Mother Jones gab es seit Oktober letzten Jahres mindestens sechs Massaker, die durch rechtsextreme Ideologie motiviert waren und zusammen 41 Tote und 52 Verletzte forderten. Trump-Anhänger haben die Abgeordnete Rashida Tlaib und Ilhan Omar bedroht und angekündigt, ihnen „eine Kugel in den Schädel zu jagen“.

Es gibt objektive Gründe für die Kultivierung der extremen Rechten durch die herrschende Elite: Die Kluft zwischen einer sagenhaft wohlhabenden Oberschicht und der großen Bevölkerungsmasse, die ums Überleben kämpft, war noch nie so groß wie heute. Die internationalen Klassenspannungen haben die Belastungsgrenze erreicht. Aus Angst vor einer sozialen und politischen Opposition wendet sich die herrschende Klasse stärker autoritären Herrschaftsformen zu und zieht rechtsextreme Kräfte als Waffe gegen die Arbeiterklasse heran.

Es ist kein Zufall, dass der faschistische Angriff auf einen der bekanntesten „linken“ Journalisten Großbritanniens nur eine halbe Autostunde vom Belmarsh-Hochsicherheitsgefängnis entfernt stattfand, in dem Wikileaks-Gründer Julian Assange inhaftiert ist. Die Behandlung von Assange ist sogar noch brutaler als der Schlägerangriff auf Jones. Assange ist psychischer Folter und einer längeren Isolationshaft mit all den negativen Auswirkungen auf die Gesundheit ausgeliefert. Sein Leben ist in Gefahr, da ihm bei Auslieferung in die USA lebenslange Haft oder Todesstrafe drohen – nur für das „Verbrechen“ seiner Arbeit als Journalist, die imperialistische Kriegsverbrechen aufgedeckt und bekanntgemacht hat.

Die Bevölkerung steht der extremen Rechten feindlich gegenüber, doch diese Stimmung findet derzeit keinen wirksamen politischen Ausdruck. Dazu bedarf es einer neuen Ausrichtung des Kampfs gegen Rechts.

Die Machtergreifung Hitlers in den 1930er Jahren zeigte bereits, dass der Faschismus nicht durch Appelle an die angeblich „demokratischen“ Vertreter des Kapitalismus bekämpft werden kann. Hitler erhielt die Kontrolle über den Staat mit Unterstützung der obersten Militärs, des Großkapitals und der wichtigsten bürgerlichen Parteien. Unter den Bedingungen einer tobenden Wirtschaftskrise wurde er beauftragt, die Arbeiterklasse brutal zu unterwerfen und die Gefahr der Revolution zu bannen.

Heute genießt die extreme Rechte aus dem gleichen Grund den Schutz des Staates. Aber diese Verschwörung kann und wird besiegt werden, wenn die Arbeiterklasse politisch mobilisiert wird zur Verteidigung ihrer unabhängigen Interessen. Der Kampf gegen Rechtsextremismus, Flüchtlingshetze und Ausländerfeindlichkeit muss verbunden werden mit dem Kampf für die Verteidigung von Arbeitsplätzen und sozialstaatliche Leistungen sowie einem Kampf für den Sozialismus. Die objektive Grundlage für eine solche Bewegung ist bereits gegeben durch die internationale Welle von Streiks und Protestbewegungen zur Verteidigung der demokratischen Rechte.

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