Streiks der Busfahrer in Hessen und im Saarland

Am gestrigen Freitag nahmen 1500 Busfahrerinnen und -Fahrer in Frankfurt, Gießen, Darmstadt, Kassel, Offenbach, Hanau und Fulda an einem 24-stündigen Warnstreik gegen den Landesverband Hessischer Omnibusbetreiber (LHO) teil. Sie forderten längst fällige deutliche Lohnerhöhungen und eine bessere Urlaubsregelung.

Streikende Busfahrer in Frankfurt

Aus ähnlichen Gründen werden auch in Saarbrücken, Neunkirchen, Saarlouis und Völklingen die Busbetriebe heute schon den fünften Tag bestreikt. Wie in Hessen und auch in Rheinland-Pfalz sind die Tarifverhandlungen im Saarland in der dritten Runde gescheitert, und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) weigert sich, vernünftige Löhne zu bezahlen.

Im Saarland fand am 24. und 25. September ein zweitägiger Warnstreik statt. Danach stimmten die Busfahrer am Mittwoch in einer Urabstimmung einem unbefristeten Erzwingungsstreik mit 99,6 Prozent zu. Diese überwältigende, fast hundertprozentige Zustimmung zum Streik ist ein weiteres Beispiel für die wachsende Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse. Sie ist das Ergebnis der unerträglichen sozialen Lage.

Im Saarland verdienen viele Busfahrerinnen und -Fahrer gerade mal 1500 Euro netto im Monat, obwohl sie rund um die Uhr, auch samstags, sonntags, feiertags und des Nachts fahren müssen. Damit kommt natürlich niemand über die Runden, besonders nicht mit Familie. Eine Busfahrerin sagte dem Saarländischen Rundfunk: „Es tut mir leid für die Kinder, welche zur Schule müssen, es tut mir auch für die Eltern leid. Aber sie müssen uns verstehen: Wir brauchen WIRKLICH mehr Geld. So kann es nicht weitergehen.“

Kein Bus verlässt das Depot

In Frankfurt erklärte der Busfahrer Bektas, der seit 15 Jahren hinter dem Steuerrad sitzt, dass sich seit dem letzten Abschluss im März 2017 nichts zum Guten verändert habe. „Mein Nettolohn liegt bei 1900 Euro im Monat, das reicht vorne und hinten nicht. Ich habe zwei Kinder. Schon für die Miete musst du in Frankfurt 1200 Euro bezahlen. Dazu kommen Strom- und Heizkosten, Telefon, Kindergartengeld für beide Kinder, dazu bestimmt tausend Euro im Jahr für Autosteuern und -Versicherung, das Benzin nicht gerechnet.“

Mit den unbezahlten Wende- und Pausenzeiten, erklärt Bektas weiter, müsse er für die Arbeit täglich 14 bis 15 Stunden aufwenden. „Das heißt aber, dass niemand anderes in der Familie arbeiten kann, denn wer passt sonst auf die Kinder auf?“

Die Kollegen berichten, dass es gerade in einer Stadt wie Frankfurt nicht leicht sei, als Busfahrer die Ruhe zu bewahren. „Wir sind immer unter Druck und oft haben die Leute für uns wenig oder gar kein Verständnis.“ Verspätungen und Minuszeiten seien für sie an der Tagesordnung. „Oft habe ich drei Fahrtrunden nacheinander ohne eine einzige richtige Pause“, sagt Peter. „Das ist ein Knochenjob.“

Oktay Zorba, Busfahrer und Betriebsrat, erklärt uns am Streikposten im Frankfurt-Griesheimer Busdepot: „Was die Busfahrer am meisten stört: Wir fühlen uns einfach unfair behandelt. Gerade die hessischen Busfahrer, die wirklich hart arbeiten und einen verantwortungsvollen Job machen, verdienen weniger als in andern Bundesländern, obwohl Hessen eins der reichsten Bundesländer ist. Für uns gibt es keine Wertschätzung. Unser Stundenlohn liegt unter 14 Euro, das sehen wir nicht ein.“

Vor zwei Jahren hatten die hessischen Busfahrer zwei Wochen lang für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt. „Seither hat sich wenig geändert“, sagen die Busfahrer. „Pausenzeiten werden immer noch nicht angerechnet. Die versprochene Altersversorgung ist gar nicht gekommen.“

Die Busfahrer erinnern sich noch gut an den Streik vor zwei Jahren. Viele Arbeiter waren damals über sein Ende unzufrieden. Damals hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nur einen zweitägigen Proteststreik eingeplant, um „Dampf abzulassen“. Aufgrund der Kampfbereitschaft der Busfahrer musste der Streik dann von Tag zu Tag verlängert werden. Auch in der Bevölkerung genoss der Streik große Unterstützung und Sympathie. Dennoch – oder gerade deshalb – würgte die Gewerkschaftsführung ihn nach zwei Wochen sang- und klanglos ab.

Das Schlichtungsergebnis war dementsprechend. An den unregelmäßigen Arbeitszeiten und kräftezehrenden Bedingungen wurde nichts Grundsätzliches geändert. Der extrem niedrige Tariflohn der Fahrer wurde seither – im Lauf von mittlerweile fast drei Jahren! – von 12 Euro brutto auf 13,50 Euro angehoben. Das sind gerade fünfzig Cent pro Jahr.

Streikposten in Frankfurt-Griesheim. Vorne von links: Bektas, Youness und Oktay Zorba

„Wir waren damals wirklich enttäuscht“, sagt Youness, ein Busfahrer in Frankfurt-Griesheim. „Wir wurden zurück an die Arbeit geschickt, ohne dass wir das Ergebnis kannten oder darüber abstimmen konnten. Es hat unsre Probleme nicht gelöst.“

Auch jetzt wieder sind die Busfahrer nicht nur mit der Arbeitgeberseite konfrontiert. Ihr Hauptproblem sind die Gewerkschaft Verdi und die Parteien, mit der sie eng zusammenarbeitet: die SPD, die Linke und die Grünen. Die Verwandlung des öffentlichen Dienstes in einen breiten Niedriglohnsektor wäre ohne ihre tatkräftige Unterstützung von vorneherein nicht möglich gewesen. In Hessen wurden die Busbetriebe privatisiert und aus dem Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) ausgegliedert.

Aus diesem Grund haben es die Busfahrer heute mit dem privaten Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer (LHO) und seinem Geschäftsführer Volker Tuchan zu tun, der selbst niemals in der Lage wäre, einen vollbesetzten Bus sicher durch die Hauptverkehrszeit zu chauffieren. Tuchan hetzte lautstark gegen die „unrealistischen Maximalforderungen“, die angeblich „keine Basis für ernstzunehmende Verhandlungsgespräche sein“ könnten, wie es auf der LHO-Seite heißt.

Die Gewerkschaft Verdi hat in Hessen die Erhöhung des Grundgehalts auf 16,60 Euro brutto in mehreren Jahren gefordert, außerdem fünf Tage mehr Urlaub. Sie hat von vorneherein nur ein Drittel der 4400 Busfahrer der Branche zum Streik aufgerufen.

Die Verdi-Funktionäre betonen immer wieder ihre Bereitschaft, den Streik lieber heute als morgen zu beenden. Obwohl die Arbeitgeberseite sogar fordert, den Beschäftigten mit einer fünfjährigen Tariflaufzeit die Hände auf lange Sicht zu binden, versichert die Gewerkschaft immer wieder aufs Neue ihre Gesprächsbereitschaft. So sagte Christian Umlauf, Verdi-Verhandlungsführer im Saarland, dem Saarländischen Rundfunk: „Wir sind in der Lage, jederzeit, auch morgen, an den Verhandlungstisch und zu einem Ergebnis zu kommen.“ Ähnlich Jochen Koppel, Verhandlungsführer in Hessen, der Illusionen in die hessische CDU-Grüne Landesregierung schürt.

Zweifellos genießen die Busfahrer die Sympathie überwiegender Teile der Bevölkerung, weil mittlerweile 40 Prozent der abhängig Beschäftigten in ähnlichen Niedriglohnsektoren arbeiten müssen. Das betrifft heute auch Kranken- und Altenpfleger, Erzieherinnen, Flughafenbeschäftigte, Müllmänner oder Leiharbeiter in der Auto- und Stahlindustrie, etc.

Deshalb ist es nötig, dass die Arbeiter sich unabhängig von den Gewerkschaften organisieren. Die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI) schlagen vor, die Arbeiter in allen Betrieben Aktionskomitees gründen, die unabhängig von den Gewerkschaften agieren und sich auf der Grundlage eines sozialistischen Programms bundesweit und international zusammenschließen.

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