US-Zensusbehörde: Ungleichheit ist 2018 auf Rekordniveau gestiegen

Die amerikanische Zensusbehörde hat am Donnerstag Daten veröffentlicht, laut denen sich die soziale Ungleichheit in den USA sehr schnell beispiellosen Rekordwerten nähert.

Während des letzten Jahres fand eine atemberaubende Umverteilung des Vermögens von den unteren 90 Prozent der Bevölkerung zu den obersten zehn bzw. fünf Prozent statt. Diese Entwicklung ist das beabsichtigte Ergebnis der sozialen Konterrevolution, die von beiden Parteien unterstützt, von Barack Obama verschärft und von Donald Trump auf die Spitze getrieben wurde. Trump hat die Unternehmenssteuern gesenkt und Regulierungen abgebaut, ohne dass die Demokraten im Kongress dagegen Widerstand geleistet hätten.

US Census Bureau: Ungleichheit im Jahr 2018 „deutlich höher“ als 2017

Allein während des letzten Jahres ist der Anteil der ärmsten 20 Prozent des Landes (etwa 65 Millionen Menschen) am Gesamteinkommen von 3,11 Prozent auf 3,10 Prozent gesunken. Der Anteil des zweiten Quintils von unten ging von 8,4 auf 8,35 Prozent zurück. Die Anteile des dritten und vierten Quintils, d.h. derjenigen, die sich im Bereich von 40 bis 60 und 60 bis 80 Prozent der Einkommen bewegen, ging von 14,29 auf 14,21 bzw. von 22,63 auf 22,53 Prozent zurück.

Ein großes Obdachlosenlager nahe der Innenstadt von St. Louis [Quelle: AP Photo/Jeff Roberson]

Von dieser Umverteilung der Einkommen hat nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung profitiert. Die reichsten fünf Prozent erhielten 96 Prozent des Einkommens, das die ärmeren Quintile verloren haben, die nächstreichen fünf Prozent (die reichsten 90. bis 95. Perzentile) erhielten die verbliebenen vier Prozent. Das bedeutet, dass selbst die Einkommen derjenigen im 80. bis 90. Perzentil gesunken oder jedenfalls nicht gestiegen sind.

Diese Verschiebung von scheinbar unwesentlichen Dezimalpunkten verschleiert die tatsächlichen menschlichen Auswirkungen der Ungleichheit auf das Leben der gesamten Arbeiterklasse. Die neuen Zensusdaten bedeuten mehr Tote durch Drogen, Alkohol und Selbstmorde, höhere Verschuldung durch medizinische Versorgung und Studienkredite und beispielloser Stress auf der Arbeit und innerhalb der Familien.

Laut der Zensusbehörde ist der nationale Gini-Koeffizient, der die Einkommens- und Vermögensverteilung misst – ein Wert von 0,0 bedeutet vollständige Gleichheit und ein Wert von 1,0 vollständige Ungleichheit –, von 0,482 im Jahr 2017 „deutlich“ auf 0,486 im Jahr 2018 gestiegen. Dieser Wert ist der bisher höchste in der Geschichte des Landes.

Laut Zahlen der Weltbank ist damit die Ungleichheit in den USA so groß wie in der Demokratischen Republik Kongo und größer als in Kenia, Mexiko und Malaysia.

Welten voneinander entfernt: die unteren 90 Prozent und die oberen zehn Prozent

Die reichsten zehn Prozent haben ihren Abstand zu den ärmsten 90 Prozent der Bevölkerung weiter ausgebaut. Das Einkommen eines Haushalts im 90. Perzentil war 12,6-mal höher als das eines Haushalts im zehnten Perzentil, das von 12,59 Punkten im Jahr 2017 leicht angestiegen ist. Das Einkommen eines Haushalts im 95. Perzentil lag 9,72-mal höher als das eines Haushalts im 20. Perzentil und 3,94-mal höher als das eines Haushalts im 50. Perzentil. Im Jahr 2017 betrugen diese Werte 9,62 und 3,86.

Die bürgerliche Politik Amerikas ist ausschließlich darauf ausgelegt, die materiellen Bedürfnisse der privilegierten obersten zehn Prozent zu erfüllen und die Differenzen zwischen den verschiedenen Elementen dieser privilegierten obersten Gruppe herauszuarbeiten. Ihre Interessen stehen im direkten Gegensatz zur großen Masse der Bevölkerung.

Die bürgerlichen Politiker beider Parteien, die persönlich nahezu allesamt reich sind, werden von den Konzernen und milliardenschweren Spendern finanziert, die das politische System kontrollieren. Die Mainstream-Medien geben den Ton im politischen „Diskurs“ an und versuchen das politische Bewusstsein zu manipulieren, um die Interessen der Reichen zu schützen. Nahezu alle Diskussionen über die großen sozialen Probleme der unteren 90 Prozent der Bevölkerung werden zensiert und ausgeblendet.

Das notwendige Jahreseinkommen, um zum 95. Perzentil zu gehören, ist von 242.812 Dollar im Jahr 2017 um etwa 6.000 Dollar auf 248.782 Dollar gestiegen. Der Anteil der Bevölkerung, der mehr als 200.000 Dollar pro Jahr verdient, hat sich ebenfalls beträchtlich erhöht – von 8,1 Prozent im Jahr 2017 auf 8,5 Prozent 2018.

Die Zensusdaten hinsichtlich des Durchschnittseinkommens nach Beruf zeigen ebenfalls die zunehmende Kluft zwischen den obersten zehn Prozent und den unteren 90 Prozent der Bevölkerung. So sind die Durchschnittseinkommen von Vorstandschefs von 134.656 Dollar im Jahr 2017 auf 141.457 Dollar 2018 gestiegen, die Einkommen von Rechtsanwälten von 125.125 auf 129.365 Dollar.

Die Einkommen für viele Arbeiterberufe stiegen zwar leicht an, allerdings waren die Zuwächse fast immer minimal oder gemäßigt.

In vielen Fällen sind die Einkommen von Berufen, in denen Hunderttausende Menschen arbeiten, von 2017 bis 2018 gesunken. Das Durchschnittseinkommen eines Telefonverkäufers ist in nur einem Jahr von 27.551 auf 25.160 Dollar gesunken. Daneben gingen auch die Einkommen von Holzfällern von 36.091 im Jahr 2017 auf 35.718 Dollar im Jahr 2018 zurück, bei Dachdeckern von 33.744 auf 32.246, bei Reifenbauern von 45.809 auf 42.213 Dollar, bei Schuh- und Lederarbeitern von 31.217 auf 27.584 Dollar, bei Fluglotsen von 91.982 auf 79.647 Dollar, bei Rettungssanitätern von 30.563 auf 30.149 Dollar, bei U-Bahnfahrern von 62.201 auf 60.153 Dollar, bei Piloten und Flugingenieuren von 110.765 auf 110.636 Dollar, und ähnlich bei weiteren größeren Berufsgruppen.

Selbst bei den Teilen der Arbeiterklasse, deren Einkommen leicht gestiegen sind, haben die steigenden Lebenshaltungskosten schwerwiegende Auswirkungen auf die unteren 90 Prozent der Bevölkerung.

10,08 Millionen Menschen geben heute mehr als 50 Prozent ihres Einkommens für Miete aus, d.h. 163.672 mehr als 2017. Der Anteil der Menschen, die mehr als 35 Prozent ihres Einkommens für Miete ausgeben müssen, ist von 37,5 Prozent im Jahr 2017 auf 37,8 Prozent im Jahr 2018 gestiegen, d.h. um mehrere Hunderttausend.

Diese aktuellen Zahlen beziehen sich nur auf die Einkommen und geben daher kein vollständiges Bild vom Ausmaß der Ungleichheit ab, das sich am besten durch eine Berechnung des Vermögens verstehen lässt. Das Einkommen nach Beruf berücksichtigt beispielsweise nicht die Hunderttausende oder Millionen Dollar, welche die reichsten zehn Prozent jedes Jahr durch Investitionen, Aktiendividenden, Mieten oder andere parasitäre Formen der Vermögensanhäufung einnehmen.

Ungleichheit innerhalb der Ethnien

Innerhalb aller Ethnien gab es einen beträchtlichen Anstieg bei sehr vermögenden Personen, sowohl in der Gesamtzahl als auch als Prozentsatz des Bevölkerungsanteils. Unter Weißen stieg die Zahl der Personen mit mehr als 200.000 Dollar Jahresgehalt um 10,0 Prozent. Unter Hispano-Amerikanern lag der Anstieg mit 21,2 Prozent doppelt so hoch, bei Afroamerikanern lag er bei 16,5 Prozent.

Diese Zahlen über die Ungleichheit innerhalb von Ethnien entlarven den eigennützigen Charakter von Versuchen begüterter Schichten von Minderheiten, die ethnische Zugehörigkeit als entscheidende Trennlinie der Gesellschaft darzustellen. Während sich die Zahl der Superreichen in jeder Ethnie erhöht, leben beträchtliche Teile aller Ethnien in akuter finanzieller Not. Ganze 7,3 Millionen erwachsene Afroamerikaner, d.h. 49,2 Prozent der volljährigen Bevölkerung, verdienen weniger als 40.000 Dollar im Jahr. Etwa 6,3 Millionen Hispano-Amerikaner und 23,7 Millionen Weiße erhalten ebenfalls weniger als 40.000 Dollar pro Jahr.

In sämtlichen Teilen der Arbeiterklasse zeigen die Zensusdaten, dass die Einkommen in allen Schichten homogener werden. Der Abstand eines Haushaltseinkommens im 80. Perzentil gegenüber dem 50. Perzentil ist statt 2,07-mal nur noch 2,06-mal größer; der Abstand eines Haushaltseinkommens im 80. Perzentil zu dem im 20. Perzentil ist vom 5,15-fachen auf das 5,08-fache gesunken.

Der Abstand zwischen dem Haushaltseinkommen im 20. und im 50. Perzentil hat sich leicht erhöht – von 0,40 im Jahr 2017 auf 0,41 im Jahr 2018, was darauf hindeutet, dass die Lebensbedingungen exakt im Zentrum der Einkommensskala sich zunehmend den Bedingungen der ärmsten Arbeiter angleichen.

Ungleichheit und der Klassenkampf

Die heftige politische Krise um das Amtsenthebungsverfahren von Trump lässt sich unmöglich verstehen, wenn man den überwältigenden Einfluss der Ungleichheit auf alle Elemente der amerikanischen Gesellschaft außer Acht lässt.

Sowohl der Faschist Trump als auch die Kabale aus Geheimdienstlern, die die Demokratische Partei steuert, repräsentieren die Interessen von Fraktionen der Finanzaristokratie, bei deren Unstimmigkeiten es im Wesentlichen um die außenpolitische Ausrichtung des US-Imperialismus geht.

Die Grundlage für das Amtsenthebungsverfahren der Demokraten wird ausdrücklich auf Trumps mafiöse Versuche beschränkt, den ukrainischen Präsident zu zwingen, Schmutz über die Korruption der Biden-Familie auszugraben. Dies macht deutlich, dass sich beide Fraktionen einig sind, was Steuersenkungen für Reiche, Zinssätze von nahezu Null zum Nutzen der Wall Street, beispiellose Militärausgaben und rassistische Angriffe auf Immigranten und demokratische Rechte angeht.

Demokratische Präsidentschaftskandidaten wie Bernie Sanders und Elizabeth Warren verbreiten den utopischen Traum, dass die Finanzaristokratie einfach ihre Privilegien aufgeben und Sozialprogramme finanzieren wird, wenn man sie nur darum bittet.

Doch die Geschichte zeigt, dass soziale Ungleichheit nur durch den Klassenkampf bekämpft werden kann.

Bei General Motors führen fast 50.000 Arbeiter einen Kampf – nicht nur gegen den Konzern, sondern auch gegen die UAW, die mit dem Management zusammenarbeitet, um einen Tarifvertrag durchzusetzen, der das Anwachsen sozialer Ungleichheit in allen Industriebereichen und auf der ganzen Welt verschärfen würde. Die Tatsache, dass die Ungleichheit ihr derzeitiges Niveau erreicht hat, ist das Produkt der Anstrengungen der Gewerkschaften, seit mehr als 40 Jahren den Klassenkampf zu unterdrücken.

Der Streik bei GM in den USA und ähnliche Kämpfe der Autoarbeiter in Indien, Südkorea, Mexiko, Brasilien und anderen Staaten zeigen das Potenzial, die Ära der von den Gewerkschaften erzwungenen sozialen Konterrevolution zu beenden und eine internationale Offensive für soziale Gleichheit zu beginnen. Es müssen neue Aktionskomitees aufgebaut werden, damit die Arbeiter ihre immense gesellschaftliche Stärke entfesseln und Billionen Dollar von den Banken und Konzernen umverteilen und zur Erfüllung der Bedürfnisse der Arbeiter auf der ganzen Welt einsetzen können.

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