Nein zum türkischen Militärangriff auf Syrien!

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) verurteilt die türkische Invasion Syriens, die sich gegen die kurdischen Milizen richtet. Seitdem die amerikanische Regierung letzte Woche die kurdischen Einheiten, ihre wichtigsten Stellvertreter in Syrien, im Stich gelassen hat, kommt es zu einer schnellen und brutalen militärischen Eskalation.

Nach einer Erklärung des türkischen Verteidigungsministeriums vom Sonntag haben die türkischen Streitkräfte in den ersten fünf Tagen der Offensive schon 550 kurdische Soldaten getötet. Mindestens vier türkische Soldaten sind ebenfalls gestorben. Laut Berichten gibt es auf beiden Seiten der türkisch-syrischen Grenze, wo Granaten in den schutzlosen Wohnhäusern einschlagen, zahlreiche zivile Opfer. Während die syrische Armee mit Unterstützung des Iran nach Norden marschiert, um sich den türkischen Invasoren und den mit Al-Qaida verbündeten „Rebellen“ entgegenzustellen, geraten der Nahe Osten und die ganze Welt an den Rand eines umfassenden Krieges.

Die Türkei ist in den Strudel geraten, der durch dreißig Jahre imperialistischer Kriege im Nahen Osten entstanden ist. „Operation Friedensquelle“, wie die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Ankara ihre Offensive nennt, ist weder eine Friedensoperation noch ein Krieg gegen den Terror. Es ist eine drastische Eskalation des achtjährigen Krieges, den die CIA in Syrien mit dem Ziel eines Regimewechsels angezettelt hat. Darin stehen Amerika, Europa, die Türkei und syrische „Rebellengruppen“ dem Iran, Russland, China und dem syrischen Regime gegenüber.

Im Jahr 2016 hatten Washington und Berlin einen gescheiterten Staatsstreich unterstützt, bei dem Erdoğan gestürzt und ermordet werden sollte, weil er ein Abkommen mit Russland anstrebte. Heute versucht die türkische Regierung den Aufbau eines kurdischen Staates in Syrien, der die Unterstützung der USA hätte, zu verhindern.

Dieser brudermörderische türkisch-kurdische Konflikt ist das Resultat einer Schlächterei im Nahen Osten, die die Vereinigten Staaten und ihre europäischen imperialistischen Verbündeten systematisch betreiben, seitdem 1991 die UdSSR, das hauptsächliche militärische Gegengewicht zum Imperialismus, aufgelöst worden war. Seitdem haben die Vereinigten Staaten, wie US-Präsident Donald Trump selbst kürzlich auf Twitter zugab, den Tod von Millionen Menschen verursacht, indem sie im Irak, in Afghanistan, in Syrien und anderswo Kriege führten, die auf Lügen beruhten. Diese Kriege zwangen Dutzende von Millionen Menschen aus ihren Wohnungen und Häusern. Sie schufen die größte globale Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Heute reagiert die Regierung in Ankara mit nackter Gewalt. Sie versucht, ethnische und Klassenkonflikte, die ihre Ursache in jahrzehntelangen imperialistischen Interventionen haben, militärisch zu lösen. Sie beabsichtigt, Nordsyrien zu erobern, es gewaltsam mit Millionen von syrisch-arabischen Flüchtlingen zu bevölkern, die heute in der Türkei leben, und dadurch einen Kurdenstaat entlang der türkisch-syrischen Grenze zu verhindern. Mit dieser Strategie bewegt sich die türkische Bourgeoisie direkt auf eine Katastrophe zu.

Die Offensive Ankaras verwickelt die türkische herrschende Klasse in enorme Kriegsverbrechen. Sie birgt die Gefahr einer Eskalation zu einem umfassenden Krieg zwischen allen Weltmächten.

Das IKVI verurteilt die Verhaftung von Personen in der Türkei, die sich dieser Offensive friedlich entgegenstellen. Während das türkische Militär in Syrien einmarschiert, lebt weltweit der Klassenkampf wieder auf. In Algerien, dem Sudan und Ägypten demonstrieren die Massen für den Sturz der Militärregime, und im Irak kämpfen sie für das Ende des US-Marionettenregimes. In der Türkei ist sich die regierende AKP der wachsenden Wut der Bevölkerung über die Wirtschaftskrise bewusst. Die Umfragewerte für Erdoğans AKP sind auf unter 30 Prozent eingebrochen. Die Regierung, die eine soziale Explosion im Innern fürchtet, hofft darauf, die Opposition der Arbeiterklasse in nationalistischer und militaristischer Propaganda zu ertränken.

Das IKVI lehnt den Imperialismus kompromisslos ab, einschließlich seiner Versuche, Erdoğan durch einen Putsch zu stürzen. Vor hundert Jahren entstand im Kampf gegen die Imperialisten, die das Osmanische Reich aufteilen wollten, die Türkei als säkularer Staat. Hundert Jahre danach hat sich die türkische Bourgeoisie als unfähig erwiesen, ihre internen Konflikte auf demokratische Weise zu lösen, geschweige denn ihre Unabhängigkeit vom Imperialismus zu erkämpfen. Tatsächlich suchte Erdoğan zunächst, die Zustimmung Washingtons und der europäischen Mächte zu seiner Offensive zu erhalten, obwohl diese selben Mächte erst vor drei Jahren versucht hatten, ihn zu ermorden.

Die einzige progressive Antwort auf die Probleme von Krieg, ethnischen Konflikten und autoritärer Herrschaft besteht darin, durch den revolutionären Kampf der Arbeiterklasse eine wirklich demokratische Regierung zu schaffen und ethnische Spaltungen dadurch zu überwinden dass Arbeiter aller Nationalitäten – Türken, Kurden, Araber, Iraner und Israelis – gemeinsam gegen den imperialistischen Krieg und den Kapitalismus kämpfen.

Die Entwicklung in der Türkei und in der ganzen Region bestätigt erneut die Strategie der Weltrevolution, die Leo Trotzki in seiner Theorie der permanenten Revolution ausgearbeitet hatte. Die Bourgeoisie in der Türkei, wie in allen Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung, ist hoffnungslos an den Imperialismus gefesselt. Aus Angst vor der Arbeiterklasse ist sie nicht in der Lage, ein einziges Problem zu lösen. Diese Aufgabe kann nur durch den unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse gelöst werden, die alle unterdrückten Teile der Gesellschaft sowohl gegen die einheimische Bourgeoisie, als auch gegen den Imperialismus führt.

Das krasse Doppelspiel, das die Vereinigten Staaten mit ihren kurdischen Verbündeten treiben, ist eine weitere bittere Lektion darüber, dass der kurdische Nationalismus nicht dazu taugt, die demokratischen und kulturellen Rechte der Kurden zu verteidigen. Die Rolle der kurdischen Nationalisten als Gefängniswärter für über 10.000 mutmaßliche Mitglieder der IS-Miliz, die sie auf Befehl des US-amerikanischen und europäischen Imperialismus unter entsetzlichen Bedingungen gefangen halten, hat ihren Anspruch, im Nordirak ein demokratisches Kurdenregime zu errichten, völlig diskreditiert.

Das kurdische Volk ist über die Türkei, Syrien, den Irak und den Iran verteilt. Die einzige tragfähige Strategie zur Verteidigung ihrer demokratischen Rechte, wie auch die des türkischen Volkes, ist ein gemeinsamer revolutionärer Kampf von Arbeitern aller ethnischen Gruppen, um die Macht zu übernehmen und die Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens und Zentralasiens zu errichten.

Die reaktionäre Haltung des gesamten politischen Establishments in der Türkei zeigt, dass der Kapitalismus im Nahen Osten in einer Sackgasse steckt. Die oppositionelle CHP, die traditionelle Kriegspartei der türkischen herrschenden Klasse, unterstützt Erdoğans Offensive. Die CHP versucht, die Gefahr einer militärischen Eskalation vor den Arbeitern zu verschleiern, indem sie über ein mögliches Abkommen mit dem syrischen Regime spekuliert.

Dies zeigt, wie reaktionär es war, dass die pseudolinken Parteien sich bei den diesjährigen Kommunalwahlen hinter die CHP stellten, um Erdoğans AKP entgegenzutreten. Während die maoistische EMEP eine „dauerhafte Einheit“ mit der CHP forderte, ließ die Freiheits- und Solidaritätspartei (ÖDP) sogar ihren Führer als CHP-Kandidaten aufstellen. Sie tragen die politische Mitverantwortung dafür, dass die CHP die syrischen Flüchtlinge aus den von ihr kontrollierten Städten vertreibt und jetzt die Invasion Syriens unterstützt.

Die kurdisch-nationalistische HDP appelliert an „internationale Organisationen“, sie sollten „Verantwortung übernehmen“ und den kurdischen Milizen zu Hilfe eilen. Aber die „internationalen Organisationen“, an die sich die kurdischen Nationalisten wenden, sind das Pentagon, die CIA, die Demokratische Partei der USA und deren Verbündete in Europa. Diese Kräfte sind für jahrzehntelangen Massenmord verantwortlich.

Das IKVI, das die Kurden und andere unterdrückte Menschen im Nahen Osten verteidigt, unterstützt jedoch keineswegs die kurdischen bürgerlichen Nationalisten. Das katastrophale Ergebnis der US-kurdischen Allianz in Syrien – einschließlich der Kriegsverbrechen, die in Rakka und anderen syrischen Städten im so genannten Krieg gegen den IS verübt wurden – bestätigt die trotzkistische Kritik am bürgerlichen Nationalismus: Er dient lediglich dazu, den Nahen Osten nach ethnischen Gesichtspunkten zu spalten und seine Bevölkerung dem Imperialismus unterzuordnen.

Unter dem Deckmantel „sozialistischer“ Phrasen strebten die kurdischen bürgerlichen Nationalisten in der Geschichte immer wieder Bündnisse mit imperialistischen und bürgerlichen Mächten an, von der CIA und Israel über den Schah von Persien bis hin zur stalinistischen Bürokratie in Moskau. Dies führte zu einer Reihe von Katastrophen. Im Iran-Irak-Krieg 1980–1988 standen Jalalal Talabanis Patriotische Union Kurdistan und Massoud Barzanis Kurdische Demokratische Partei auf verschiedenen Seiten und bekämpften einander. Obwohl die US-Regierung die Unterdrückung eines kurdischen Aufstands nach dem Golfkrieg 1991 durch das Hussein-Regime im Irak stillschweigend unterstützt hatte, begrüßten kurdische Nationalisten wie die PKK die US-geführte Invasion im Irak im Jahr 2003.

Die kurdischen Nationalisten sind den erbitterten taktischen Konflikten zwischen Ankara und Washington um Syrien in die Quere geraten. Die Türkei hat den NATO-Krieg unterstützt und die islamistischen Milizen bewaffnet, die die USA als Stellvertretertruppen einsetzten. Aber als sich die NATO nach der Niederlage der mit al-Qaida verbündeten Milizen der YPG, dem syrischen Arm der PKK, zuwandte, schreckte die türkische Regierung zurück.

Die AKP-Regierung hatte eine Zeit lang Friedensgespräche mit der PKK geführt, in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe ihre Position im Irak und in Syrien zu stärken und im Innern der Türkei die Arbeiterklasse zu spalten. Aber als die YPG in den Demokratischen Kräften Syriens (SDF), der Hauptstütze der NATO, mehr und mehr die Führung übernahm, brach Ankara die Gespräche ab. Gleichzeitig wurde der Konflikte zwischen den USA und der Türkei um die türkischen Beziehungen zu Russland immer größer. Das Ergebnis ist der heutige blutige Konflikt.

Sollte die Arbeiterklasse sich in diesem Krieg im Nahen Osten auf die Seite einer der rivalisierenden kapitalistischen Mächte stellen, dann würde sie einen hohen Preis zahlen. Sie muss völlig anders an die Sache herangehen. In einer Situation, in der die Arbeiterklasse der gesamten Region den Kampf aufnimmt, geht es darum, die Arbeiter aller Nationalitäten politisch zu vereinen und gemeinsam den revolutionären Kampf gegen den imperialistischen Krieg aufzunehmen.

In Sri Lanka kämpfen die Trotzkisten für die Permanente Revolution und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Sri Lanka und Tamil Eelam als Teil der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Südasien. Dies ist für die explosive Krise in Syrien von großer Bedeutung. Die Socialist Equality Party in Sri Lanka lehnt jede Unterdrückung der Tamilen durch die sri-lankische Bourgeoisie bedingungslos ab, ohne sich den tamilischen Nationalisten anzupassen oder vor ihnen zu kapitulieren. Dieser prinzipielle Kampf für den sozialistischen Internationalismus zeigt der Arbeiterklasse im Nahen Osten einen Ausweg aus der wachsenden Weltkriegsgefahr.

Die entscheidende politische Aufgabe besteht darin, revolutionäre Arbeiterparteien aufzubauen. In der Türkei und der ganzen Region müssen Sektionen des IKVI mit dem Ziel aufgebaut werden, für die Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen Ostens und Zentralasiens zu kämpfen.

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