Lufthansa lässt Schlichtung mit Ufo platzen

Am Mittwoch, den 20. November, hat der Lufthansa-Konzern die bereits beschlossene Schlichtung mit der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (Ufo) wieder rückgängig gemacht.

Offenbar bot die Einwilligung von Ufo, alle Arbeitskämpfe für die Dauer der Gespräche ruhen zu lassen, dem Lufthansachef Carsten Spohr die willkommene Gelegenheit, jetzt die vollständige Kapitulation von Ufo zu verlangen. Andernfalls will der Konzernvorstand, der eng mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zusammenarbeitet, die Spartengewerkschaft Ufo komplett ausschalten.

Seit langem kämpft Ufo schon ums Überleben. Am 20. Oktober rief sie deshalb die vier deutschen Lufthansa-Töchter Eurowings, Germanwings, Sunexpress und City Line zu Warnstreik auf. Am 7. und 8. November folgte ein 48 Stunden dauernder Arbeitskampf beim Kabinenpersonal der Muttergesellschaft, der praktisch zu hundert Prozent befolgt wurde. Lufthansa sah sich gezwungen, über 1500 Flüge mit rund 200.000 Passagieren zu streichen.

Streikende Lufthansa-Stewardessen in Frankfurt, 8. November 2019

Um die jahrelangen Angriffe auf Löhne und Gehälter der Kabine zurückzuschlagen, hatten die Stewardessen und Stewards der Lufthansa und ihrer Tochtergesellschaften in den Urabstimmungen mit einer überwältigenden Mehrheit von bis zu 96 Prozent für Streikmaßnahmen gestimmt.

Unter dem Druck des 48-Stundenstreiks erklärt sich der LH-Vorstand bereit, Ufo als Gewerkschaft anzuerkennen, und lud die Flugbegleiter-Organisation zu neuen Gesprächen ein. Noch während des Streiks willigte der Ufo-Vorstand ein und verpflichtete sich, alle weiteren Kampfmaßnahmen abzusagen.

Am 14. November traten Daniel Flohr und Nicoley Baublies vom Ufo-Vorstand gemeinsam mit der LH-Arbeitsdirektorin Bettina Volkens vor die Presse. Sie gaben bekannt, man habe sich auf eine umfassende Schlichtung für rund 21.000 Kabinenbeschäftigte geeinigt. Ufo verzichtete ausdrücklich auf weitere Streiks und erklärte, damit wolle sie „der Schlichtung eine realistische Chance geben“.

Schon sechs Tage später hat der Lufthansa-Vorstand nun seine Zustimmung zu diesen Schlichtungsgesprächen überraschend wieder zurückgezogen. Provokativ verlangte Lufthansachef Carsten Spohr am Dienstagabend (19. November) von der Ufo-Führung eine ausdrückliche Streikverzichtserklärung, die sich auf alle Airlines des Konzerns, nicht nur auf die Kerngesellschaft Lufthansa, bezieht.

Im Prinzip stimmte Ufo dem sogar zu. „Wir sind einig mit Herrn Spohr und daher bereit, unter anderem die Friedenspflicht, entsprechend der bereits mit LH getroffenen Vereinbarungen zur Schlichtung ad-hoc auf alle Konzerntöchter auszuweiten“, heißt es laut dpa in der Antwort der Ufo-Vorsitzenden Sylvia de la Cruz und ihres Stellvertreters Daniel Flohr. Schon am 14. November hatten Flohr und Baublies ausdrücklich angekündigt, während des gesamten Verfahrens eine umfassende Friedenspflicht zu beachten und weder bei der Lufthansa selbst noch bei ihren Tochtergesellschaften weitere Streiks der Flugbegleiter auszurufen.

Dies alles war jedoch für CEO Spohr nicht genug, und er zog die LH-Zusage für die vereinbarten Schlichtungsgespräche offiziell zurück. Der Zeitung Airliners sagte ein Unternehmenssprecher, Grund für das Scheitern sei „die Weigerung der Gewerkschaftsspitze, auch für die vier Konzerntöchter in Deutschland eine unbefristete Friedenspflicht während der Schlichtung“ verbindlich zuzusagen.

Auch die bereits beschlossenen finanziellen Zusagen wurden wieder rückgängig gemacht. Sie betreffen einen Weihnachtsbonus von 1500 Euro für alle und das „Wintergeld“ für die zahlreichen, nach dem Saisonmodell neueingestellten Stewardessen und Stewards. Ufo bestätigte auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, dass Lufthansa zur Zahlung dieser Leistungen nicht mehr bereit sei. Gerade diese Sonderzahlungen hatte Ufo am 14. November groß als Beweis dafür herausgestellt, dass sich bei Lufthansa „was bewegt“.

In Wahrheit sind das Zahlungen, die den Beschäftigten selbst schon lange gehören müssten. Sie sollten aus dem Topf des „Mitarbeiterfonds“ finanziert werden, den Lufthansa theoretisch schon mit der letzten Tarifeinigung vor drei Jahren versprochen hatte. Offenbar ist der Konzern entschlossen, den bis heute nicht verwirklichten Mitarbeiterfonds auch weiterhin den Beschäftigten vertragsbrüchig vorzuenthalten.

Auch wird Nicoley Baublies, früherer Ufo-Chef und heutiger Beauftragter des Ufo-Vorstands, entgegen vorheriger Vereinbarungen nicht wieder als Purser bei Lufthansa eingestellt. Immer wieder hat das Management versucht, mit juristischen Spitzfindigkeiten gegen Ufo vorzugehen und den Ufo-Führern persönliche Geldstrafen in Millionenhöhe angedroht. Auch gegen die Vereinigung Cockpit ist Lufthansa schon mit großer Härte juristisch vorgegangen.

Alle Lufthansa-Beschäftigten, ob im Cockpit, in der Kabine oder am Boden, ob bei der Muttergesellschaft oder einer Tochterfirma, müssen das aggressive Vorgehen von Lufthansa als Bedrohung auf ihre eigenen Rechte und Bedingungen verstehen.

Letzte Woche erklärte CEO Carsten Spohr entschieden, die Lufthansa sei trotz der aktuellen Marktprobleme nicht bereit, irgendwelche Abstriche bei ihrem diesjährigen Gewinnziel zu machen. Dieses Jahr wird ein operativer Gewinn von 2,0 bis 2,4 Milliarden Euro erwartet. Zu den aktuellen Problemen gehören die gestiegenen Treibstoffkosten, der harte Preiskampf in der europäischen Luftfahrt, der Brexit und der internationale Handelskrieg, der besonders die Cargo-Branche belastet, die Klimabeschlüsse der Regierung und zuletzt die Auswirkungen des Ufo-Streiks.

Zu den Streikauswirkungen ist zu sagen, dass Ufo sorgfältig darauf achtete, dass die Streiks vom 7. und 8. November nicht so weit gingen, die LH-Aktie zu belasten. Da Spohr ausgerechnet während der Streiks neue Sparmaßnahmen ankündigte, und da Ufo schon am ersten Streiktag den Abbruch des Streiks ankündigte, stieg die LH-Aktie sogar noch während des Streiks auf ein neues Hoch seit Juni. Streikwellen seien „für Anleger eher bei längerer Dauer ein Thema“, schrieb die Börsenzeitung in einem Artikel mit dem Titel „Lufthansa: Personal streikt – Aktie steigt“.

Der Lufthansavorstand kündigte Sparmaßnahmen bei den beiden Tochterairlines Austrian und Brussels an. Auch in der Frachtsparte werde er nun „beherzt durchgreifen“, wie die Börsen-Website „Der Aktionär“ mitteilte. Dabei war das letzte Kahlschlagprogramm bei der LH-Cargo erst vor kurzer Zeit abgeschlossen worden. Im Rahmen des so genannten „strategischen Restrukturierungsprogramms C40“ wurden rund 80 Millionen Euro eingespart, hauptsächlich dadurch, dass jede sechste Stelle eingespart wurde. Im Ganzen wurden 800 Stellen bei der LH-Cargo gestrichen, 500 davon in Deutschland.

Auch bei der Catering-Sparte LSG stehen die Zeichen auf Sturm: Der geplant Verkauf durch Lufthansa geht mit Kündigungen und Lohneinbußen einher. Schon seit Jahren hat Verdi durchgesetzt, dass den 7000 LSG-Beschäftigten deutschlandweit umfangreiche Opfer aufs Auge gedrückt wurden – immer mit dem Versprechen, dass der Betrieb dadurch nicht verkauft oder ausgegründet werde. Nun wird er doch verkauft.

Die Kündigung des Vorstands der mit Ufo vereinbarten Gespräche ist eine Kampfansage: Damit macht der Vorstand deutlich, dass niemand im Konzern vor weiteren brutalen Angriffen sicher sein wird.

Was Ufo angeht, so hat die Spartengewerkschaft darauf reagiert, indem sie der Lufthansa eine weitere Frist bis am Donnerstag, den 28. November, für ein neues Gesprächsangebot gegeben hat. Andernfalls seien „Streiks in der Vorweihnachtszeit möglich“, so Nicoley Baublies.

Allerdings ist Ufo genauso wenig wie Verdi bereit und in der Lage, gegen die bevorstehenden Angriffe wirksam Widerstand zu leisten und die Errungenschaften und Bedingungen der Beschäftigten zu verteidigen. Dazu wäre ein sozialistisches Programm notwendig, das von den Bedürfnissen der Beschäftigten und der gesamten arbeitenden Bevölkerung ausgeht, und sich nicht nach den Profitinteressen der Aktionäre an den Börsen richtet.

Die World Socialist Web Site und die Sozialistischen Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale treten deshalb dafür ein, dass die Belegschaften Aktionskomitees gründen, die von Verdi wie Ufo unabhängig handeln können.

Ufo strebt in erster Linie danach, vom Konzern als Partner anerkannt zu werden. Die Spartengewerkschaft sieht ihre Ziele erklärtermaßen darin, die Interessen der Belegschaft mit denen der Aktionäre zu versöhnen. Immer wieder hat sie betont, dass es ihr darum geht, den Lufthansa-Konzern am Europa- und Weltmarkt konkurrenzfähig zu erhalten. In einem Schreiben an den LH-Vorstand und an den Arbeitgeberverband im Luftverkehr, den AGVL, hat Ufo ausdrücklich betont, dass sie einen langfristigen Tariffrieden im deutschen Teil des LH-Konzerns wünscht und bereit wäre, Friedenspflichten auch über die Dauer der Schlichtung bei der Muttergesellschaft hinaus zu akzeptieren.

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