Neue WikiLeaks-Dokumente enthüllen Manipulationen des Chemiewaffenberichts, mit dem US-Angriff auf Syrien 2018 gerechtfertigt wurde

Am Freitag veröffentlichte WikiLeaks die vierte Serie interner Dokumente der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Diese Dokumente beinhalten weitere Enthüllungen über die Manipulation des offiziellen Berichts über einen angeblichen Chemiewaffenangriff im Jahr 2018 in Duma, einem Vorort von Damaskus, der damals durch islamistische Kräfte kontrolliert wurde, die von der CIA unterstützt werden. Das Ziel dieser Manipulation bestand darin, einen Angriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs auf die syrische Regierung zu rechtfertigen.

Aus den Dokumenten geht hervor, dass die von den Ermittlern gefundenen Hinweise systematisch unterdrückt wurden, weil sie erhebliche Zweifel an der offiziellen Darstellung Washingtons und seiner imperialistischen Verbündeten schürten. Laut dieser Darstellung hat die Regierung von Baschar al-Assad bewusst einen Angriff mit Chemiewaffen durchgeführt, dem bis zu 49 Menschen zum Opfer fielen.

Der Hauptsitz der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag, Niederlande. (Quelle: AP Photo – Peter Dejong, File)

Die USA, Großbritannien und Frankreich legten keinen Beweis dafür vor, dass Assads Militär für den angeblichen Angriff verantwortlich ist. Stattdessen wurden in den Leitmedien Videos von Kindern gezeigt, die angeblich unter den Folgen des Angriffs leiden. Er wurde dann als Rechtfertigung benutzt, um eine Woche später Ziele der syrischen Regierung anzugreifen. Der offizielle Bericht der OPCW wurde erst diesen März veröffentlicht, fast ein Jahr nachdem US-Präsident Donald Trump die Luftangriffe befohlen hatte, die einen Krieg mit dem Iran und Russland – den beiden wichtigsten Verbündeten Assads – hätten auslösen können.

Diese Serie von Enthüllungen durch WikiLeaks, gegründet von dem Journalisten Julian Assange, hat die Tatsache aufgezeigt, dass wichtige Beweise und abweichende Meinungen von Ermittlern, die in Duma vor Ort waren, aus der Endfassung des Berichts gestrichen wurden. Dies sollte den Eindruck erwecken, dass die OPCW zu dem Schluss gekommen sei, dass Assad am 7. April 2018 einen Chlorgasangriff durchgeführt habe. Reuters bestätigte Ende November die Echtheit der ersten Serie von E-Mails. WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist momentan Gefangener der britischen Regierung und wartet auf seine Auslieferung in die USA, weil er imperialistische Kriegsverbrechen im Nahen Osten aufgedeckt hat.

Genauso außergewöhnlich wie die Leaks selbst ist die Tatsache, dass sie von den Leitmedien in den USA und Europa völlig totgeschwiegen werden. Trotz des brisanten Inhalts der bisher veröffentlichten Dokumente, die die angeblich objektive und neutrale OPCW als Werkzeug der USA und ihrer imperialistischen Verbündeten entlarven, haben die Leitmedien nicht in nennenswertem Umfang darüber berichtet. Genauso wenig haben die New York Times, die Washington Post oder irgendein anderes großes Presseorgan versucht, ihren Inhalt zu widerlegen.

Letzten Monat hatte der Newsweek-Reporter Tareq Haddad aus Protest seine Kündigung eingereicht, nachdem Redakteure seine Versuche, über die Leaks zu berichten, mit Zwangsmaßnahmen unterbunden hatten. Angesichts des offenbar erzwungenen Schweigens über diese jetzt öffentlich zugänglichen Dokumente muss man sich fragen, ob die CIA und das Außenministerium eine Zensuranweisung (ähnlich der einer britischen D-Notice) an die Redaktionen in den USA, Europa und anderen Kontinenten geschickt haben, um jede Enthüllung der Lügen zu vertuschen, die sie während der jahrelangen Bestrebungen zum Sturz Assads verbreitet haben.

Zur aktuellen Serie von Dokumenten gehört eine E-Mail des Chefs der OPCW, Sebastien Braha, vom 28. Februar 2019, direkt vor der Veröffentlichung des endgültigen Untersuchungsberichts über den Vorfall in Duma. Darin forderte er, dass alle Spuren des Berichts des langjährigen OPCW-Inspektors und Ballistikexperten, Ian Henderson, aus der internen Datenbank der Organisation entfernt werden. Henderson ist in seiner Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass die Zylinder, die als Quelle des Chlorgases identifiziert wurden, nicht aus der Luft abgeworfen, sondern am Fundort platziert wurden.

Braha schrieb zu Hendersons Bericht: „Bitte nehmen Sie dieses Dokument aus dem DRA [dem Urkundenarchiv] ... und bitte entfernen Sie, sofern vorhanden, alle Spuren, dass es im DRA eingegangen, gelagert oder sonst etwas damit getan wurde.“

In der Endfassung des Berichts war keine Rede mehr von Hendersons Untersuchungsergebnissen. Sie wurden erst publik, als sie an die Presse geleakt wurden. Der Bericht enthielt auch keine anderen abweichenden Ansichten von Ermittlern, die die Beweise in Duma ausgewertet haben. Ein Ermittler der Untersuchungsmission (Fact Finding Mission, FFM) in Syrien wies in einer E-Mail, die bereits zuvor von WikiLeaks veröffentlicht wurde, darauf hin, dass die Endfassung des Berichts so geändert wurde, dass sie „nicht mehr die Arbeit des Teams wiedergibt“.

Andere wichtige Details, die von den Ermittlern entdeckt wurden, waren u.a. die Tatsache, dass chlorhaltige organische Chemikalien nur in geringen Mengen gefunden wurden. Dies wurde ebenfalls aus dem Bericht gestrichen, sodass der Eindruck entstand, die Ermittler hätten eindeutige Beweise für einen Chlorgasangriff entdeckt.

Eine andere von WikiLeaks veröffentlichte E-Mail von Ende Juli 2018 stammt von Sami Barrek, dem Teamleiter der FFM, und ist an Henderson und mehrere andere Personen adressiert. Darin heißt es, von den acht Ermittlern, die in Duma vor Ort waren, dürfe nur einer an weiteren Diskussionen über die Endfassung des Berichts teilnehmen. Jonathan Steele, der ehemalige Auslandskorrespondent des Guardian, berichtete letzten Monat auf Counterpunch, dass ein OPCW-Whistleblower namens „Alex“ im gleichen Monat von einem Vorfall berichtete, bei dem sich drei anonyme amerikanische Regierungsvertreter mit Ermittlern mit abweichenden Ansichten trafen und ihnen erklärten, es bestehe kein Zweifel, dass Assad für den angeblichen Chlorgasangriff in Duma verantwortlich gewesen sei.

Das jüngste Leak umfasst auch die Protokolle eines Treffens zwischen einem Team von OPCW-Ermittlern und drei Toxikologen, bzw. klinischen Pharmakologen, und einem Bioanalytiker/toxikologischen Chemiker am 6. Juni, die allesamt Experten für den medizinischen Schutz vor Chemiewaffen sind. Der Zweck dieses Treffens mit den vier Experten bestand darin, dass sie dazu Stellung nehmen, ob eine Exhumierung der angeblichen Opfer des Angriffs zweckdienlich sei, um Beweise für Kontakt mit Chlorgas zu suchen. Sie sollten außerdem Videos und Fotos der angeblichen Opfer analysieren, um zu bestimmen, ob ihre Symptome mit denen der Opfer von Chlorgas oder reaktivem Chlorgas übereinstimmten.

Beim ersten Punkt einigten sich die Experten darauf, dass es angesichts der Bedingungen, unter denen die mutmaßlichen Opfer begraben wurden, unwahrscheinlich ist, dass sich Beweise für Kontakt mit Chlorgas finden. Deshalb hielten sie eine Exhumierung für sinnlos. Im zweiten und wichtigeren Punkt einigten sich die Experten laut dem Protokoll darauf, dass es nach Durchsicht der Videos und Fotos schlüssig sei, „dass es keinen Zusammenhang zwischen den Symptomen und Kontakt mit Chlorgas gibt“.

Der leitende Experte schilderte zwei Möglichkeiten für das OPCW-Team: dass es tatsächlich einen Chemiewaffenangriff gab oder dass der ganze Vorfall eine Propagandaaktion war. Die Experten betonten, dass Opfer eines Chlorgasangriffs nicht jeweils in der Mitte ihrer Wohnungen versammelt wären, so wie sie gefunden wurden. Sie wären vielmehr zu den nächsten Ausgängen gerannt, um zu sauberer Luft zu gelangen.

Das Team der OPCW kam nach dem Treffen mit den vier Experten zu dem Schluss, dass die „beobachteten Symptome nicht mit denen der Opfer von Chlorgas oder einer anderen möglichen Chemikalie übereinstimmen, die die Symptome verursacht haben könnte“.

Marc-Machael Blum, der damalige Chef des OPCW-Labors, erklärte in einer E-Mail vom 28. August 2018 nach der Durchsicht des Protokolls, dass die Überlegungen des Chefexperten während des Treffens, dass der Vorfall in Duma inszeniert sei, „hauptsächlich auf die Tatsache zurückgehen, dass die Todesumstände der Opfer weniger den Opfern von Chlorgas ähneln als vielmehr Leichen, die für Propagandazwecke so hingelegt wurden“.

Diese Feststellungen der Ermittler und Experten, die das offizielle Narrativ widerlegen, erschienen ebenfalls nicht im endgültigen Bericht der OPCW.

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