Bundesregierung blockiert Aufnahme von Flüchtlingen durch Kommunen

In der Frage der Aufnahme geretteter Flüchtlinge hat sich die deutsche Regierung offenbar entschieden, die Politik der AfD umzusetzen. Seit über einem Jahr weigert sich Innenminister Horst Seehofer (CSU), in dieser Frage mit den Kommunen zusammenzuarbeiten.

Mittlerweile haben sich über 130 Städte bereit erklärt, aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufzunehmen. Doch obwohl sich ihre Anträge im Innenministerium stapeln, bleibt die Bundesregierung, in der neben der CDU/CSU auch die SPD sitzt, bei ihrem harten Nein.

Den Äußerungen Seehofers ist darüber hinaus zu entnehmen, dass er in dieser Frage seine Politik nach dem Programm der AfD ausrichtet. In der Sendung „Berlin direkt“ sagte er am 12. Januar, der Migrationsdruck in Europa sei „riesig“, und er werde „uns noch lange Zeit begleiten“. Das sei ein Problem, das angeblich „Sorgen und Ängste in der Bevölkerung“ wecke.

Immer wieder wird auch das längst widerlegte Argument bemüht, die Aufnahme von geflüchteten Menschen löse einen „Pull-Faktor“ aus und spiele den Schleppern in die Karten. So begründete der bayerische Bürgermeister Uwe Brandl (CSU) seine Unterstützung für Seehofer mit den Worten: „Ich habe grundsätzlich ein Problem mit offen angekündigten Maßnahmen, die Schlepper ermutigen, ihr schmutziges Geschäft auszubauen, und neue Pull-Faktoren schaffen.“

Ganz ähnlich hatte auch Seehofer selbst schon im letzten Oktober die Propaganda der Rechten übernommen. „Ich will keine Pull-Effekte“, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Die Zeit. Die Regierung werde nichts tun, um „das menschenverachtende Geschäft der Schleuser [zu] unterstützen“.

In der „Berlin-direkt“-Sendung vom 12. Januar kam ihm auch der innenpolitische CDU-Sprecher Armin Schuster zu Hilfe, der über die Flüchtlinge sagte, es sei für Deutschland unmöglich, „wie 2015 … ein europäisches Problem im Alleingang“ zu lösen. „Das dürfen wir nicht wieder tun.“ Schuster setzte hinzu: „Dafür gäbe es in der Bevölkerung auch keine Zustimmung“.

Diese Auffassung wird offenbar von den Spitzen aller etablierten Parteien bis hin zur Linkspartei geteilt. Das machte in der gleichen Sendung der außenpolitische Vertreter der Linken, Stefan Liebich, deutlich. Auf die Flüchtlingsproblematik, so Liebich, sei die Bevölkerung nicht vorbereitet, „logistisch nicht, aber auch nicht von der Stimmung im Land her“.

Solche Aussagen führender Politiker stehen im Gegensatz zur wirklich vorherrschenden Stimmung. Diese hat sich seit der offenen Willkommenskultur vor fünf Jahren nicht wesentlich verändert.

Das zeigt allein schon die Tatsache, dass mehr als 130 Städte und Kommunen sich mittlerweile einem Netzwerk für „Sichere Häfen“ angeschlossen haben. Das Netzwerk gehört zur „Seebrücke“-Initiative und besteht schon seit Juli 2018. Alle diese Gemeinden fordern, dass aus Seenot gerettete Flüchtlinge schnell und unbürokratisch aufgenommen werden, und erklären sich ausdrücklich bereit, Schutzsuchende bei sich aufzunehmen.

120 dieser Städte und Gemeinden haben sich mittlerweile bei der Initiative „Seebrücke“ als „sicherer Hafen“ registrieren lassen, darunter Berlin, München, Hamburg, Leipzig, Köln, Bonn, Düsseldorf, Wiesbaden, Mannheim, Freiburg und Saarbrücken. In all diesen Städten hat der Stadtrat, Gemeinderat, oder wie das zuständige Gremium heißt, in offener Abstimmung den Forderungen der Seebrücke zugestimmt. Demnach sind sie bereit, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen, haben dies der Bundesregierung offiziell mitgeteilt und halten die Öffentlichkeit darüber auf dem Laufenden.

Unter diesen „sicheren Häfen“ sind auch Gemeinden, deren Namen mit schrecklichen rechtsradikalen Anschlägen in Verbindung stehen, wie Kassel, Halle oder Solingen. Offensichtlich ist gerade dort das Bedürfnis in der Bevölkerung sehr stark, ein Zeichen gegen rechts zu setzen.

Wie sich zeigt, werden alle diese klar vorhandenen Kapazitäten seit Jahren nicht genutzt, während die Bundesregierung die Hilfsbereitschaft der Städte und Kommunen sabotiert. So gibt es allein in Düsseldorf zurzeit rund 300 freie Plätze in dreißig verschiedenen Unterkünften, die leer stehen und nicht genutzt werden, die die Düsseldorfer Leiterin des Amts für Migration und Integration der Zeitung Neues Deutschlands (nd) sagte.

Immer wieder treten Kommunen an die Bundesregierung heran, wie zum Beispiel ein Bündnis von dreizehn Gemeinden, die im Juni 2019 mit der „Potsdamer Erklärung“ an die Öffentlichkeit gingen. Darin erklären sie sich bereit, die „aus Seenot Geretteten zusätzlich aufzunehmen“, und erwarten von „der Bundesregierung und dem Bundesinnenminister die schnellstmögliche Zusage, dass wir aufnahmebereiten Kommunen und Gemeinden die aus Seenot im Mittelmeer geretteten Geflüchteten auch aufnehmen können“.

Anfang dieser Woche haben sich erneut Vertreter aus 16 NRW-Städten in Bielefeld getroffen, um die Bundesregierung einmal mehr an ihr Angebot, Geflüchtete aufzunehmen, zu erinnern. Ausdrücklich erwähnen sie auch ihre Bereitschaft, Flüchtlinge aus den griechischen Camps aufzunehmen, in denen katastrophale Zustände herrschen. Dort sitzen derzeit rund 40.000 Flüchtlinge fest, von denen schätzungsweise 4000 Kinder sind.

Diese Initiative blockte der nordrheinwestfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sofort ab, indem er sich auf Seehofers Seite stellte. Zynisch heuchelte Stamp Besorgnis für die betroffenen Flüchtlinge, als er sagte, er halte es für „unverantwortlich, ausgerechnet das gefährlichste Transportmittel zu begünstigen, indem Migranten, die sich in Boote setzen, direkt in Kommunen vermittelt werden sollen“.

Am 8. Januar hat die Regierung den Migrationsbericht für das Jahr 2018 vorgelegt. Auch hier zeigte sich ihre Nähe zur AfD. Horst Seehofer brüstete sich damit, dass die Nettozuwanderung nach Deutschland weiter zurückgegangen sei.

Die Forscherinnen, die den Bericht im Auftrag des Bamf erstellt hatten, konstatierten bei der seiner Vorstellung, dass „vor allem die humanitäre Zuwanderung zurückgegangen“ sei. Die Zahl der Asylanträge gehe stetig zurück, und sogar die Zahlen der Familienzusammenführung seien rückläufig.

Die Bundesregierung setzt sowohl die Ablehnung von Asylanträgen als auch die Abschiebungen weiterhin mit großer Härte durch. Dies hat ihr sogar eine Rüge des Europarats eingetragen. So hat das Anti-Folter-Komitee des Rats Deutschland wegen „unverhältnismäßiger und unangemessener“ Gewaltanwendung im Zuge von Abschiebungen kritisiert.

Die Abschiebungen haben sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Waren es im Jahr 2012 noch 7651 Abschiebungen, so wurden im Jahr 2018 offiziell 23.617 Menschen abgeschoben, die angeblich „freiwilligen“ Ausreisen nicht mit gerechnet. Die Bundespolizei soll im Jahr 2018 mehr als 34.000 ausreisepflichtige Personen bei ihrer „freiwilligen Ausreise“ kontrolliert haben.

Im ersten Halbjahr 2019 gab es laut Auskunft der Bundesregierung bereits 11.496 Abschiebungen, darunter 336 in das Bürgerkriegsland Afghanistan. Damit wurden laut den offiziellen Zahlen 62 Minderjährige (Personen unter 18 Jahren) und 74 Frauen nach Afghanistan abgeschoben!

Im gleichen Zeitraum hat auch das von der Linkspartei regierte Bundesland Thüringen im Ganzen 271 Abschiebungen durchgesetzt.

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