Wissenschaftler warnen vor „Atomkrieg, der die Zivilisation auslöscht“

Am letzten Mittwoch, dem zweiten Tag des Impeachment-Verfahrens gegen US-Präsident Donald Trump, sprach der Kongressabgeordnete Adam Schiff im Senat den denkwürdigen Satz aus: „Die Vereinigten Staaten unterstützen die Ukraine und ihre Bevölkerung. So können wir Russland dort bekämpfen und müssen es nicht hier bei uns tun.“

Ein großer Teil der Amerikaner dürfte sich gewundert haben. „Wir“ bekämpfen Russland? Die Gefahr eines Kriegs zwischen den USA und Russland oder China wird von den Medien seit Jahren als „Verschwörungstheorie“ abgetan. Doch Schiff sprach vom Kampf der USA gegen Russland als einer feststehenden Tatsache.

Soldaten montieren einen instandgesetzten nuklearen Sprengkopf auf eine Interkontinental-Rakete des Typs Minuteman III [AP Photo/Eric Draper]

Sowohl die USA als auch Russland besitzen jeweils über 6.000 Kernwaffen. Ein Bruchteil davon würde ausreichen, um Milliarden Menschen zu töten und die Zivilisation vollständig zu zerstören. Oder anders ausgedrückt: Ein Krieg zwischen den beiden Ländern hätte eine unermessliche Katastrophe zur Folge.

Ungeachtet dessen bereitet sich die herrschende Klasse der USA – sowohl die Demokraten durch ihre hysterische antirussische Propaganda, als auch Trump mit seinen Hetztiraden – auf einen militärischen Konflikt vor, der den Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellt.

Am Donnerstag stellten die Wissenschaftler des Bulletin of Atomic Scientists die „Doomsday Clock“ (wörtlich: „Uhr des Jüngsten Gerichts“) auf 100 Sekunden vor Mitternacht. Die symbolische Uhr dient seit 1947 dazu, das Risiko einer globalen Katastrophe anzuzeigen. So nah an Mitternacht wie heute stand sie noch nie, nicht einmal zu Zeiten der Kuba-Krise auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs.

Im Jahresbericht der Wissenschaftler heißt es: „Die Möglichkeit, dass es zu einem Atomkrieg kommt, der die Zivilisation auslöscht – ob absichtlich, durch einen Fehler oder wegen eines Missverständnisses –, ist in greifbare Nähe gerückt. Wer annimmt, die Gefahr eines Atomkriegs wäre besiegt, täuscht sich gewaltig.“

Weiter heißt es: „Die Aussage, dass die Welt ihrem Untergang näher ist als während des Kalten Krieges (…), ist schwerwiegend und bedarf einer ernsthaften Erklärung.“

„Die Infrastruktur der internationalen Politik, die zur Kontrolle existenzieller Risiken dient, zerfällt, und die Welt ist zusehends bedroht. Die führenden Politiker weltweit reagieren nicht angemessen, um das Bedrohungspotential zu reduzieren und der Aushöhlung internationaler politischer Institutionen, Gesprächsforen und Vereinbarungen, die eine Eindämmung der Bedrohung zum Ziel haben, entgegenzuwirken. Damit erhöht sich das Risiko einer Katastrophe.“

Im vergangenen Jahr zogen sich die Vereinigten Staaten aus dem INF-Vertrag zurück, der die Stationierung landgestützter Raketen, einschließlich Atomraketen, mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern verbot.

Angeführt von den Vereinigten Staaten bauen sämtliche Atommächte ihre Arsenale massiv aus und modernisieren sie. Bereits im Dezember testeten die USA eine ballistische Rakete, die gegen den INF-Vertrag verstoßen hätte.

Die USA bereiten sich auf das vor, was der amerikanische Verteidigungsminister Mark Esper als „Konflikt mit hoher Intensität gegen Konkurrenten wie Russland und China“ bezeichnete.

Wenige Tage vor dem jüngsten Raketentest hatten die Demokraten im Repräsentantenhaus einem Gesetz zugestimmt, das dem Präsidenten das höchste Militärbudget in der Geschichte der Vereinigten Staaten genehmigte. Zudem wurde jede Einschränkung für die Trump-Administration, weitere Atomwaffen zu entwickeln und einzusetzen, aus dem Wortlaut gestrichen.

Nachdem die Trump-Regierung im August aus dem INF-Vertrag zurückgetreten war, wurde kurze Zeit später ein Plan in Höhe von 1 Billion Dollar zur Erweiterung, „Modernisierung“ und Miniaturisierung des amerikanischen Atomwaffenarsenals beschlossen. Die Hemmschwelle für den Einsatz sinkt.

Der Ausbau der US-Nuklearstreitkräfte steht im Mittelpunkt der Vorbereitungen Trumps auf einen „Großmachtkonflikt“ mit Russland und China. Angekündigt wurde dieser bereits in der im Januar 2018 veröffentlichten Doktrin, die besagt, dass fortan der strategische Wettbewerb zwischen Staaten, und nicht mehr der Terrorismus, im Zentrum der nationalen Sicherheitsstrategie der USA steht.

Elbridge A. Colby, einer der Hauptautoren der Nationalen Verteidigungsstrategie des Pentagon vom Januar 2018, kommentierte die Entwicklung in der Zeitschrift Foreign Affairs folgendermaßen:

Wenn zukünftige Historiker auf das Verhalten der Vereinigten Staaten zu Beginn des 21. Jahrhunderts zurückblicken, werden sie vermutlich ein besonderes Augenmerk auf die Art und Weise legen, wie in Washington eine Neuausrichtung auf Großmachtkonflikte vorangetrieben wurde.

Es war an der Zeit, das Kind beim Namen zu nennen. Genau das hat die Regierung Trump, realistischer und plumper als ihre Vorgänger, getan. „Trump könnte“, wie Henry Kissinger 2018 in der Financial Times schrieb, „einer jener Akteure der Geschichte sein, die von Zeit zu Zeit auf der Weltbühne erscheinen, um das Ende einer Ära zu markieren und dem Vortäuschen alter Wahrheiten ein Ende zu setzen.“

Das US-Militär hat deutlich gemacht, dass es ihm heute vorrangig darum geht, die Belange Taiwans oder der baltischen Staaten effektiv gegen einen möglichen Angriff Chinas oder Russlands zu verteidigen.

Es ist offenkundig, dass ein solcher Konflikt die Gefahr eines Atomkriegs birgt. Erst letztes Jahr schrieb besagter Elbridge Colby ebenfalls für Foreign Affair einen Artikel mit dem Titel: „Wer Frieden will, sollte sich auf einen Atomkrieg vorbereiten“. Wörtlich heißt es darin:

Die Risiken eines Nuklearkrieges mögen enorm sein. Gleiches gilt jedoch auch für den Gewinn, der aus der Erlangung eines nuklearen Vorteils gegenüber dem Gegner entspringt.

Jede zukünftige Konfrontation mit Russland oder China könnte in einen nuklearen Konflikt münden. In einem verstärkt erbitterten, unsicheren Kampf könnte jede Seite versucht sein, den nuklearen Säbel zu schwingen, um den Einsatz zu erhöhen und die Entschlossenheit der Gegenseite herauszufordern. Oder auch nur, um weiter zu kämpfen.

Colby schrieb weiter: „Der beste Weg, einen Atomkrieg zu vermeiden, ist die Bereitschaft einen begrenzten solchen Krieg zu führen.“ In der heutigen gefährlichen Weltlage müssten „amerikanische Regierungsvertreter“ verdeutlichen, dass „die USA dazu bereit sind, begrenzt, aber wirkungsvoll nukleare Waffen einzusetzen“.

Diese Politik ist reiner Wahnsinn, und diejenigen, die sie vertreten, sind Verbrecher. Doch die weltweite Aufrüstung aller Großmächte macht deutlich, dass dieser Wahnsinn nicht dem Kopf eines Einzelnen entspringt, sondern den Zustand der herrschenden Klasse und der Gesellschaftsordnung widerspiegelt. Er ist symptomatisch für die Krise des kapitalistischen Systems, das die Ursache für Krieg und für die Angriffe auf demokratische Rechte ist.

Die internationale Arbeiterklasse ist die einzige Kraft, die den Rückfall in die kapitalistische Barbarei stoppen kann. Eine Welle von Streiks und sozialen Aufständen hat bereits begonnen. Wir rufen alle Arbeiter dazu auf, Widerstand gegen soziale Ungleichheit und imperialistische Kriege zu leisten und dies als untrennbaren Teil des Kampfs für den Sozialismus zu verstehen.

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