Demokraten weiten Angriffe auf den Sozialismus aus

Laut aktuellen Umfragen könnte Senator Bernie Sanders (Vermont) bei der Vorwahl der Demokraten in New Hampshire heute Nacht die meisten Stimmen erhalten. Als Reaktion darauf konzentrierten Sanders' Gegner ihre Angriffe auf seine öffentliche Erklärung, er sei ein „demokratischer Sozialist“.

Am Freitagabend erklärte der ehemalige US-Vizepräsident Joe Biden zu Beginn der Debatte mit sieben Präsidentschaftskandidaten in New Hampshire, mit Sanders an der Spitze wären demokratische Kandidaten für andere Posten bei den Wahlen am 3. November zum Scheitern verurteilt. Er erklärte: „Bernie hat sich selbst [...] als demokratischen Sozialisten bezeichnet. Falls Bernie nominiert wird, glaube ich, dass der Präsident dieses Etikett jedem anheften wird, der mit Bernie antritt.“

Senatorin Amy Klobuchar (Minnesota) beteiligte sich an dem Angriff mit der Behauptung, Sanders würde „noch mehr spalten als der oberste Spalter [d.h. Trump]. [...] Ich glaube, wir brauchen jemanden an der Spitze, der Leute tatsächlich hinter sich bringt, statt sie auszugrenzen...“ Danach wies sie auf ihre eigene Resonanz bei „gemäßigten Republikanern“ und Wählern „in der Mitte“ hin.

Von links nach rechts die Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei: der ehemalige Bürgermeister von South Bend, Pete Buttigieg, Senator Bernie Sanders, der frühere Vizepräsident Joe Biden und Senatorin Elizabeth Warren. (AP Photo/Charles Krupa)

Am Samstag verteilten Klobuchars Mitarbeiter bei einer Veranstaltung am Dartmouth College Kopien von Leitartikeln, die sich positiv über sie äußerten, u.a. von der ultrarechten Zeitung Manchester Union-Leader, der auflagenstärksten Zeitung des Bundesstaats. Klobuchar erklärte ihrem Publikum: „Ich stimme nicht allem zu, was in diesem Stadium der Debatte gesagt wird. Als sie fragten, ob ein Sozialist als Präsident kandidieren sollte, hob ich die Hand und sagte: ,Nein‘.“

Das Thema dominierte die Auftritte der aussichtsreichsten demokratischen Präsidentschaftskandidaten in den Interviewsendungen der großen Fernsehsender am Sonntag. Sanders selbst wurde in vier Sendungen eingeladen, in dreien davon wurde er nach seiner Selbstbezeichnung als demokratischer Sozialist gefragt.

In den USA wird der Sozialismus von offizieller Seite seit einem Jahrhundert verteufelt und verleumdet, Antikommunismus wurde praktisch zu einer Staatsreligion erhoben, und echte Sozialisten werden von den Medien totgeschwiegen. Dass ausgerechnet in einem solchen Land in den Medien plötzlich so viel über das „S-Wort“ diskutiert wird, ist bemerkenswert.

Es verdeutlicht die zunehmende soziale Ungleichheit und das wachsende Bewusstsein von Millionen von Arbeitern und Jugendlichen, dass die Konzentration von Reichtum unter der Kontrolle einer Handvoll von Multimillionären und Milliardären ein unüberwindliches Hindernis für sozialen Fortschritt und eine tödliche Bedrohung für demokratische Rechte ist. Eine Umfrage nach der anderen zeigt die wachsende Opposition gegen den Kapitalismus und eine zunehmende Unterstützung für den Sozialismus, vor allem unter den jüngeren Generationen.

Dieser Linksruck im Bewusstsein der Bevölkerung drückt sich nur in äußerst verzerrter Weise in dem von der Wirtschaft kontrollierten Zweiparteiensystem aus. Im Jahr 2016 äußerte er sich in einer massiven Unterstützung für Sanders' Kampf um die Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. Das ganze politische Establishment der USA und sogar der Senator selbst waren davon überrascht. Er erhielt massive Unterstützung, es fanden begeisterte Kundgebungen statt, im Internet wurden riesige Mengen kleiner Beträge gespendet, und letztlich erhielt er 13 Millionen Stimmen.

Der Senator aus Vermont versuchte ursprünglich, die Rolle des Störenfrieds zu spielen, die zuvor Kandidaten wie Jesse Jackson oder Dennis Kucinich und ähnliche in den Vorwahlen der Demokraten gespielt hatten. Diese agierten als „linkes“ Feigenblatt dieser unerschütterlich pro-kapitalistischen Partei, die dann erneut einen anderen rechten Kandidaten für die Position des „Oberbefehlshabers“ des US-Imperialismus wählte.

Nachdem er unerwartet in die Position einer wichtigen Figur in der kapitalistischen Politik katapultiert wurde, beugte sich Sanders den Diktaten der amerikanischen herrschenden Elite, akzeptierte seine Niederlage in der Wahl 2016 und unterstützte den Wahlkampf der Kandidatin und ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton, der Favoritin der Wall Street und der CIA.

Sanders ist kein Sozialist. Er will weder die Industrie in öffentliches Eigentum überführen, noch die Großkonzerne verstaatlichen. Er will die Vermögen der Milliardäre geringfügig höher besteuern, sie aber nicht enteignen, um soziale Bedürfnisse zu erfüllen. Er nennt als sein Vorbild die vollständig kapitalistischen Staaten Dänemark und Schweden und sogar Deutschland, wo heute Neonazis die größte Oppositionspartei im Bundestag bilden und der Regierungskoalition von Angela Merkel die Politik diktieren.

Im Wahlkampf 2020 wurde Sanders von den Mainstream-Medien zunächst monatelang ignoriert. Dann aber legte er in den Umfragen zu, veranstaltete die größten Kundgebungen und konnte deutlich mehr Geldspenden sammeln als irgendeiner seiner nicht-milliardenschweren Rivalen, größtenteils in Form von Kleinspenden von Arbeitern. Seine wichtigsten Spendergruppen sind Lehrer und die schlecht bezahlten Beschäftigten von Amazon, Starbucks, Wal-Mart, Target und dem US Postal Service.

Nach seiner starken Vorstellung in Iowa liegt er vor der Vorwahl in New Hampshire in den Umfragen an erster Stelle, und im demokratischen Partei-Establishment sowie dessen Verbündeten in den Medien bricht eine regelrechte Panik darüber aus, dass Sanders jetzt der Spitzenkandidat für die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei werden könnte. So erklärte der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo gegenüber dem Wall Street Journal, es sei noch zu früh, Sanders zum Spitzenkandidaten zu erklären. Das Etikett „Sozialist“ wäre zudem „eine bittere Pille für viele Wähler“.

Am Sonntag bekräftigte der ehemalige Vizepräsident Joe Biden in der ABC-Sendung „This Week“ seinen Angriff auf Sanders. Gegenüber dem Interviewer George Stephanopoulos erklärte er: „Also, George, Sie waren ja schon überall, genau wie alle anderen. Sagen Sie mir, wie man mit diesem Etikett gewinnen soll, wie man jemandem in Florida helfen soll, mit dem Etikett ,demokratischer Sozialist‘ zu gewinnen? Denn es wird sich überall ausbreiten. Das wird passieren. Wie wollen Sie in North Carolina gewinnen? Oder in Pennsylvania? Oder in diesen Staaten im mittleren Westen?“

Senatorin Elizabeth Warren (Massachusetts), die andere angeblich „progressive“ Kandidatin neben Sanders, erklärte am Sonntag: „Ich bin eine Kapitalistin. Ich glaube an die Märkte, aber die Märkte brauchen Regeln.“

In der NBC-Sendung „Meet the Press“, der CNN-Sendung „State of the Union“ und auf Fox News wurde Sanders um eine Antwort auf den Vorwurf gebeten, seine Selbstbezeichnung als Sozialist – die er immer seltener benutzt – würde ihm und der Demokratischen Partei im November eine Niederlage einbringen. In allen Fällen wich er einer direkten Antwort aus und kritisierte stattdessen Trump oder die wirtschaftliche Ungleichheit sowie das Versagen des profitorientierten US-Gesundheitssystems.

Als der NBC-Interviewer Chuck Todd auf zu erwartende Vorwürfe Trumps einging, Sanders sei in der Vergangenheit auf „ Schmusekurs“ mit „linken“ lateinamerikanischen Staatschefs wie Evo Morales (Bolivien) oder Nicolas Maduro (Venezuela) gegangen, antwortete Sanders mit einem ähnlichen Angriff auf Trump im Stil der Kommunistenjäger. Er verwies auf Trumps Versuche, den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den nordamerikanischen Staatschef Kim Jong-un zu umgarnen: „Wenn sie von Schmusekurs gegenüber Kommunisten in aller Welt sprechen wollen, dann bin nicht ich das, sondern Donald Trump.“

Auf Fox nahm Sanders die „linkste“ Pose von allen vier Interviews ein und erklärte dem Moderator Chris Wallace: „Wir führen einen Wahlkampf der Arbeiterklasse, für die Arbeiterklasse und durch die Arbeiterklasse.“ Er erklärte, Gesundheitsversorgung solle ein Grundrecht sein; er erklärte jedoch weiter, wie in anderen Interviews auch, dass sein Gesundheitsprogramm die Ausgaben um Billionen Dollar kürzen würde. Auf eine Frage nach Trumps Beschuldigungen erklärte er gegenüber Wallace, Trump „weiß, dass ich kein Kommunist bin“.

Sanders benutzte die Worte „Sozialist“ oder „sozialistisch“ bei der Beschreibung seiner eigenen politischen Überzeugungen kein einziges Mal, weder in den fast 40 Minuten der vier Fernsehinterviews, noch in der zweistündigen Debatte am Freitagabend.

Dass er offenbar versucht, seine rechten Kritiker in der Demokratischen Partei zu beschwichtigen, zeigte seine versöhnliche Reaktion, als er am Sonntag in der CNN-Sendung „State of the Union“ von Jake Tapper nach den Versuchen der Demokraten in Iowa gefragt wurde, seinen Sieg in der Vorwahl von Iowa zu verheimlichen. Dort erhielt Sanders 6.000 Stimmen mehr als der ehemalige Bürgermeister von South Bend (Indiana), Pete Buttigieg.

Tapper erwähnte die Kritik von Sanders' Anhängern, die Forderung des Nationalkomitee-Vorsitzenden der Demokraten (DNC), Tom Perez, nach einer Überprüfung der Ergebnisse in Iowa vom letzten Donnerstag scheine darauf abgestimmt zu sein, die Nachricht von Sanders' komfortablem Stimmenvorsprung bei der Vorwahl und seinem Beinahe-Gleichstand mit Buttigieg bei den „State Delegate Equivalents“ abzulenken. Weiter hieß es in dem Gespräch:

Tapper: Glauben Sie, die Demokratische Partei versucht offen, Ihrem Wahlkampf zu schaden?

Sanders: Hören Sie, über Iowa kann ich nur sagen, dass es eine Blamage war...

Tapper: Glauben Sie, die Demokratische Partei, ob nun in Iowa oder das Nationalkomitee, haben versucht, Ihnen zu schaden?

Sanders: Ich habe keine Ahnung. Und das – wir werden die Situation sorgfältig beobachten, aber das ist momentan nicht mein Eindruck.

Sanders hat das zwar am Sonntag behauptet, aber es besteht kaum ein Zweifel daran, dass nach seinem möglichen Sieg bei der Vorwahl in New Hampshire die Hysterie im demokratischen Partei-Establishment über seinen angeblichen „Sozialismus“ einen neuen Höhepunkt erreichen wird.

Wenn keiner der derzeitigen rechten Alternativen – Biden, Buttigieg und Klobuchar –offensichtliche Erfolgsaussichten hat, wird es vermutlich einen Kurswechsel auf den Milliardär Michael Bloomberg geben. Dieser beteiligt sich zwar auch am Wahlkampf, wird aber bis zu den Vorwahlen am „Super Tuesday“, dem 3. März, an dem 40 Prozent der Delegierten für den Parteitag der Demokraten (u.a. von großen Staaten wie Kalifornien, Texas, Massachusetts und Virginia) gewählt werden, auf keinem Wahlzettel erscheinen.

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