Sanders befürwortet Präventivschlag gegen Iran oder Nordkorea

In den Vorwahlen, in denen die Demokratische Partei ihren Präsidentschaftskandidaten bestimmt, konnte sich Bernie Sanders in den US-Bundestaaten New Hampshire und Iowa gegen seine Konkurrenten durchsetzen. Dazu beigetragen hat vermutlich, dass sich Sanders bei offiziellen Anlässen lautstark als Kriegsgegner darstellt. Besonders nach der Ermordung des iranischen Generals Qassim Soleimani im vergangenen Monat tönte er gegen das Vorgehen von Präsident Trump, ganz im Gegensatz zu den anderen Bewerbern um die Kandidatur. Seine Anti-Kriegs-Rhetorik bescherte Sanders zudem deutlich gestiegene Umfragewerte.

Sanders wird nicht müde, sein Votum gegen die Invasion des Iraks im Jahr 2003 zu betonen. Auch erinnert er die Wähler erneut an seine früheren vermeintlichen Heldentaten: „Ich habe nicht nur gegen diesen Krieg gestimmt, ich auch alles dafür getan, damit er nicht stattfindet.“

Bernie Sanders spricht vor Anhängern in Des Moines, 3. Februar 2020 [Credit: AP Photo/Pablo Martinez Monsivais]

Ein Blick in die New York Times, das Sprachrohr der amerikanischen herrschenden Klasse, offenbart jedoch ein ganz anderes Bild von Sanders, als es bei Wahlkampfauftritten oder Fernsehinterviews nach außen getragen wird.

Erst kürzlich veröffentlichte die Times eine Umfrage, in der Wahlkampfhelfer zu außenpolitischen Themen befragt wurden. Die Antworten aus dem Sanders-Lager verdeutlichen die wirkliche Haltung des selbsternannten „demokratischen Sozialisten“ zu Krieg und Imperialismus. Es geht ihm vor allem darum, das Militär, die Geheimdienste und auch die Finanzelite davon zu überzeugen, dass Sanders loyal die Interessen des US-Imperialismus vertreten wird. Auch Militäreinsätze würde er dafür offenbar nicht scheuen.

Die erschreckende Antwort auf die dritte Frage der Times lässt keinerlei Zweifel an den Absichten Sanders zu.

Frage: Würden Sie zu militärischen Mitteln greifen, um einem Atom- oder Raketentest des Irans oder Nordkoreas zuvorzukommen?

Antwort: Ja.

Sanders wäre als US-Präsident demnach bereit, einen präventiven Militärschlag gegen den Iran oder das nuklear bewaffnete Nordkorea zu führen, selbst wenn diese den Vereinigten Staaten nicht einmal drohen, sondern lediglich Waffentest durchführen würden. Diese skrupellose Haltung steht der Trump-Regierung in nichts nach.

Um Waffentests von Ländern zu unterbinden, die seit Jahrzehnten verheerenden Sanktionen sowie diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Provokationen durch die USA ausgesetzt sind, würde Sanders einen verheerenden Krieg riskieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sich daran weitere Großmächte beteiligen, und der Menschheit würde der nukleare Untergang drohen.

Die Antworten aus dem Sanders-Lager auf die Times-Umfrage verdeutlichen, dass der Kandidat die Bush-Doktrin von 2002 unterstützt, durch die die sogenannten „Präventivkriege“ zur offiziellen US-Politik erklärt wurden. Diese Doktrin ist ein aggressives außenpolitisches Instrument. Es verstößt nicht nur gegen die Grundsätze, die während der Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg festgelegt wurden. Auch die Charta der Vereinten Nationen und die Konventionen des Völkerrechts werden dadurch untergraben. Mit der Akzeptanz dieser Doktrin tritt Sanders in der Fußstapfen der Obama-Regierung und macht deutlich, dass seine Opposition gegen den Irak-Krieg rein taktischer Natur, und keine prinzipielle Haltung gegen imperialistische Kriege war.

Auch die Antwort auf eine weitere Frage entspricht voll und ganz der Kriegspolitik Barack Obamas, der als erster Präsident der Geschichte der USA zwei Amtszeiten lang ununterbrochen Krieg führte.

Frage: Würden Sie für eine humanitäre Intervention militärische Gewalt in Betracht ziehen?

Antwort: Ja.

Zu den verbrecherischen Kriegen, die die Vereinigten Staaten im Namen der „Menschenrechte“ geführt haben, zählen: der Krieg in Bosnien und die Bombardierung Serbiens in den 1990er Jahren, der Luftkrieg gegen Libyen 2011 (der mit dem Lynchmord an Muammar Gaddafi endete) sowie der Bürgerkrieg in Syrien, der von Washington angefacht und von seinen Stellvertreter-Milizen mit Verbindungen zu al-Qaida geführt wurde.

Die Vorwände, die US-Angriffe seien zum Wohle der Menschheit, waren nicht besser als die Lüge über „Massenvernichtungswaffen“, die als Begründung für die neokoloniale Invasion im Irak vorgeschoben wurde. Die USA zerstörten durch ihre Kriegsverbrechen ganze Gesellschaften, töteten und vertrieben Millionen Menschen. Der Nahe Osten wurde in ein Pulverfass verwandelt. Durch das Säbelrasseln und Intrigen der Großmächte droht die Region zum Ausgangspunkt eines neuen Weltkrieges zu werden.

Bernie Sanders ist Verfechter der Doktrin der „humanitären Kriegseinsätze“, die besonders mit der Demokratischen Partei in Verbindung gebracht werden.

In einer Antwort bezeichnet Sanders‘ Kampagnenteam die Ermordung des iranischen Generals Soleimani zwar als illegal, lehnt solche Attentate jedoch nicht grundsätzlich ab. Stattdessen wird der iranische General als Terrorist hingestellt.

In der Antwort heißt es:

Es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass Soleimani in terroristische Aktivitäten verwickelt war. Er unterstützte außerdem Angriffe auf US-Truppen im Irak. Die Frage, die hier eigentlich gestellt werden muss, lautet nicht: „War Soleimani ein Schurke?“. Vielmehr sollte gefragt werden, „ob ein Attentat auf ihn mehr Sicherheit für Amerikaner schafft“. Die Antwort darauf ist ein klares Nein.

Mit anderen Worten: Die illegale Tötung von Menschen durch die US-Regierung ist gerechtfertigt, wenn sie mehr „Sicherheit“ für US-Bürger schafft. Das ist die stillschweigende Billigung der unter Obama stark propagierten Politik der Drohnenmorde– einer Politik, der auch Amerikaner zum Opfer fielen.

Eine weitere Frage der Times lautet:

Würden Sie einem Rückzug amerikanischer Truppen von der koreanischen Halbinsel zustimmen?

Die Antwort:

Nein, nicht sofort. Wir würden eng mit unseren südkoreanischen Partnern zusammenarbeiten, damit auf der koreanischen Halbinsel Frieden einkehrt. Das ist die einzige Möglichkeit, um die nordkoreanische Nuklearfrage endgültig zu lösen.

Sanders befürwortet demnach den Verbleib Zehntausender US-Soldaten in der Region. Zudem verdeutlicht er, dass der die weltweite Entsendung amerikanischer Soldaten unterstützt, um die globalen Interessen der amerikanischen herrschenden Klasse durchzusetzen.

Seinem Kampagnenteam zufolge fordert Sanders die Weiterführung der gegenwärtigen militärischen und zivilen Hilfe für Israel. Die sofortige Verlegung der US-Botschaft von Jerusalem zurück nach Tel Aviv lehnt er ab.

Auf Fragen zu Russland hin wird deutlich, dass Sanders die hysterische Kampagne der Demokraten gegen Russland unterstützt. Außerdem stellt er sich hinter die reaktionäre Politik, aufgrund derer das Impeachment gegen Trump gescheitert ist.

Frage: Angenommen, Russland ändert seinen derzeitigen Kurs gegen die Ukraine und andere ehemalige Staaten der Sowjetunion nicht – sollten die Vereinigten Staaten Russland entsprechend als Gegner oder sogar als Feind betrachten?

Antwort: Ja.

Frage: Sollte Russland zunächst die Krim an die Ukraine zurückgeben, bevor das Land wieder an Treffen der G-7 teilnehmen darf?

Antwort: Ja.

Gegen Ende folgt die Frage, welche Position das Sanders-Lager zur Nationalen Sicherheitsstrategie einnehme, die Trump Anfang 2018 verkündete. In der Doktrin heißt es, dass der Schwerpunkt der amerikanischen Außenpolitik und Militärstrategie vom „Krieg gegen den Terror“ hin zur Vorbereitung eines Krieges gegen die Großmächte, insbesondere China und Russland, verlagert wird.

Die Nationale Sicherheitsstrategie als Rahmen für Großmachtkonflikte wird von Sanders nicht nur stillschweigend akzeptiert, sondern sogar von rechts angegriffen: Trump habe es bisher versäumt, die Konflikte mit Russland und China aggressiv zu verfolgen:

Frage: Die Nationale Sicherheitsstrategie von Präsident Trump fordert eine Schwerpunktverlagerung der amerikanischen Außenpolitik weg vom Nahen Osten und Afghanistan hin zu den sogenannten „revisionistischen“ Supermächten Russland und China. Sind Sie damit einverstanden? Warum bzw. warum nicht?

Antwort: Trotz des Dokuments hat die Trump-Regierung nie eine kohärente nationale Sicherheitsstrategie verfolgt. Durch Trump sind die Spannungen im Nahen Osten eskaliert und haben uns an den Rand eines Krieges mit dem Iran gebracht. Er hat sich stets geweigert, Russland für dessen Einmischung in unsere Wahlen und diverse Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Trump hat zudem hat nichts gegen das für unsungünstige Handelsabkommen mit China unternommen, das nur wohlhabenden Unternehmen zugutekommt, und hat Chinas Masseninternierung von Uiguren und die brutale Unterdrückung von Demonstranten in Hongkong ignoriert. Es wird deutlich, dass wir uns von Trump nichts abschauen sollten. [Hervorhebung hinzugefügt].

Gegenüber dem Magazin The Atlantic versicherte Ro Khanna, demokratischer Kongressabgeordneter und nationaler Co-Vorsitzender der Sanders-Kampagne, dass Sanders auch in Zukunft proaktiv Operationen zur „Freiheit der Meere“ im Persischen Golf und dem Südchinesischem Meer unterstützen werde. Eine mögliche Regierung unter Sanders werde zudem eine „gewisse Truppenpräsenz“ auf zahlreichen Stützpunkten „verbündeter“ Länder wie Deutschland oder Japan aufrechterhalten.

Millionen von Arbeitern, Studenten und jungen Menschen fühlen sich derzeit von Sanders angezogen, weil sie die enorme soziale Ungleichheit, die Brutalität und den Militarismus der amerikanischen Gesellschaft verachten. Sie wollen etwas dagegen unternehmen und führen diese Übel richtigerweise auf den Kapitalismus zurück. Es wird jedoch nicht lange dauern, bis sie die bittere Erfahrung machen, dass der vermeintliche Widerstand Sanders gegen die „Klasse der Milliardäre“ genauso verlogen ist wie seine angebliche Opposition gegen Krieg. Seine Außenpolitik ist durch und durch imperialistisch. Sie steht der aggressiven und militaristischen Politik der Demokratischen Partei und der Obama-Regierung in nichts nach.

Die vermeintlichen außenpolitischen Differenzen der Demokraten mit Trump sind ausschließlich taktischer Natur. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner treten für eine globale Hegemonie der USA ein, die mit Waffengewalt behauptet werden soll.

Sanders mag noch so viel über Ungleichheit schwadronieren – es ist schlicht nicht möglich, sich den Plünderungen der herrschenden Klasse im eigenen Land zu widersetzen und gleichzeitig die Plünderung und Unterdrückung anderer Länder zu unterstützen.

Bernie Sanders ist weder ein Apostel des Friedens noch ein Vertreter der Arbeiterklasse. Er ist sowohl innen- als auch außenpolitisch ein Werkzeug der herrschenden Klasse, um die wachsende Bewegung in der Arbeiterklasse und die Opposition gegen Krieg zu kanalisieren. Nur so kann die Demokratische Partei und das Zwei-Parteiensystem der kapitalistischen Klasse in den USA aufrechterhalten werden.

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