Coronavirus: Infektionswelle auf Hamburger Krebsstation

Am gestrigen Mittwoch, als die Politiker den schrittweisen Ausstieg aus dem „Lockdown“ beschlossen, kam aus Norddeutschland eine neue Schreckensmeldung: Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist von einer Infektionswelle mit Covid-19 betroffen. Insgesamt 40 Menschen, darunter Leukämie-Patienten, haben sich dort mit dem Coronavirus angesteckt.

Schon vor zehn Tagen, am Abend des 5. April, wurde „ein Mitarbeiter“ positiv getestet, wie die Klinikums-Leitung auf der Pressekonferenz am Mittwoch erklärte. Der Spiegel berichtete am Dienstag über eine an Covid-19 erkrankte Reinigungskraft als mögliche Quelle der Infektion. Schon am Morgen des 6. April waren sieben weitere Personen als Covid-19-Patienten identifiziert. Im Folgenden wurden in der Onkologie 20 Patientinnen und Patienten und weitere 20 Ärzte, Pflege- und Hilfskräfte positiv getestet.

Die Krebsstation ist ein extrem kritisches Umfeld. Besonders bei Leukämie- oder Lymphdrüsen-Patienten setzt die Chemotherapie den Immunstatus herab. Weil ihr geschwächtes Immunsystem außerstande ist, einen infektiösen Erreger abzuwehren, besteht für diese Menschen akute Gefahr, wenn sich das hochinfektiöse Coronavirus ausbreitet.

Dennoch betreiben namhafte Professoren des Uniklinikums bisher eine gezielte Politik der Verharmlosung und des Schönredens. Ein Direktor des UKE ist Prof. Ansgar Lohse, der in der Bild-Zeitung ausdrücklich die Strategie der sogenannten Herdenimmunität befürwortet hat. Auch noch drei Tage nach Ausbruch der Infektionswelle erklärte eine UKE-Ärztin am 8. April auf einer Pressekonferenz, die Corona-Lage in Hamburg sei „stabil, kontrolliert und ruhig“.

Dies wurde auch auf der gestrigen Pressekonferenz erneut bekräftigt. Zwar sei bisher nicht restlos geklärt, wie das Virus sich im Onkologie-Zentrum habe ausbreiten können. Über 300 weitere Kontaktpersonen seien bisher identifiziert worden. Auch erklärte Prof. Carsten Bokemeyer, Direktor einer betroffenen Abteilung: „Die Kombination Covid und Krebs wird noch viel häufiger vorkommen.“ Das klang wie eine Drohung. Die anwesenden Professoren und Klinikumsleiter bestanden darauf, dass die Lage nach wie vor als „stabil“ zu bezeichnen sei.

Auch die zuständige Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) verteidigte das UKE, es habe sich an alle gesetzlichen Auflagen und Meldewege gehalten. Die Grünen-Politikerin und zweite Bürgermeisterin von Hamburg amtiert auch als Vorsitzende des UKE-Kuratoriums. Sie hat sich am Dienstag ausdrücklich für einen Ausstieg aus dem „Lockdown“ ausgesprochen. Ihr zufolge müsse es „eine klare Perspektive für die Rückkehr in ein öffentliches Leben“ geben.

Dabei zeigt gerade die Coronawelle in dem Klinikum, für das Fegebank selbst eine Verantwortung trägt, was für eine große Gefahr die Pandemie für die Risikogruppen und für die ganze Bevölkerung darstellt.

Es ist kein Zufall, dass sich im UKE ebenso viele Patienten wie Angehörige des Krankenhaus-Personals infiziert haben. Generell hat sich bisher ein beunruhigend hoher Prozentsatz der Pflege- und Betreuungskräfte angesteckt, und Dutzende von Ärzten und Pflegepersonen, die Covid-19-Patienten pflegten, sind selbst daran gestorben.

Weltweit haben sich offiziell schon über zwei Millionen Menschen am Coronavirus infiziert, die Hälfte davon in Europa. Allein in Hamburg sind es 4000. Dabei bildet die Zahl der diagnostizierten Infektionen nur einen Bruchteil der tatsächlichen Fälle ab, da oft nur die schwer erkrankten Patienten getestet werden und viele leichtere Fälle unerkannt bleiben. Über 133.000 Menschen sind weltweit bisher an Covid-19 gestorben, das sind etwa so viele Tote wie beim Tsunami im Jahr 2004 in Süd- und Südostasien.

Die jüngste Infektionswelle an der UKE-Krebsstation ist dabei nur ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen die Pandemie auf die schwächeren Teile der Gesellschaft hat. Immer wieder werden ähnliche Fälle aus Krankenhäusern, Pflegeheimen und Geflüchteten-Unterkünften bekannt, in denen sich das hochansteckende Coronavirus rasant ausbreitet.

Aus Worms wurde vor wenigen Tagen der Fall eines Seniorenheims bekannt, in dem bisher 33 Fälle mit Covid-19 registriert worden sind. Drei Bewohner sind seither gestorben.

Besonders schrecklich ist die Ausbreitung des Virus in den Flüchtlingsunterkünften. Dort ist es von vorneherein unmöglich, die Abstands- und Hygienemaßnahmen einzuhalten, da sich viel zu viele Leute die Toiletten, Küchen und Schlafräume teilen müssen, die darüber hinaus nicht ausreichend sauber gehalten werden.

Am gestrigen Mittwoch wurde bekannt, dass sich das Coronavirus in der Landeserstaufnahme-Einrichtung Ellwangen bedrohlich ausgeweitet hat. Nachdem am 1. April ein Infizierter registriert worden war, wurde gestern festgestellt, dass 259 von 600 Bewohnern mit dem Virus infiziert sind; auch 19 Angestellte der Unterkunft wurden positiv getestet. Die Landesregierung lässt das Lager seither durch die Polizei komplett abriegeln.

Ähnliche Situationen gibt es im thüringischen Suhl oder in Halberstadt, Sachsen-Anhalt, wo die Bewohner bereits einen Hungerstreik für eine bessere Pandemie-Vorsorge durchführten. Überall herrscht eine ähnliche Situation vor. Wird ein Fall von Covid-19 bekannt, wird der Patient zwar normalerweise aus dem Lager abgeholt. Die Kontaktketten werden jedoch nicht sauber nachgewiesen. Die Gebote der WHO, „zu testen und zu isolieren“, werden dort, wo es um die Schwächsten der Gesellschaft, die Flüchtlinge, geht, noch weniger befolgt als in der übrigen Gesellschaft.

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