International wächst der Widerstand von Arbeitern, während Regierungen auf vorzeitige Rückkehr an die Arbeit drängen

In der Arbeiterklasse wächst der Widerstand gegen die Versuche der Trump-Regierung und der europäischen Regierungen, trotz der grassierenden Corona-Pandemie eine verfrühte Rückkehr an die Arbeit zu forcieren.

Die „Richtlinien“ des Weißen Hauses für die Rückkehr an die Arbeit basieren nicht auf einer objektiven wissenschaftlichen Auswertung der Folgen einer frühen Wiederaufnahme der Produktion. Sie ignorieren einfach, dass die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus nach wie vor steigt. Allein seit Anfang April stieg die Zahl der Toten in den USA um über 30.000. Auch die Regierungen von Italien und Spanien, die Länder mit der größten Zahl von Corona-Toten in Europa, drängen auf eine Rückkehr an die Arbeit.

Mit diesen verantwortungslosen Plänen geraten sie in Konflikt mit den Arbeitern, die entschlossen sind, ihre eigene Gesundheit und Sicherheit und die ihrer Angehörigen zu schützen. In den letzten Tagen kam es in Nordamerika und Europa zu Streiks und Protesten, da die Arbeitgeber nicht einmal für grundlegende Sicherheitsvorkehrungen sorgen.

Ein UPS-Fahrer karrt während der Corona-Pandemie in Brooklyn Pakete an zwei Fußgängern vorbei. Aufgenommen am 6. April in New York. [AP Photo/Mark Lennihan]

Im italienischen Torrazza Piemonte, außerhalb von Turin, legten die Beschäftigten eines Amazon-Lieferzentrums die Arbeit nieder, weil das Management Corona-Fälle vertuscht hatte. Die Einrichtung wurde 2018 eröffnet und beschäftigt 1.200 Arbeiter.

Das Management bestätigte vier Fälle von Coronavirus-Erkrankungen in dem Werk, nannte aber keine weiteren Details. Es ist bereits der zweite Streik in diesem Lieferzentrum. Die Gewerkschaften haben versucht, die Proteste italienischer Amazon-Arbeiter zu entschärfen, indem sie sich weigerten, die Arbeitskämpfe in den verschiedenen Lieferzentren aufeinander abzustimmen.

In den USA ruft eine Gruppe von Amazon-Beschäftigten mit dem Namen „Amazon Employees for Climate Justice“ für den 24. April zu einem „Online-Streik“ auf, um gegen das Vorgehen von Amazon zu protestieren – wie etwa die Entlassung von Lagerarbeitern, die öffentlich die Gesundheits- und Sicherheitspraktiken des Unternehmens kritisiert hatten. Die Gruppe rief die Arbeiter dazu auf, an diesem Tag frei zu nehmen. Amazon hatte zwei ihrer führenden Mitglieder entlassen.

Am Donnerstag erreichte der Aktienkurs von Amazon eine Rekordhöhe und verzeichnete einen Gesamtjahresanstieg um 26 Prozent, was den milliardenschweren Firmenchef Jeff Bezos noch reicher machte. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt jetzt bei astronomischen 1,22 Billionen Dollar.

Steven, der in New Jersey für Amazon arbeitet, erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „Trump kommt jetzt ins Schwitzen, weil seine Freunde, die Lobbyisten und Aktionäre, ihn dazu drängen, uns alle wieder ,in die Normalität‘ zurückzuschicken – egal, wie verfrüht es ist, und egal, welchen Risiken sie die Arbeiterklasse damit aussetzen. Es geht wieder mal nur um die Wall Street. Arbeiter müssen das merken und dürfen diesen Politikern nichts mehr glauben. Sie repräsentieren nicht die Arbeiterklasse, sondern die Eliten der Privatwirtschaft.

Sie haben genug Geld für die Fluggesellschaften, die jeden Tag die Leute ausnehmen, aber nicht genug für eine staatliche Krankenversicherung für alle. Dieses Virus entlarvt das alles! Es ist kriminell!“

Ein Arbeiter des Ford-Lastwagenwerks in Louisville (Kentucky) erklärte: „Die öffentliche Meinung ändert sich gerade. Ich hoffe, dass dieser Trend anhält. Die Menschen merken, dass das System nicht darauf ausgelegt ist, ihnen – ,den Steuerzahlern‘ – zu dienen. Den Arbeitern wird bewusst, was sie ihren Arbeitgebern, den großen Konzernen, wirklich wert sind.

Covid-19 hat die Aufmerksamkeit auf die Ungleichheit gerichtet, die in den USA alltäglich geworden ist. Die Menschen glauben, sie hätten keine Macht, weil wir gegeneinander ausgespielt wurden.“

Während die USA und Europa zwar anfangs am stärksten von der Corona-Pandemie getroffen wurden, steigen mittlerweile die Zahlen der Infizierten und Toten auch in Lateinamerika rasch an. Wegen der fehlenden Reaktionen auf die Ausbreitung von Covid-19 kam es südlich der amerikanisch-mexikanischen Grenze letzte Woche zu Streiks unter Arbeitern von US-Konzernen.

Auch in Mexiko steigt die Zahl der Toten deutlich an. So starben letzte Woche mehr als ein halbes Dutzend Arbeiter der nordmexikanischen Maquiladora-Fabriken.

Hunderte von Arbeitern einer Fabrik des Konzerns Honeywell in Ciudad Juárez (Mexiko) protestierten am Donnerstag für die Schließung des Werks gemäß der staatlichen Vorgaben, die jede nicht-lebenswichtige Produktion verbieten. Die Arbeiter, die in der vergangenen Woche einen Kollegen an das Virus verloren hatten, verlangten für die Dauer der Schließung volle Lohnfortzahlung.

Honeywell-Arbeiter Mario Cesar Gonzalez sagte gegenüber der New York Times: „Wir wollen, dass sie die Quarantäne respektieren.“ In der Fabrik würden Rauchmelder hergestellt, fuhr er fort. „Der Manager behauptet, wir wären systemrelevante Arbeiter, aber ich halte Rauchmelder nicht für systemrelevant.“

Die Gesundheitsbehörden von Ciudad Juárez haben 20 Todesfälle durch Covid-19 in der Stadt bestätigt, 12 davon in Maquiladora-Werken. Sie warnten vor der Gefahr eines potenziell „explosionsartigen Ausbruchs“. Medienberichten zufolge soll etwa die Hälfte der mehr als 300 Maquiladora-Fabriken in Ciudad Juárez noch immer in Betrieb sein. Bislang hat Mexiko keine finanzielle Unterstützung für entlassene Arbeiter angekündigt.

Ein Vertreter des mexikanischen Bundesstaats Chihuahua, in dem sich Ciudad Juárez befindet, sagte aus, dass elf Arbeiter der „Lear-Maquiladora“ gestorben seien, nachdem sie positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Die Firma Lear bestätigte lediglich, dass „mehrere“ Arbeiter in seinen mittlerweile geschlossenen Fabriken an Atemwegserkrankungen gestorben sind.

In Tijuana organisierten Arbeiter des Technologiekonzerns Poly eine Protestkundgebung, nachdem zwei ihrer Kollegen ums Leben gekommen waren.

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat nicht nur den Bankrott des Kapitalismus enthüllt, sondern auch den reaktionären und verkommenen Charakter der offiziellen Gewerkschaften. In den allermeisten Fällen haben sich die Kämpfe für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter unabhängig von und gegen den Widerstand der wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften entwickelt. In den wenigen Fällen, in denen sich Gewerkschaften daran beteiligten, haben sie die Kämpfe begrenzt und isoliert.

Laut einem Bericht der Website Payday.com kam es seit Beginn der Pandemie Anfang März in den USA zu mehr als 100 spontanen Streiks und Protesten. Davon betroffen waren zahlreiche Branchen, darunter die Pflege, die Nahrungsmittelverarbeitung, die Autoindustrie, die Logistik- und die Lebensmittelbranche.

Letzte Woche gab es weitere Arbeitskämpfe. In Norfolk (Virginia) legten am Dienstag und Mittwoch etwa 40 Arbeiter von General Dynamics in einer von BAE Systems betriebenen Schiffswerft aus Protest gegen Hygiene- und Sicherheitsmängel die Arbeit nieder. Am 9. April war in der Werft der 44-jährige Arbeiter Robert Fentress gestorben, nachdem er zwei Tage zuvor positiv auf das Coronavirus getestet worden war.

Der Anführer der Aktion, ein Elektriker, erklärte, er habe vom Management keine positive Reaktion auf seine Vorschläge erhalten, die Gesundheit der Arbeiter zu schützen: „[Sie sagen:] Ja, wir sind besorgt um euch, aber – ihr wisst schon – nicht so sehr, dass wir tatsächlich irgendetwas tun würden.“

In Waterloo (Iowa) haben sich diese Woche Hunderte von Arbeitern des Fleischverarbeitungswerks Tyson Fresh Meat krankgemeldet, um gegen die dortigen Bedingungen zu protestieren. Sie erklären, das Management habe Covid-19-Fälle verheimlicht und nicht für die Sicherheit der Arbeiter gesorgt. Sie behaupten, das Management erlaube nachweislich infizierten Beschäftigten, zur Arbeit zu erscheinen, um die Produktion um jeden Preis aufrechtzuerhalten.

Am Montag weigerten sich Dutzende Arbeiter des One-World-Beef-Werks in Brawley (Kalifornien) wegen der Ausbreitung von Covid-19, den Betrieb zu betreten. Mindestens ein Beschäftigter wurde positiv auf das Coronavirus getestet.

Die Arbeiter von Whole Foods planen für den 1. Mai eine landesweite Krankmeldung, um gegen die Bedingungen zu protestieren. Bei der Supermarktkette, die sich im Besitz von Amazon befindet, steigt die Zahl der Corona-Fälle und der Toten im ganzen Land weiter an. Die Beschäftigten gelten zwar als „systemrelevant“, doch laut den Arbeitern hat das Unternehmen wenig unternommen, um auf die Sicherheitsbedenken einzugehen, und macht es Arbeitern schwer, sich krankschreiben zu lassen. Die Umsätze von Whole Foods haben während der Pandemie Rekordwerte erreicht.

Im Providence St. Johns Medical Center in Santa Monica (Kalifornien) wurden letzte Woche zehn Pflegekräfte suspendiert, weil sie gegen die Unfähigkeit des Managements protestiert hatten, ihnen die Standardmasken vom Typ N95 zu liefern. Auch eine Gruppe von staatlich anerkannten Pflegekräften des Mercy Medical Center in Merced (Kalifornien) protestierten am Mittwoch gegen den Mangel an angemessener Schutzausrüstung.

Am Donnerstag legten „systemrelevante“ Arbeiter in fünf Luxusgebäuden in New Jersey für 24 Stunden die Arbeit nieder, um gegen fehlende Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen und niedrige Bezahlung zu protestieren. Am selben Tag legten die Portiers von zwei Luxusapartments in Manhattan die Arbeit nieder, weil sie keinen Anspruch auf krankheitsbedingten Ausfall und keine Schutzausrüstung haben.

Die Vereinigung dieser Kämpfe und aller Formen des Widerstands der Arbeiterklasse gegen das kapitalistische System ist eine wichtige Aufgabe. Doch die rechten, wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften werden sie nicht übernehmen. Eine neue Führung auf der Grundlage eines sozialistischen Programms und einer entsprechenden Perspektive ist von entscheidender Bedeutung, um die nächsten Schritte vorzubereiten.

Die Socialist Equality Party und die Sozialistische Gleichheitspartei rufen zur Bildung von Aktionskomitees in allen Betrieben und Fabriken auf, die demokratisch von den Arbeitern kontrolliert werden, um das Leben und die Lebensgrundlagen der Arbeiter zu verteidigen. Diese Komitees sollten die Einstellung der gesamten nicht-lebensnotwendigen Produktion sowie den vollständigen Schutz der Arbeiter auf der Grundlage der internationalen Gesundheitsstandards in systemrelevanten Bereichen wie der Medizin und der Nahrungsmittelproduktion fordern.

Alle Arbeiter müssen ihren Lohn in voller Höhe weiter erhalten. Außerdem muss ihnen der Erhalt der Arbeitsplätze garantiert werden. Um das Gesundheitswesen gut auszustatten, umfassende Tests durchzuführen und die Kontakte aller Infizierten nachverfolgen zu können, müssen massive Investitionen vorgenommen werden. Eine Rückkehr an die Arbeit darf nicht erfolgen, bevor die Bedingungen sicher genug sind.

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