„Back to work“ und Öffnung in den USA

US-Regierung trifft Vorbereitungen für Hunderttausende von Covid-19-Toten

Ausgerechnet der 1. Mai markierte eine neue Etappe des Verbrechens, das die amerikanische Regierung an der eigenen Bevölkerung verübt. Präsident Trump erließ Richtlinien zur Aufhebung der Empfehlung, während der Coronavirus-Pandemie zu Hause zu bleiben. Daraufhin haben Dutzende von Bundesstaaten die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben. Geschäfte, Restaurants und sogar Kinos können wieder öffnen. Arbeiter müssen unter Androhung des Entzugs der Arbeitslosenunterstützung an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

Die Lockerung wird mit der Behauptung gerechtfertigt, dass die Covid-19-Pandemie abklingen würde. Die Menschen könnten nun wieder wie früher arbeiten, einkaufen, auswärts essen, reisen und in die Kirche gehen, ohne unnötige Risiken einzugehen.

In Wirklichkeit geht die Trump-Regierung von einer ganz anderen Entwicklung aus. Anfragen von Medienvertretern haben ergeben, dass die Regierung eine enorme Zunahme der Todesopfer erwartet und entsprechende Vorbereitungen trifft.

14. April 2020: Im spanischen Manresa liegt eine Leiche aufgebahrt neben einem Fahrrad, bevor sie für die Einäscherung vorbereitet wird (AP Photo/Felipe Dana)

Wie NBC News berichtet, hat die US-Bundesagentur für Katastrophenschutz (FEMA) im vergangenen Monat „weit über 100.000 neue Leichensäcke für die Opfer von Covid-19 bestellt“. Das Ministerium für Heimatschutz, dem die FEMA angegliedert ist, gab bei einem kalifornischen Unternehmen eine entsprechende Bestellung im Wert von 5,1 Millionen Dollar in Auftrag.

Weiter heißt es in dem Bericht: „Etwa zur gleichen Zeit, als die FEMA die Leichensäcke bestellte, eröffnete sie eine Ausschreibung für die Miete von etwa 200 Kühlanhängern für Standorte im ganzen Land.“ In der Leistungsbeschreibung wird eine Präferenz für Anhänger von 16 Metern Länge an angegeben, die mit einem Volumen von 102 Kubikmetern die größten ihrer Klasse sind.

Die FEMA ist nicht die einzige Behörde, die sich darauf einstellt, dass die bevorstehende Anzahl an Toten diejenige der vergangenen zwei Monate bei Weitem übertreffen wird. Laut mehreren gut belegten Berichten zahlte das Kriegsveteranenministerium (VA) einem Lieferanten fast 300.000 Dollar für Ende April zu liefernde Leichensäcke. Es war die letzte von acht Lieferungen desselben Unternehmens mit einem Gesamtwert von 12,1 Millionen Dollar. Wenn das VA einen ähnlichen Preis zahlt wie die FEMA, dann könnte es mit 12,1 Millionen Dollar fast 240.000 Leichensäcke kaufen. Bei neun Millionen Patienten, die jährlich vom VA betreut werden, bedeutet dies eine Sterblichkeitsrate von etwa 2,7 Prozent.

Selbst diese erschütternden Zahlen könnten sich als grobe Unterschätzung erweisen. Das Center for Disease Research and Policy in Minnesota prognostizierte am 30. April, dass sich Covid-19 wahrscheinlich im Laufe des nächsten Jahres in einer Serie von Ausbrüchen ausbreiten wird, bis 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infiziert sind. Dies würde die Zahl der Todesopfer in die Millionen treiben.

NBC News berichtete außerdem, ein „leitender Beamter des Weißen Hauses“ habe per E-Mail bestätigt, dass die Trump-Regierung „die Gefahren berücksichtigt, die mit der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen verbunden sind“. Die Wahrscheinlichkeit einer stark erhöhten Zahl von Todesopfern wurde auf einer hochkarätigen Sitzung am 25. April erörtert. Teilnehmer waren der FEMA-Direktor Pete Gaynor; Brett Giroir, ein Admiral im Ruhestand, der eine führende Position im Gesundheitsministerium innehat; Konteradmiral John Polowczyk, Vizedirektor für Logistik bei den Vereinigten Stabschefs, der in der Coronavirus-Task Force für die Beschaffung und Verteilung von Hilfsgütern zuständig ist, sowie Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus.

Das Vorherrschen von Militär- und Sicherheitsbeamten ist an sich schon ein Anzeichen dafür, dass die Bundesregierung die Coronavirus-Pandemie nicht in erster Linie als eine Gesundheitskrise, sondern als eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung ansieht. Polizei und Militär sollen die öffentliche Opposition niederschlagen, wenn die tödlichen Folgen der „Back-to-work“-Kampagne sichtbar werden.

Von den 50 US-Bundesstaaten heben voraussichtlich 23 zum 4. Mai die meisten Beschränkungen auf. In diesen Bundesstaaten leben etwa 115 Millionen Menschen, Weitere acht Bundesstaaten mit einer Gesamtbevölkerung von 53 Millionen wollen bis Mitte Mai nachziehen.

Damit bleiben in 19 Bundesstaaten mit 161 Millionen Menschen gewisse Beschränkungen bestehen, die aber zahlreiche Schlupflöcher bieten. So hat Boeing 27.000 Arbeiter an ihre Arbeitsplätze in der Nähe von Seattle zurückbeordert, obwohl im Bundesstaat Washington nach wie vor Ausgangsbeschränkungen gelten. Im Bundesstaat Michigan wird die Wiedereröffnung von Autofabriken geplant.

Der Schutz durch die Beschränkungen lässt ständig nach, weil die Gouverneure (Demokraten wie Republikaner) den Forderungen der Großunternehmen nach der Wiedereröffnung von Fabriken und Betrieben nachgeben. Unterstützt werden diese Forderungen durch Demonstrationen bewaffneter Faschisten, wie am 30. April im Kapitol in Lansing, dem Sitz von Regierung und Parlament des Bundesstaats Michigan. Die Aufhebung der Beschränkungen in 31 Bundesstaaten wird dazu führen, dass das Virus in ländliche Gebiete vordringt, die bisher nur leicht betroffen waren. Außerdem werden neue Infektionsquellen in den Teilen des Landes geschaffen, in denen die schlimmsten Auswirkungen der Pandemie schon als überwunden galten.

Der Klassencharakter dieser „Öffnung der Wirtschaft“ lässt sich an Äußerungen führender Regierungsvertreter klar ablesen. Das gilt sowohl für die US-Bundesregierung als auch für die Regierungen der Bundesstaaten.

Nachdem das US-Arbeitsministerium am 30. April einen weiteren enormen Anstieg der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung gemeldet hatte (um 3,84 Millionen, womit die Gesamtzahl der Anträge innerhalb von sechs Wochen auf über 30 Millionen gestiegen ist), sprach es sogleich eine Warnung aus: Wer sich weigere, an seinen Arbeitsplatz in einem wiedereröffneten Betrieb zurückzukehren, dem werde die Unterstützung gestrichen.

„Von außergewöhnlichen Umständen abgesehen“, so das Ministerium, „dürfte die Aufforderung an einen vorübergehend freigestellten Mitarbeiter, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, ein Angebot einer geeigneten Beschäftigung darstellen, das der Mitarbeiter annehmen muss.“

Noch unverblümter drohten die Regierungen der Bundesstaaten. Die Texas Workforce Commission ließ verlauten, dass ein Arbeitnehmer, um Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zu haben, „bereit und in der Lage sein muss, alle Tage und Stunden zu arbeiten, die für die angestrebte Beschäftigung erforderlich sind“.

Am 30. April, dem Tag vor Inkrafttreten der Anordnung zur „Wiedereröffnung“, erlebte Texas mit 50 Todesfällen und 1.000 Neuinfektionen seinen bislang schlimmsten Tag der Pandemie. Dennoch setzte Gouverneur Abbott umfassendere Ausgangsbeschränkungen außer Kraft, die von lokalen Behörden verhängt worden waren. Dies betrifft Houston, San Antonio, Austin und Dallas, wo derzeit die meisten Coronavirus-Fälle in Texas auftreten.

Im Bundesstaat Missouri erklärte Gouverneur Mike Parsons: „Wenn wir den Bundesstaat öffnen, wenn Sie wieder arbeiten müssen, wenn Ihr Chef anruft und sagt, dass Sie wieder arbeiten müssen, dann müssen Sie das tun.“

Der Gouverneur von Iowa, Kim Reynolds, sagte: „Wenn Sie als Arbeitgeber anbieten, einen Mitarbeiter wieder an die Arbeit zu holen, und er sich dagegen entscheidet, dann ist das eine freiwillige Kündigung... Daher hätte er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.“ In Sioux City, Iowa, wo es bis zum 23. April nur 158 Coronavirus-Infektionen gegeben hatte, versechsfachte sich die Gesamtzahl innerhalb einer Woche auf 851, was hauptsächlich auf Infektionen von Arbeitern in den dortigen Fleischverpackungsbetrieben zurückzuführen war.

Die Fleischverpackungsindustrie zeigt auf erschreckende Weise, was bevorsteht, wenn Millionen Arbeiter unter Androhung des Verlusts der Arbeitslosenunterstützung gezwungen werden, in die Betriebe zurückzukehren.

In einem Schlachthof von Tyson Foods in Wallula, Washington, dem größten in diesem Bundesstaat, wurden 15 Prozent der Arbeiter positiv auf das Coronavirus getestet, nachdem einer von ihnen gestorben war. In einem anderen Tyson-Werk in Logansport, Indiana, hat das Virus 890 von 2.200 Arbeitern infiziert.

Doch am Montag ordnete Trump an, dass geschlossene Fleischverpackungsbetriebe wieder geöffnet werden. Gleichzeitig kündigte er an, dass die Arbeitgeber „Haftungsschutz“ erhalten sollen. Beschäftigte, die sich am Arbeitsplatz infizieren, könnten demnach keine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Ein Kolumnist bemerkte sarkastisch: „Wenn Sie in einem Fleischverpackungsbetrieb arbeiten, gelten Sie auf Anordnung von Präsident Trump offiziell als weniger wichtig als das Steak, das Sie zerlegen.“

Mit der Back-to-Work-Kampagne will die kapitalistische herrschende Elite die Last der Coronavirus-Pandemie sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf Leid und Tod der Arbeiterklasse aufbürden. Ihr Ziel ist, dass der Tod Bestandteil der „Normalität“ wird. Die Bevölkerung soll akzeptieren, dass Infektion und Massensterben zum Leben gehören – zumindest für arbeitende Menschen. Daher die anhaltenden Bemühungen, die Zahl der Todesopfer herunterzuspielen oder zu vertuschen, eine künstliche Protestbewegung gegen die Ausgangsbeschränkungen aufzubauen und eine gesetzliche Grundlage für die Verweigerung von Arbeitslosengeld und anderen Leistungen zu schaffen.

Die Demokraten und Republikaner haben nur taktische Differenzen über die anzuwendenden Methoden. Über das grundlegende Ziel sind sie sich einig. Beide sind entschlossen, das kapitalistische System zu verteidigen. Die Arbeiterklasse kann ihre sozialen Rechte, einschließlich des Rechts auf Leben, nur verteidigen, indem sie der gesamten politischen Struktur des Kapitalismus den Rücken kehrt und eine politische Massenbewegung für den Sozialismus aufbaut.

Loading