Streiks und Proteste gegen Rückkehr an die Arbeit nehmen weltweit zu

Während Regierungen weltweit versuchen, eine vorschnelle Rückkehr an die Arbeit zu erzwingen, wehren sich die Arbeiter weiterhin mit Streiks und Protesten dagegen, dass sie für die Profite der Konzerne ihr Leben aufs Spiel setzen sollen.

Die Zahl der Covid-19-Infizierten liegt mittlerweile bei über vier Millionen weltweit, die Zahl der Toten bei über 280.000. In mehreren Ländern steigt die Zahl der Neuansteckungen rapide an, u.a. in Brasilien, Indien, Großbritannien und Russland. In den europäischen Staaten wie Spanien und Italien, die ohnehin schon stark von der Pandemie betroffen sind, ist die Zahl der Neuinfektionen weiterhin hoch. Großbritannien hat mittlerweile die zweithöchste Gesamtzahl an Covid-19-Todesfällen (fast 32.000), gleich nach den USA (über 80.000).

Die Inkompetenz und kaltschnäuzige Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben, die die kapitalistischen Machthaber in einem Land nach dem anderen an den Tag legen, führt zu einer Verschärfung des Klassenkampfs. Diesen Kampf mussten die Arbeiter größtenteils ohne die korrupten und wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften führen und die Angelegenheit in die eigenen Hände nehmen. Die Gewerkschaften arbeiten überall Hand in Hand mit den Regierungen und Arbeitgebern zusammen, um den Widerstand gegen eine verfrühte Rückkehr an die Arbeit zu stoppen.

Protestierende Pflegekräfte vor dem Pflegeheim „The Villa at Windsor Park“ im Süden Chicagos am 6. Mai 2020 (AP Photo/Charles Rex Arbogast)

Besonders die am stärksten unterdrückten und ausgebeuteten Schichten der Arbeiter, wie Immigranten oder Beschäftigte des Dienstleistungsgewerbes, setzen sich zur Wehr. Viele dieser Kämpfe sind zwar klein, aber dennoch symptomatisch für die allgemeine Entschlossenheit, nicht zuzulassen, dass Menschenleben für Konzernprofite geopfert werden.

Laut der Website paydayreport.com gab es seit dem 1. März in den USA 173 Streiks als Reaktion auf die Corona-Pandemie. Angesichts der Bestrebungen, die Betriebe wieder zu öffnen, wird sich diese Zahl vermutlich erhöhen.

Am Mittwoch vergangener Woche gab die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer (Demokraten), grünes Licht für die Wiedereröffnung der Autowerke im gesamten Bundesstaat am 11. Mai. Michigan ist nicht nur ein Zentrum der Autoindustrie, sondern auch eines der Zentren der Corona-Pandemie in den USA; vor allem Detroit ist stark betroffen. Die Autoproduktion in einem Großteil von Nordamerika wurde erst nach einer Welle von spontanen Streiks im März stillgelegt. In den USA, Kanada und Mexiko herrscht unter den Arbeitern weiterhin starker Widerstand gegen eine verfrühte Rückkehr an die Arbeit.

In Mexiko hat eine Welle von Streiks die Produktion in vielen der „Maquiladora“-Werke entlang der Grenze zu den USA zum Erliegen gebracht. Die Regierung drängt jedoch auf Druck der Autobauer auf eine Wiederaufnahme der Produktion. General Motors erklärte, es habe sich noch nicht für ein festes Datum für die Wiedereröffnung des Werks in Silao entschieden; einige Arbeiter sollen jedoch die Benachrichtigung erhalten haben, sie sollten am 18. Mai wieder zur Arbeit erscheinen.

In Spanien ist die Autoproduktion auf Anweisung der PSOE-Regierung gegen die Empfehlungen von Gesundheitsexperten bereits wieder angelaufen. Am Montag streikten die Arbeiter des Nissan-Presswerks in Montcada, sodass das große Nissan-Werk in Barcelona kurz nach seiner Wiedereröffnung schließen musste. Nissan beschäftigt in Spanien etwa 4.000 Arbeiter. Viele fürchten um ihren Arbeitsplatz.

Während der letzten Woche kam es in mehreren Branchen und Berufsgruppen in den USA zu Streiks. Am Donnerstag protestierten Lastwagenfahrer in den Häfen von Los Angeles und Long Beach (Kalifornien) vor der Hafenverwaltung von Los Angeles für besseren Schutz vor Covid-19.

Mehr als 30 Lastwagen stellten sich um das Gebäude auf, an einigen waren Schilder mit Aufschriften wie „Hafen von Los Angeles, setze deine Gesetze durch“ oder „Wir sind systemrelevante Arbeiter und verdienen Schutzausrüstung“.

In Palo Alto (Kalifornien) protestierten Pflegekräfte des Stanford Hospital gegen die aktuelle Entscheidung des Managements, ihre Löhne um 20 Prozent zu kürzen. Diese Kürzung trat am 27. April in Kraft, doch die Service Employees International Union (SEIU) verzögerte den Arbeitskampf bis letzte Woche.

Auch in den Fleischverarbeitungsbetrieben in den USA, in denen es eine Welle von Infektionen gab, halten die Proteste an. Die US-Seuchenschutzbehörde veröffentlichte am 1. Mai einen Bericht, laut dem es in diesen Betrieben bis zum 20. April 4.913 Fälle und 20 Todesopfer gab. Zweifellos ist diese Zahl seither deutlich angestiegen. Am Freitag wurde gemeldet, dass im Tyson-Foods-Werk in Waterloo (Iowa) 1.031 Arbeiter positiv auf das Virus getestet wurden. Die republikanische Gouverneurin Kim Reynolds hatte einen Tag zuvor nur eine halb so große Zahl gemeldet.

In Kanada verhinderte die Gewerkschaft United Food and Commercial Workers letzte Woche einen Arbeitskampf gegen die Rückkehr zur Arbeit in dem riesigen Fleischverarbeitungsbetrieb in Cargill (Alberta). Dieser war vorübergehend geschlossen worden, nachdem sich über 900 Arbeiter mit dem Coronavirus infiziert hatten. 85 Prozent der Arbeiter erklärten, sie hätten Angst davor, wieder an die Arbeit zurückzukehren.

Präsident Donald Trump verfügte am 28. April per Dekret, dass die Fleischverarbeitungsbetriebe in den USA trotz Covid-19-Infektionen als „relevante Infrastruktur“ geöffnet bleiben müssen.

Am Mittwoch legten im Geflügelverarbeitungsbetrieb des Unternehmens Raeford in West Columbia (South Carolina) 20 Arbeiter die Arbeit nieder, um gegen die Arbeitsbedingungen zu protestieren. Die Arbeiter erklärten, es gebe zu wenig soziale Distanzierung. Sie Bedingungen seien schlecht, und sie forderten eine Gefahrenzulage.

Ein Arbeiter erklärte in der Lokalpresse: „Man sollte uns schätzen, da wir systemrelevante Arbeiter sind... Wenn wir so wichtig sind, müssen wir uns wichtig und geschätzt fühlen.“

Am Freitag beteiligten sich Dutzende Arbeiter an einer Protestveranstaltung mit Wohnwagen vor dem Geflügelverarbeitungswerk von Bell & Evans in Lebanon County (Pennsylvania). Dort arbeiten 1.800 Beschäftigte, die meisten von ihnen sind Immigranten. Zwei von ihnen sind an Covid-19 gestorben. Die Arbeiter fordern die Schließung und Grundreinigung des Werks, bevor der Betrieb wiederaufgenommen wird.

In Monmouth (Illinois) protestierten die Arbeiter von Smithfield Foods am 2. Mai mit Gesichtsmasken und selbst gemalten Papierschildern gegen die geplante Wiedereröffnung des Schweinefleisch-Verarbeitungsbetriebs, der wegen Covid-19-Fällen vorübergehend geschlossen wurde.

Die Demonstranten hielten Plakate hoch, auf denen stand: „Wir wollen Tests, bevor wir wieder arbeiten gehen“, und skandierten ihre Forderungen.

Am 1. Mai demonstrierten die Kinder der Smithfield-Food-Arbeiter in Crete (Nebraska) bereits das zweite Wochenende in Folge mutig für die Schließung des dortigen Werks, nachdem sich 50 Arbeiter mit Covid-19 infiziert hatten.

Auf ihren Schildern war u.a. zu lesen: „Unsere Eltern sind systemrelevant und nicht entbehrlich.“ Ein junger Demonstrant erklärte in einer lokalen Nachrichtensendung: „Wann werden wir aufhören? Wenn 300 Arbeiter krank sind?“ Ein anderer fügte hinzu: „Wir würden lieber wochen- oder sogar monatelang kein Fleisch essen, damit alle geschützt sind.“

Am Donnerstag protestierten außerdem Beschäftigte der Restaurantkette Chipotle in Manhattan vor der Filiale am Empire State Building für „Respekt für systemrelevante Arbeiter“ und die Abschaffung von Billiglöhnen. Auch die Beschäftigten von Caribou Coffee demonstrierten für bessere Löhne und sichere Arbeitsbedingungen. Beim Schnapshersteller Hood River Distillers in Oregon legten die Arbeiter am Mittwoch die Arbeit nieder, nachdem das Management einen minderwertigen Plan zur medizinischen Versorgung vorgelegt hatte. Als Reaktion auf die Pandemie hatte das Unternehmen die Produktion von Handdesinfektionsmittel aufgenommen.

Am Samstag protestierten 70 Eigentümer und Betreiber von Lastwagen in Washington DC vor dem Weißen Haus gegen Tarifsenkungen für Lastwagenfahrer, die sich aus der Corona-Pandemie ergeben.

Auch die Arbeiter des Landwirtschaftsbetriebs Allan Brothers Fruit in Naches (Washington) sind in den Streik getreten, um vom Management bessere Arbeitsbedingungen und Gefahrenzulagen zu fordern. Sie erklären, soziale Distanzierungsmaßnahmen seien unmöglich. Das Angebot des Unternehmens, fünf Wochen unbezahlten Urlaub zu nehmen, haben die Beschäftigten zurückgewiesen. In Providence (Rhode Island) haben die Arbeiter des Groden Center, einer Betreuungseinrichtung für autistische Kinder, für Gefahrenzulagen protestiert.

In Kenia drohen Pflegekräfte, Klinikpersonal, medizinische Labortechniker, pharmazeutische Techniker, Ernährungswissenschaftler und andere Beschäftigte des Gesundheitswesens mit einem Streik wegen fehlender Schutzausrüstung. Mehrere Gewerkschaften der Kenya Health Professionals Society veröffentlichten am 4. Mai einen Streikaufruf für 14 Tage. Momentan liegen 12 infizierte Arbeiter des Gesundheitswesens mit schweren Symptomen in Krankenhäusern.

In Neu-Delhi legten Pflegekräfte des Krankenhauses Baba Saheb Ambedkar am 4. Mai die Arbeit nieder, um gegen die unsicheren Bedingungen in der Einrichtung zu demonstrieren. Zahlreiche Ärzte, Pflegekräfte und andere Beschäftigte haben sich bereits mit Covid-19 angesteckt.

In Kerman in Süd-Zentral-Iran streikten am Montag etwa 3.500 Kohlebergarbeiter für eine Lohnerhöhung und bessere Renten. In Ahwas im Südwesten des Landes protestierten am gleichen Tag städtische Beschäftigte vor dem Gebäude der Provinzregierung für die Auszahlung von seit Februar ausstehenden Löhnen und gegen die nicht erfolgte Bezahlung ihrer Neujahrszulage.

In Großbritannien fand letzte Woche eine Drive-By-Auto-Demonstration zur Unterstützung von Beschäftigten des Abfallentsorgungsunternehmens Norse Medway statt, denen die Entlassung angedroht wird, weil sie Schutzausrüstung gefordert hatten. Norse Medway, das im südenglischen Medway für die Abfallbeseitigung zuständig ist, hatte zunächst die Bereitstellung von Schutzausrüstung versprochen, diese Zusage jedoch später zurückgenommen.

In Kuwait organisierten ägyptische Gastarbeiter am Montag eine Protestveranstaltung, um auf ihre katastrophale Lage hinzuweisen. Tausende von ägyptischen Gastarbeitern, deren Arbeitserlaubnis abgelaufen ist, sitzen in Kuwait fest und können das Land nicht verlassen, weil die Flüge nach Ägypten wegen der Corona-Pandemie eingestellt wurden.

Der zunehmende Widerstand gegen die rücksichtslose Wiederaufnahme der Produktion ist Ausdruck eines grundlegenden Zusammenstoßes von Klasseninteressen. Auf der einen Seite versuchen Arbeiter, ihr Leben und das ihrer Familien und Kollegen zu verteidigen. Die unersättlichen Märkte hingegen fordern immer mehr Profit. Der Widerstand der Arbeiter muss einen bewussten und organisierten Ausdruck finden. Zu diesem Zweck müssen Aktionskomitees in Betrieben und Arbeitsstätten errichtet werden, die unabhängig von den wirtschaftsfreundlichen Gewerkschaften agieren. Dieser Kampf muss von einem sozialistischen Programm geleitet werden, das die Umwandlung der riesigen transnationalen Konzerne und Banken in öffentliches Eigentum unter der Kontrolle der Arbeiterklasse vorsieht.

Loading