Perspektive

Trump brandmarkt innenpolitische Opposition als Terrorismus

Seit dem Polizeimord an dem 46-jährigen Afroamerikaner Georg Floyd am 25. Mai reißen die Proteste in den USA nicht mehr ab. Gleichzeitig steuert die Regierung von Präsident Trump auf ein militärisches Vorgehen gegen die Demonstranten zu. Am Donnerstagnachmittag bezichtigten Generalstaatsanwalt William Barr und der Direktor des FBI, Christopher Wray, auf einer Pressekonferenz linke und angeblich gewaltbereite Gruppen, die Proteste „gekapert“ zu haben. Ihre Äußerungen dienen allein dem Zweck, einen Vorwand für Repressionen zu schaffen.

Barr befürwortete den Einsatz von Anti-Terror-Einheiten zur Festnahme von „Unruhestiftern“, die er beschuldigte, Demonstranten „gekidnappt“ zu haben. Er brandmarkte die Demonstranten als Terroristen, um jede Opposition gegen Polizeigewalt und die Politik der herrschenden Klasse zu kriminalisieren.

Die Dreistigkeit, mit der Barr log, wäre Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels würdig gewesen. Der Generalstaatsanwalt beschwor die Wahnvorstellung, dass die Demonstrationen, an denen sich Millionen beteiligen, von der „Antifa“ – einer „Organisation“, die kein einziges offizielles Mitglied hat – manipuliert würden. Zudem behauptete er, „ausländische Akteure“ würden sich in die Proteste einmischen, und nannte mit Russland, China, dem Iran und al-Qaida die altbekannten Feindbilder.

Soldaten der Nationalgarde in der Nähe des Weißen Haus am Donnerstag, 4. Juni 2020. Währenddessen versammeln sich Demonstranten, um gegen den gewaltsamen Tod von George Floyd zu protestieren (Foto: AP/Alex Brandon)

Der Begriff „Antifa“ ist ein bloßes Etikett für Jugendliche, die sich gegen Ultrarechte und die Provokationen weißer Rassisten wehren. Eine organisierte Gruppe existiert nur in der Wahnvorstellung des FBI, dessen Informanten und Agenten vermutlich den Großteil der angeblichen „Mitgliedschaft“ ausmachen. Wenn es die Antifa nicht gäbe (was durchaus möglich ist), müssten Trump, Barr und ihre Komplizen sie erfinden, um einen Vorwand für die Unterdrückung der Arbeiterklasse zu haben.

Barr befürwortete den Einsatz der Joint Terrorist Task Forces (JTTF). Die JTTF setzt sich aus Polizisten der Bundesstaaten und des Zentralstaats zusammen und wurde ursprünglich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York City und Washington, D.C. zur Abwehr islamistischer Fundamentalisten geschaffen. Nun soll sie die Opposition von links zerschlagen, die sich gegen die Politik der Trump-Regierung und ihrer Komplizen im Staat richtet.

Innerhalb der JTTF tätige FBI-Agenten sollen Demonstranten zu ihren politischen Ansichten befragen – eine grobe Verletzung des ersten Zusatzes zur Verfassung der Vereinigten Staaten, der die Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert. Es wird ein Vorwand geschaffen, die Teilnahme an den Protesten zu kriminalisieren. Der Zeitung Politico liegt ein Memorandum des US-Heimatschutzministeriums vor, in dem es heißt, Geheimdienstagenten müssten „wachsam sein und nach staatgefährdenden Bedrohungen Ausschau halten“. Gleichzeitig enthält das Dokument das aufschlussreiche Eingeständnis, dass „es sich bei einigen der verdächtigen Verhaltensweisen um von der Verfassung geschützte Aktivitäten handelt“.

Generalstaatsanwalt Barr, dessen Amt dem eines Justizministers gleichkommt, ist einer der Hauptkomplizen Trumps bei der Vorbereitung einer Präsidialdiktatur und attackiert die demokratischen Rechte der amerikanischen Verfassung.

Trump hat damit gedroht, sich auf den Insurrection Act (Aufstandsgesetz) von 1807 zu berufen, der die Entsendung von Militäreinheiten in die Bundesstaaten ermöglicht und sie damit faktisch unter Kriegsrecht stellt. Doch anders als 1992 in Kalifornien hat bisher keiner der Gouverneure um militärische Unterstützung gebeten. Das Weiße Haus plant, die Situation in Washington, D.C. (das direkt dem Kongress der Vereinigten Staaten unterstellt und kein eigener Bundesstaat ist) zum Präzedenzfall zu erheben, um militärische Gewalt zur Niederschlagung der Proteste einzusetzen und die weitgehend afroamerikanische Bevölkerung einzuschüchtern.

Aus Presseberichten geht hervor, dass Barr am Montagabend die Hauptrolle bei den Angriffen der Polizei auf die friedlichen Demonstranten im Lafayette-Park gegenüber des Weißen Hauses gespielt hat. Die Aufstandsbekämpfungseinheit des Bureau of Prisons (Bundesamt für Gefängnisse), das dem amerikanischen Justizministerium unterstellt ist, war maßgeblich an der Räumung des Parks beteiligt. Neben Tränengas wurden auch Pfefferspraygeschosse und weitere nicht tödliche Waffen eingesetzt, damit Trump seinen medienwirksamen Spaziergang durch den Park machen konnte. Anschließend posierte er mit einer Bibel in der Hand vor der St. John's Episcopal Church, die am Wochenende aufgrund eines Brands geringfügig beschädigt worden war.

Auf der Pressekonferenz zeigte sich Barr erfreut, dass sich unzählige Bundesbehörden an der Niederschlagung der Proteste in Washington, D.C. beteiligten, und erklärte: „Alle wichtigen Behörden zur Strafverfolgung sind an diesem Einsatz beteiligt, darunter das FBI, das Amt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe, die Drogenvollzugsbehörde, das Bureau of Prisons sowie der U.S. Marshals Service.“

Er erinnerte auch an das Jahr 1992, als er unter Präsident George H. W. Bush ebenfalls das Amt des Generalstaatsanwalts innehatte. Bush war der bislang letzte Präsident, der sich auf den Insurrection Act berief, als in Los Angeles Unruhen ausgebrochen waren. Auslöser war der Freispruch eines Polizisten, der den Afroamerikaner Rodney King angegriffen hatte. Wie die Ermordung von George Floyd wurde auch die Attacke auf King zu einem landesweiten Skandal, da er von Passanten gefilmt wurde. Das ganze Land wurde Zeuge, was „Recht und Ordnung“ in den USA tatsächlich bedeutet.

Vizepräsident Mike Pence schwieg zu den Szenen im Lafayette-Park. Er meldete sich – als glühender Verfechter des Insurrection Acts – erst wieder zu Wort, als ein möglicher Einsatz von Bundestruppen in Washington, D.C. ins Gespräch kam. In einem Interview mit einem örtlichen Fernsehsender in Pittsburgh verurteilte der Vizepräsident den demokratischen Gouverneur Tom Wolf aus Pennsylvania, da dieser nur 500-600 Nationalgardisten angefordert hatte, und drohte mit der Entsendung der Armee.

„Der Präsident und ich werden die Gouverneure – Gouverneure wie Tom Wolf – weiterhin dazu anhalten, die Nationalgarde anzufordern und auf die Straßen zu schicken, damit die Ordnung mit Nachdruck und Entschlossenheit wiederhergestellt werden kann. Mit weniger wird sich das amerikanische Volk nicht zufriedengeben“, sagte Pence.

Trotz der haarsträubenden Lügen, die Generalstaatsanwalt Barr verbreitet, ist eine unverkennbare Logik am Werk. Seine Lügen sind Teil des Plans, einen militärischen Staatsstreich zu rechtfertigen, der die Macht ausschließlich in die Hände von Trump legen würde. Der Präsident und seine Komplizen, darunter Trumps führender Berater Stephen Miller sowie sein ehemaliger Chefstratege Steven Bannon, sind Verbrecher, die sich nicht um demokratische Verfassungsrechte scheren. Sie werden vor nichts zurückschrecken, um eine autoritäre Herrschaft zu errichten, die sich auf das Militär und die Polizei stützt.

Es wäre ein großer Fehler, die derzeitige Gefahr zu unterschätzen. Es wäre äußerst gefährlich, zu glauben, dass Trump angesichts des Widerstands aus dem Staatsapparat zurückweichen wird, wie es die bürgerlichen Medien und die Demokratische Partei nahelegen. Dieselbe vergiftete Botschaft verbreitete Al Sharpton, baptistischer Prediger und Demokrat, am Donnerstag auf der Gedenkfeier für George Floyd in Minneapolis.

Selbst Sharpton musste zugeben, dass die Beteiligung einer Vielzahl junger weißer Amerikaner, die zudem die klare Mehrheit auf den Demonstrationen zum Mord an George Floyd ausmachen, einen Wendepunkt im gesellschaftlichen und politischen Leben der USA markieren. Doch widmete er sich rasch wieder der eigentlichen Message seiner Ansprache: dass es bei dem Angriff auf Floyd ausschließlich um Rassismus gehe. Mit dieser Darstellung versucht er zu verschleiern, dass die Polizei ein Unterdrückungsinstrument des Kapitalismus ist, ganz egal, welche Hautfarbe die Polizisten haben.

Sharpton spottete über Trumps Drohung, militärische Gewalt gegen die Demonstranten anzuwenden: „Hunde, die bellen, beißen nicht.“ Dabei sind seit Beginn der Proteste mindestens ein Dutzend Menschen von der Polizei und der Nationalgarde getötet worden. Trump und seine Komplizen bereiten eine Intervention des Militärs auf den Straßen Amerikas vor, die ein Blutbad bedeuten würde.

Kein einziges bekanntes Mitglied der Demokraten hat Trumps Drohungen öffentlich verurteilt oder ein Impeachment des Präsidenten gefordert. Der voraussichtliche Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, ist völlig abgetaucht. Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses und ebenfalls Demokratin, schickte vergangenen Donnerstag lediglich einen Brief an das Weiße Haus. Darin bat sie, dem Kongress eine Liste der polizeilichen und militärischen Behörden zukommen zu lassen, die an den Ausschreitungen im Lafayette-Park beteiligt waren –als gäbe es keine Gefahr eines militärischen Staatsstreichs.

Die Socialist Equality Party (US) hat einen Aufruf an Arbeiter und Jugendliche veröffentlicht, sich den Plänen des Weißen Haus, demokratische Rechte zu unterdrücken und eine Militärdiktatur zu errichten, zu wiedersetzen. Darin heißt es:

Die Arbeiterklasse muss in diese beispiellose Krise als unabhängige soziale und politische Kraft eingreifen. Sie muss der Verschwörung im Weißen Haus mit den Methoden des Klassenkampfes und der sozialistischen Revolution entgegentreten.

Alle Arbeiter und Jugendlichen, die sich zu Millionen an den Massenprotesten gegen Polizeigewalt beteiligen, müssen sich den verbrecherischen Methoden der Trump-Regierung entgegenstellen und die Absetzung von Trump, Pence und ihren Komplizen fordern.

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