Britische Regierung ermutigt faschistische Provokation als Rechtfertigung für Polizeiübergriffe

Die Vorsitzenden der Police Federation von England und Wales und der Metropolitan Police Federation, John Apter und Ken Marsh, haben die Johnson-Regierung aufgerufen, für die Dauer der Corona-Pandemie alle Demonstrationen zu verbieten.

Apter erklärte: „Ich rufe Innenministerin [Priti] Patel auf, unmissverständlich deutlich zu machen, dass alle großen Versammlungen oder Proteste verboten werden müssen, solange die Gefahr durch das Virus besteht.“

Marsh erklärte gegenüber LBC Radio: „Nach den Covid-Gesetzen ist das, was jetzt stattfindet, rechtswidrig und muss verboten werden.“

Den Vorwand für diesen Aufruf lieferten die Johnson-Regierung und die Medien. Damit wurde die Grundlage für eine faschistische Provokation in London am letzten Samstag geschaffen, um die brutale Unterdrückung derjenigen zu legitimieren, die gegen den Polizeimord an George Floyd demonstrierten.

Ein verwundetes Mitglied einer rechtsextremen Gruppe wird am 13. Juni von britischen Polizisten in Kampfausrüstung am Trafalgar Square in der Londoner Innenstadt eskortiert. (AP Photo/Alberto Pezzali)

Anfang letzter Woche erklärte Premierminister Boris Johnson auf Twitter über die Proteste gegen Floyds Ermordung: „Diese Demonstrationen wurden von Randalierern unterwandert. [...] Die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen werden.“

Patel verurteilte „Randalierer“, „Verbrecher“, „Banden“ und „Rowdytum“ und erklärte, die „verantwortlichen Kriminellen werden bereits zur Rechenschaft gezogen.“

Die Gründer der faschistischen Gruppen English Defence League (EDL) und Britain First, Tommy Robinson und Paul Golding, veröffentlichten daraufhin Videos, die beweisen sollen, dass die Polizei die Kontrolle über die Demonstranten verloren hat. Sie riefen zur Unterstützung einer Veranstaltung zur „Verteidigung unserer Denkmäler“ vor der Statue von Winston Churchill auf dem Parliament Square auf, die von der „Democratic Football Lads Alliance“ organisiert wurde – einer Gruppe, mit der die Faschisten versuchen, ein breiteres rechtes Milieu für sich zu gewinnen. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan (Labour) hatte ein Gehäuse um das Denkmal errichten lassen, nachdem Demonstranten am 7. Juni in Bristol eine Statue des Sklavenhändlers Edward Colston gestürzt hatten und auf den Sockel des Churchill-Denkmals unter dessen Name der Satz „war ein Rassist“ gesprüht wurde.

Johnson erklärte die angeblichen „Drohungen“ gegen Churchills Statue für „absurd und beschämend“ und behauptete, die Demonstrationen gegen George Floyds Ermordung seien „von gewaltbereiten Extremisten gekapert“ worden. Weiter erklärte er, die Kundgebungen am nächsten Wochenende würden „in bewusster und kalkulierter Gewalt enden“.

Nur wenige Stunden vor Beginn der Protestveranstaltung feuerte er rekordverdächtige acht Tweets ab; in einem davon erklärte er: „Es ist absurd und beschämend, dass dieses nationale Monument von gewalttätigen Demonstranten angegriffen werden könnte.“ Patel forderte, man müsse Churchills Statue „befreien“.

Auf diesen Aufruf der Regierung hin erschienen 2.000 Faschisten, um Churchills Statue zu „verteidigen“. Der betrunkene Mob grölte rassistische Beleidigungen in Richtung der Passanten, skandierte „England, England“ und zeigte den Hitlergruß. Weil sie nicht nahe genug an eine kleine Gruppe von Black-Lives-Matter-Demonstranten auf dem Trafalgar Square herankommen konnten, warfen sie Rauchbomben, Flaschen und Fackeln und gingen auf Polizisten los. Mindestens 100 Menschen wurden wegen gewalttätiger Ausschreitungen, Angriffen auf Polizisten, Waffenbesitzes oder Trunkenheit verhaftet.

Journalisten wurden bedroht, ein italienischer Reporter wurde angegriffen und trug blutige Wunden davon.

Kleinere Gruppen konnten bis zu der BLM-Demonstration durchdringen und Teilnehmer angreifen, doch die meisten schnitten bei den Auseinandersetzungen schlechter ab. Mehr als 1.000 Faschisten weigerten sich, den Platz zu verlassen, nachdem um 17 Uhr eine Ausgangssperre in Kraft trat. Stattdessen lieferten sie sich weitere Zusammenstöße mit der Polizei und zogen auf der Suche nach Konfrontationen durch London. Auch im Hyde Park kam es zu Zusammenstößen mit Demonstranten.

Tory- und Labour-Politiker sowie die Medien verurteilten die Gewalt, für die Johnson verantwortlich ist. Dabei stellten sie die Faschisten auf eine Stufe mit den „Linksextremisten“, die die Proteste gegen Floyds Ermordung „gekapert“ hätten. Die Daily Mail schrieb: „Die anti-rassistische Kundgebung und eine Gegenveranstaltung zum Schutz der Statue arteten in Schlägereien zwischen einem harten Kern von gewaltbereiten Aktivisten auf beiden Seiten aus.“ Der friedliche Protest einer „kleinen Gruppe von uniformierten Militärveteranen zur Verteidigung der Statue“ wurde „von anderen gekapert, um auf Polizei und BLM-Anhänger loszugehen“.

Johnson twitterte: „Diese Demonstrationen und Proteste wurden durch Gewalt unterminiert.“ Labour-Chef Sir Keir Starmer kritisierte die „Gewalt gegen unsere Polizei“.

Die britische Regierung hat die Bedingungen für eine Law-and-Order-Kampagne gegen Hunderttausende von Demonstranten geschaffen, die gegen Rassismus und Polizeigewalt protestieren.

Patel und Justizminister Robert Buckland planen laut Daily Mail „eine Reaktion auf Anti-Rassismus-Proteste, die sich an der Reaktion auf die Unruhen in London von 2011 orientiert. Sie drängen die Gerichte (Magistrates Courts) dazu, ihre Öffnungszeiten zu verlängern und allen Fällen in Zusammenhang mit den Protesten Vorrang zu geben.“

Mehr als 100 Tory-Abgeordnete benutzten ein Foto, auf dem ein rechtsextremer Demonstrant in der Nähe eines Denkmals für einen Polizisten uriniert, der bei einem Terroranschlag im Jahr 2017 getötet worden war, um ein Gesetz gegen die Schändung von Kriegsdenkmälern durchzusetzen. Dieses Gesetz würde eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren für die „Beschädigung“ von Kriegsdenkmälern vorsehen. Labours Schatten-Innenminister Nick Thomas-Symonds erklärte, er würde Haftstrafen für die Zerstörung von Denkmälern unterstützen.

Seit Robinson seine Veranstaltung für die „patriotische Einheit“ geplant hat, war das Ziel die Unterdrückung der Arbeiterklasse, der jugendlichen Demonstranten und der Linken durch den Staat.

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass in der Bevölkerung eine starke Stimmung gegen Rassismus, sowie Feindschaft gegen den Staat und seine rechtsextremen Unterstützer herrscht. Am Samstag fand in Brighton eine Demonstration von etwa 15.000 Menschen statt, dazu kamen weitere Veranstaltungen mit zehntausenden Teilnehmern in über einem Dutzend weiteren britischen Großstädten, u.a. in Bristol, Liverpool, Leeds, Newcastle, Bath, Cardiff, Newport und Glasgow.

Doch dieser aufkommenden Bewegung droht nicht nur durch den Staat und die extreme Rechte Gefahr. Es besteht auch die Gefahr, dass sie von der auf Rasse fokussierten, pro-kapitalistischen Perspektive der Black-Lives-Matter-Organisation gespalten und zerstreut wird.

BLM versucht, die objektiven Bestrebungen der Arbeiterklasse und vor allem der Jugend nach Einheit gegen Klassenunterdrückung, die sich in den George-Floyd-Protesten äußert, in einen Kulturkrieg um die angeblich grundlegende Rassentrennung zu verwandeln. Die Organisation leugnet, dass Rassismus ein Mittel des Teilens und Herrschens der Kapitalistenklasse ist und macht stattdessen „Weiße“ und „weiße Privilegien“ dafür verantwortlich. Sie lehnt einen gemeinsamen Kampf der Arbeiter gegen Kapitalismus und Klassenunterdrückung ab und befürwortet stattdessen einen „schwarzen Kapitalismus“ und „Gleichheit der Unterdrückung“, d.h. es soll u.a. mehr Schwarze in Konzernleitungen geben.

Imarn Ayton verlegte die für Samstag geplante BLM-Protestveranstaltung in London auf Freitag und erklärte gegenüber der BBC: „Ich glaube, alle machen sich große Sorgen, dass es zu einem Rassenkrieg kommt, weil das nicht das ist, was wir erreichen wollen. Wir wollen den institutionellen Rassismus aus der Welt schaffen.“

Gleichzeitig erklärte sie über die Statue von Churchill und andere Statuen, die laut BLM mit Sklavenhandel und Rassismus assoziiert werden: „Ich denke, diese Statuen gehören in ein Museum, dann hätten alle etwas davon. Sie würden die schwarze Nation nicht mehr beleidigen, aber wir können unsere Geschichte behalten und diejenigen zufriedenstellen, die sie sehen wollen.“

Das Gerede von „Rassenkrieg“ und die Appelle an eine „schwarze Nation“ sind eine Verleumdung der Arbeiterklasse mit dem Ziel, schwarze Arbeiter dem selbstsüchtigen Streben des schwarzen Kleinbürgertums und der schwarzen Bourgeoisie nach sozialem Aufstieg unterzuordnen.

Es geht nicht um eine Offensive gegen Statuen, die das Vermächtnis der Sklaverei symbolisieren, sondern um einen Kampf der ganzen Arbeiterklasse – ob weiß, schwarz oder asiatisch – gegen die reale und sehr akute Gefahr staatlicher Gewalt zur Verteidigung und Aufrechterhaltung der Lohnsklaverei.

Es ist beispielhaft für die politische Sackgasse des Kriegs gegen Statuen, dass die Labour Party sich an diesem Ablenkungsmanöver beteiligt – ein Manöver, das es den Wächtern eines immer brutaleren kapitalistischen Staats erlaubt, sich als Kämpfer für „Gerechtigkeit“ zu inszenieren.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan hat die Gründung einer „Kommission für Vielfalt im öffentlichen Raum“ angekündigt, die die Monumente in der Hauptstadt überprüfen soll. Nach dieser Ankündigung versprachen 130 Labour-Stadträte, die „Angemessenheit lokaler Denkmäler und Statuen zu prüfen“.

Die organisierte Heuchelei erreichte ein abstoßendes Niveau durch ein Foto des ehemaligen Generalstaatsanwalts (Director of Public Prosecutions, DPP) und derzeitigen Labour-Chefs Starmer, der in seinem Büro auf die Knie ging. In seiner Zeit als DPP hatte er daran gearbeitet, die Polizisten vor einer Anklage zu schützen, die Jean Charles de Menezes und Ian Tomlinson ermordet hatten. Er führte außerdem Maßnahmen ein, mit denen die Polizei Proteste leichter unterdrücken kann, und unterstützte die ungeprüft genehmigten Anklagen gegen Jugendliche nach den Unruhen in London 2011.

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