Julian Assanges Verlobte appelliert an australische Regierung

Stella Morris, die Verlobte von Julian Assange und Mutter seiner beiden kleinen Kinder, hat am Sonntag einen eindringlichen Aufruf an die australische Regierung gerichtet. Sie fordert sie auf, die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers an die USA zu verhindern und für seine Freiheit einzutreten. Weil Assange amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt hat, droht ihm in den USA lebenslange Haft.

Morris war in der Sendung „60 Minutes“ auf Channel Nine zu sehen. Der 24-minütige Beitrag lieferte eine objektive Darstellung der jahrzehntelangen willkürlichen Inhaftierung Assanges, zunächst in der Londoner Botschaft Ecuadors, wo er als politischer Flüchtling lebte, und seit April 2019 im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh.

Das von Tara Brown moderierte Programm war seit Beginn der Coronavirus-Pandemie die erste Dokumentation, die sich in den australischen Medien ernsthaft mit Julian Assanges Notlage auseinandersetzte.

Trotz der Tatsache, dass er ein australischer Journalist ist, der von den mächtigsten Regierungen der Welt wegen seiner Publikationstätigkeit verfolgt wird, halten die bürgerlichen Medien seit mehr als drei Monaten eine wirksame Nachrichtensperre über Assange aufrecht. Dies geht Hand in Hand mit der Weigerung der australischen Regierung, der Labor-Opposition und aller offiziellen Parteien, den WikiLeaks-Gründer zu verteidigen.

Stella Morris in der Sendung „60 Minutes“ (Screenshot, Nine Media)

Morris wies darauf hin, dass Assanges physische und psychische Gesundheitsprobleme sich durch die Haft in Belmarsh, dem „Guantanamo Bay Großbritanniens“ (wie sie es nannte), stark verschlimmert haben.

„Es geht ihm sehr schlecht, und ich bin nicht sicher, ob er das alles überlebt“, sagte sie. „Jetzt sitzt er im schlimmsten Gefängnis Großbritanniens. Es ist ein Hochsicherheitsgefängnis. Jeder fünfte Gefangene ist ein Mörder. Er dürfte überhaupt nicht dort sein. Er ist kein Krimineller, er ist kein gefährlicher Mensch, er ist ein sanftmütiger intellektueller Denker und Journalist. Solche Menschen gehören nicht hinter Gittern.“

Morris erklärte, sie mache sich wegen Assanges Bedingungen große Sorgen. Aufgrund des Corona-Lockdowns könne sie ihn seit Februar nicht mehr besuchen. Trotz der heftigen Infektionen im gesamten britischen Strafvollzug, auch in Belmarsh, und der Anfälligkeit von Assange für das Virus als Folge eines chronischen Lungenleidens hat man ihm die Freilassung auf Kaution verweigert.

„Jedermann kann sich vorstellen wie es ist, von seiner Familie getrennt zu sein und 23 Stunden am Tag allein in einem winzigen, dunklen Raum zu sitzen, ohne die geringste Kontrolle über seine Umwelt“, erklärte Morris.

Brown sagte: „Unter solchen Bedingungen würden die meisten Menschen wahrscheinlich verrückt werden.“ Morris antwortete: „Ich glaube, jeder Mensch würde schwer depressiv werden, und er ist auch sehr depressiv.“ Die TV-Sendung zeigte Morris mit ihren zwei kleinen Kindern, wie sie mit Assange am Telefon sprachen. Das ältere der beiden fragte Assange, wann er denn nach Hause käme.

Morris, eine 37-jährige Anwältin, beschrieb die Umstände ihrer Beziehung zu Assange. Sie waren sich näher gekommen, als sie an seinen Rechtsfällen arbeitete, nachdem er in der ecuadorianischen Botschaft erfolgreich politisches Asyl beantragt hatte.

Die beiden Kinder kamen 2017 und 2018 auf die Welt. In dieser Zeit nahm eine neue ecuadorianische Regierung engere Beziehungen zu den USA auf, und von da an zeigte sie sich Assange gegenüber immer feindseliger. UC Global, eine spanische Firma, die mit dem Sicherheitsmanagement der Botschaft beauftragt war, überwachte jeden Schritt von Assanges Leben und leitete das gesammelte Material an die CIA weiter.

Als Morris schwanger war, informierte sie Assange, indem sie die Nachricht auf ein Blatt Papier schrieb. Beide mussten damit rechnen, dass jedes Wort über ihr Privatleben von den Wanzen, die UC Global in der Botschaft installiert hatte, aufgezeichnet wurde. Morris versuchte, ihre Schwangerschaften vor dem Botschaftspersonal zu verbergen, und als die Kinder geboren waren, brachte ein Freund von Assange sie in die Botschaft und gab dabei an, ihr Vater zu sein.

„Als das eigentliche Problem befürchtete ich, dass dieselben Leute, die versuchten, Julian zu schaden, auch unsre Familie ins Visier nehmen könnten“, erklärte Morris. Die Sendung brachte auch Nachrichtenclips von hochrangigen Vertretern der US-Regierung, die Assange hysterisch anprangerten und forderten, ihn zum Schweigen zu bringen. Morris erinnerte daran, dass UC Global in Erwägung gezogen hatte, eine Kinderwindel zu stehlen, um seine Vaterschaft nachzuweisen, und sogar Pläne erwog, Assange zu töten oder amerikanischen Agenten seine Entführung zu ermöglichen.

Morris erklärte, dass es für viele Menschen schwierig sei, zu verstehen, in welchem Ausmaß Assanges Verfolgung kriminell sei. „Es gibt eine unglaubliche Kriminalität, die sich darauf richtet, Informationen über Julians Anwälte, seine Familie und Journalisten, die ihn besuchten, zu gewinnen“, sagte sie. „Ich befinde mich seit Jahren in einem permanenten Angstzustand.“

Auf bemerkenswerte Weise ging die Sendung auf den politisch motivierten Charakter ein, der die schwedischen Anschuldigungen wegen sexuellen Fehlverhaltens gegen Assange auszeichnete. Die Anschuldigungen wurden von der Polizei und der Justiz dieses Landes gerade dann ausgeheckt, als die USA eine wilde Kampagne gegen WikiLeaks wegen der Aufdeckung von Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan führten.

Brown stellte fest, dass Assange in Schweden nie eines Verbrechens angeklagt worden war, und dass die schwedischen Ermittlungen eingestellt worden waren. Der unabhängige australische Parlamentarier Andrew Wilkie verwies auf Dokumente, die belegen, dass die britische Regierung die Anschuldigungen systematisch nutzte, um Assange daran zu hindern, jemals aus der ecuadorianische Botschaft herauszukommen. Den britischen Behörden war bekannt, dass die schwedischen Anschuldigungen bloß dazu dienen sollten, Assange an seine amerikanischen Verfolger zu überstellen.

Das TV-Programm endete mit einem Appell von Morris an die australische Regierung, und sie sagte: „Ich möchte, dass die Menschen verstehen, dass wir als Familie bestraft werden. Es ist nicht nur so, dass Julian im Gefängnis sitzt. Die Kinder werden auch ihres Vaters beraubt. Ich brauche Julian und er braucht mich.“

Morris erklärte: „Ich bitte [den australischen Premierminister] Scott Morrison, alles zu tun, was er kann, um Julian zu seiner Familie zurückzubringen. Wenn Australien nicht einschreitet, fürchte ich sehr, dass dieses Unrecht nicht wieder gutgemacht wird. Es ist ein Albtraum.“

Bezeichnenderweise erklärte Brown, dass Morrison, Außenministerin Marise Payne und Christian Porter für eine Stellungnahme für die Sendung „nicht erreichbar“ gewesen seien.

Dies passt dazu, dass die australische Regierung seit zehn Jahren die USA in ihrer Vendetta gegen Assange unterstützt. Schon die Labour-Regierung von Julia Gillard hatte sich mit Unterstützung der Grünen jedem Appell zur Verteidigung des WikiLeaks-Gründers verweigert, und seither beteiligt sich jede australische Regierung an der Kampagne gegen ihn.

Diese offizielle Feindseligkeit gegen Assange hängt mit der bedingungslosen Unterstützung des australischen Establishments für das Militärbündnis mit den USA und dessen illegalen Kriegen zusammen und geht Hand in Hand mit einem innenpolitischen Angriff auf demokratische Rechte. So wird die Pressefreiheit angegriffen, und neue Gesetze erhöhen die Strafen für Whistleblower. Wie die Grünen, weigern sich auch die pseudolinken Gruppen und die Gewerkschaften, Assanges demokratische Rechte zu verteidigen.

Der Kampf für Assanges Befreiung und für die Verteidigung aller demokratischen Freiheiten erfordert die Mobilisierung der Arbeiterklasse. Die internationalen Proteste der letzten Wochen gegen Polizeigewalt haben gezeigt, dass für eine solche Bewegung eine objektive Grundlage besteht.

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