USA: Corona-Neuinfektionen nur knapp unter neuem Tageshöchstwert

Die erste Welle der Corona-Pandemie in den USA geht ungehindert weiter. Am Mittwoch wurden laut den Live Updates der Website Worldometers zur Ausbreitung des Coronavirus landesweit 38.386 neue Infektionen registriert. Dieser Wert lag nur knapp unter dem Höchststand am 24. April, an dem die gleiche Statistik 39.072 Neuinfektionen verzeichnet hatte. Doch selbst diese erschreckend hohe Zahl wurde noch von Brasilien übertroffen, wo am gleichen Tag ganze 40.995 neue Fälle registriert wurden.

Fast zwei Drittel der neuen Fälle in den USA, d.h. mehr als 23.000, waren über sieben Bundesstaaten im Süden und Südwesten verteilt: North Carolina, South Carolina, Georgia, Florida, Texas, Arizona und Kalifornien. Das Epizentrum der Krankheit in den USA hat sich von New York City und den städtischen Gebieten im Norden wie Boston, Philadelphia, Detroit und Chicago mittlerweile in den sogenannten „Sun Belt“ im Süden des Landes verlagert.

Patient auf einer Intensivstation

In Texas sind derzeit 4.092 Patienten so schwer an Covid-19 erkrankt, dass sie eine Behandlung im Krankenhaus benötigen. Damit liegt Texas bei diesem Wert an erster Stelle unter den Bundesstaaten. Der größten Stadt des Bundesstaates, Houston, droht eine Überlastung des Krankenhaussystems wie in New York.

In etwa drei Wochen sind weitere 500.000 Amerikaner am Coronavirus erkrankt. Sämtliche Einschätzungen gehen von einem Anstieg der Zahl der Gesamtfälle aus, der sich immer mehr beschleunigt. Laut Worldometers gibt es in den USA mittlerweile mehr als 2,45 Millionen Fälle und fast 125.000 Tote. In diesen drei Wochen hat sich sowohl das Ausmaß als auch der Umfang der Pandemie ausgeweitet. Mittlerweile melden 33 Staaten einen Anstieg des Sieben-Tage-Durchschnitts, am 9. Juni waren es nur neun.

Obwohl in den USA nur 4,4 Prozent der Weltbevölkerung leben, entfallen 26 Prozent der weltweiten Corona-Fälle und 26 Prozent der Todesfälle auf das Land. Diese Zahlen allein sind ein Armutszeugnis für den amerikanischen Kapitalismus, die herrschende Klasse sowie alle Ebenen der Regierung der USA – ob unter Führung der Demokraten oder der Republikaner – sowie für das profitorientierte Gesundheitssystem.

Laut der Trump-Regierung handelt es sich beim derzeitigen Anstieg der Corona-Fälle nicht um eine wirkliche Krise des öffentlichen Gesundheitswesens, sondern lediglich um ein Ergebnis verstärkter Tests. Die Krankheit breite sich in Wirklichkeit nicht aus. Vielmehr kämen durch immer mehr Tests jetzt die bereits bestehenden Infektionen zum Vorschein. Der Gipfel dieser Argumentation war Trumps dummdreiste Behauptung, es gäbe weniger Fälle, wenn die Zahl der Tests reduziert würde.

Dieses Argument scheitert nicht nur an den Grundprinzipien der Logik, sondern verfälscht auch den tatsächlichen Verlauf der Tests, der in den USA weiterhin auf einem völlig unzureichenden Niveau von 400.000 bis 500.000 pro Tag verharrt. Doch seit Mitte Juni steigt die Zahl der positiven Tests an, derzeit liegt sie landesweit bei 5,5 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass die Zahl der Ansteckungen in der Gesellschaft zunimmt, vor allem in den Bundesstaaten, die am aggressivsten bei der Wiederöffnung ihrer Wirtschaft und der Rücknahme von Beschränkungen für Massenversammlungen vorgegangen sind, bei denen sich das Virus leicht ausbreiten kann.

Das Wall Street Journal stieß bei der Analyse von Daten aus den am schlimmsten betroffenen Bundesstaaten, die von der Website des Tracking-Projekts von Covid-19 bereitgestellt werden, auf alarmierende Zahlen für die Woche, die am 23. Juni endete. In Arizona waren 22,1 Prozent aller Tests auf Covid-19 in diesem Zeitraum positiv, d.h. fast ein Viertel. In South Carolina waren es 15,9 Prozent, in Florida 13 Prozent, in Utah 12,7 Prozent, in Mississippi 11,9 Prozent, und in Texas 10,9 Prozent.

Länder, in denen die Ausbreitung faktisch unterdrückt oder eingedämmt wurde, haben so viele Tests durchgeführt, dass die Zahl der positiven Tests unter einem Prozent liegt (d.h. einer von 100 Tests ist positiv).

Laut den Daten der University of Minnesota, die Einweisungen ins Krankenhaus abbilden, werden landesweit mehr als 25.000 Menschen wegen Coronavirus-Infektionen in Krankenhäusern behandelt. In Texas und Kalifornien liegen die meisten Menschen im Krankenhaus (4.092 bzw. 3.868), davon 1.225 auf Intensivstationen. In Arizona werden 2.136 Corona-Patienten in Krankenhäusern behandelt, davon 614 auf Intensivstationen. 386 sind an mechanische Beatmungsgeräte angeschlossen. Laut dem Gesundheitsministerium des Bundesstaates sind die Intensivstationen zu 88 Prozent ausgelastet, wobei es im ganzen Bundesstaat nur 200 Intensivpflegebetten gibt.

Innerhalb kurzer Zeit ist es in Arizona deutlicher schwieriger geworden, sich testen zu lassen. Potenziell Infizierte müssen immer längere Zeit in der sengenden Hitze anstehen. Die Verzögerung bei der Bekanntgabe der Testergebnisse nimmt zu und die Bestände an Testmaterialien wie Reagenzgläsern und Nasenabstrichen schwinden. Auch Vertreter des Gesundheitswesens beklagen, dass mehr ausgebildetes Personal notwendig sei, um Patienten zu behandeln. In Arizona zeigen sich somit all die Probleme erneut, die seit April aus New York und New Jersey bekannt sind.

Laut dem leitenden Direktor des Verbands für Gesundheitsvorsorge (Public Health Association) von Arizona, Will Humble, wurden bei der Wiederöffnung der Wirtschaft in dem Bundesstaat keine Vorgaben gemacht. Es wurde lediglich eine oberflächliche Erklärung herausgegeben, man müsse in öffentlichen Bereichen vorsichtig sein, die jedoch nur zu einer Rückkehr zu dem Verhalten, wie es vor der Pandemie normal war, geführt hat. Kacey Ernst, eine Epidemiologin der University of Arizona, die auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist, erklärte: „Viele Menschen haben angesichts der Wiederöffnung geglaubt, die Gefahr sei vorbei. Zwar wurde verstärkt darauf geachtet, Masken zu tragen und physische Distanz zu wahren, aber das war nicht überall der Fall … Wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem wir über gut entwickelte Kapazitäten für Tests und Kontaktverfolgung in allen Fällen verfügen.“

In Kalifornien wurde am 22. Juni mit 6.000 Neuinfektionen der bisherige Höchstwert durchbrochen. Die leitende Direktorin für öffentliche Gesundheit in Los Angeles County, Dr. Barbara Ferrer, erklärte, der Anstieg der Fälle stehe im Zusammenhang mit den Massenprotesten nach der Ermordung von George Floyd durch einen Polizeibeamten in Minneapolis. Für andere Cluster sind jedoch direkt die jüngsten Großveranstaltungen und Partys verantwortlich. Die Zahl der positiven Testergebnisse in Los Angeles County ist innerhalb von nur zwei Wochen von 5,8 Prozent auf 8,4 Prozent gestiegen.

In Florida erreichte der tägliche Anstieg der Fälle am 23. Juni mit 3.286 sein höchstes Niveau, auch die Marke von 100.000 Fällen wurde bereits überschritten. Abgesehen vom Anstieg der Fallzahlen belegen Daten der Gesundheitsbehörde von Miami-Dade County auch, dass seit Anfang Juni die Zahl der Patienten auf Intensivstationen und an Beatmungsgeräten ansteigt.

Seit die USA Ende Mai ihre Beschränkungen und Lockdown-Maßnahmen aufgehoben haben, befinden sich laut Vertretern der Gesundheitsbehörden mehrerer Staaten unter den neuen Covid-19-Fällen viele junge Menschen, die über eine bessere Immunabwehr gegenüber der Infektion verfügen.

Die Gesundheitsbehörden befürchten, dass auf diese Weise auch anfälligere Bevölkerungsgruppen angesteckt werden könnten. Der ehemalige Direktor der Centers for Disease Control and Prevention, Dr. Tom Frieden, twitterte: „Das niedrigere Alter der derzeit Infizierten in einigen Staaten, u.a. in Florida, könnte zu einer geringeren Todesrate in dieser Welle führen … bis die 20- bis 40-jährigen, die heute infiziert sind, andere anstecken.“

Dr. Mike Ryan wurde bei einer Pressekonferenz der Weltgesundheitsorganisation um eine Prognose hinsichtlich der Höhepunkte weiterer Ausbrüche gebeten. Darauf antwortete er: „Es ist sehr schwer, Höchststände zu prognostizieren. Der Höchststand hat sehr viel damit zu tun, was man tut. Was man tut, beeinflusst den Höchststand: das Ausmaß, die Dauer und die Abwärtsentwicklung. Das alles hat sehr viel mit dem Eingreifen der Regierung zu tun, wie die Bevölkerung ihrerseits auf diese Intervention reagiert und mit den Fähigkeiten der Gesundheitssysteme. Das Virus agiert nicht im luftleeren Raum. Es macht sich schlechte Überwachung zu Nutze, schwache Gesundheitssysteme, schlechte Führung, einen Mangel an Bildung und fehlende Unterstützung in den Gemeinden … Die Zahlen reagieren auf das Eingreifen. Es gibt hier keine Zaubersprüche. Man kann das nicht wegzaubern.“ Dr. Ryan nannte zwar kein Land ausdrücklich, doch seine Aussage waren zweifellos auf die USA bezogen.

Dr. Anthony Fauci erklärte am Dienstag vor dem Energie- und Handelsausschuss des Repräsentantenhauses, das Virus werde „nicht verschwinden“. Weiter sagte er, die nächsten zwei Wochen seien wegen der Verzögerung der Todesfälle von entscheidender Bedeutung. Klarer ausgedrückt: Auf den scharfen Anstieg der Neuinfektionen wird in zwei bis drei Wochen ein scharfer Anstieg der Todesfälle folgen.

Dr. Fauci erklärte bei der Anhörung: „Ich befasse mich seit 40 Jahren mit Virusausbrüchen, und ich habe noch nie erlebt, dass bei einem einzelnen Virus – d.h. einem Pathogen – 20 bis 40 Prozent der Erkrankten keine Symptome hatten.“ Er erklärte, die Viruslast bei asymptomatischen Patienten sei nicht nennenswert geringer als bei Patienten mit Symptomen, sodass von ihnen das gleiche Ansteckungspotenzial ausgehe. Er rief dazu auf, die Abstands-Maßnahmen und das allgemeine Tragen von Gesichtsmasken beizubehalten, um Ansteckung zu vermeiden. Zudem können auch Patienten ohne Symptome schwere gesundheitliche Schäden erleiden. Bei Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren wie CT-Scans oder Röntgen wurden bei mehr als der Hälfte der asymptomatischen Patienten Anzeichen für Lungenentzündungen gefunden.

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