„So viele Patienten hätten nicht sterben müssen“

Interview mit einer Atemtherapeutin über den Horror der Covid-19-Pandemie am Elmhurst-Krankenhaus in New York

Die WSWS sprach kürzlich mit einer Atemtherapeutin des Elmhurst-Krankenhauses in Queens, New York City, über ihre Erfahrungen mit der Coronavirus-Pandemie. Zwei Monate lang, im März und April, galt das Elmhurst-Krankenhaus als das „eigentliche Epizentrum“ der Pandemie in den USA. Die Menschen, die das Krankenhaus frequentieren, stammen überwiegend aus einer Wohngegend von Immigranten und Arbeitern.

Atmungstherapeuten sind für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgebildet. Sie bedienen Beatmungs- und andere Atemschutzgeräte. Sie sind daher für die Behandlung schwerkranker Covid-19-Patienten unverzichtbar. Wir haben den Vornamen der Mitarbeiterin in Patricia geändert, um ihre Identität zu schützen.

Patricia arbeitet seit 22 Jahren mit intubierten Patienten. Während des Interviews wurde sie mehrmals von Emotionen überwältigt, als sie sich an die tief traumatischen Erlebnisse der vergangenen Monate erinnerte.

Elmhurst-Krankenhaus in New York City

"Wir begannen Ende Februar mit der Aufnahme von Patienten, aber wir merkten erst im März, dass sie Covid-positiv waren. Es entwickelte sich so schnell, dass wir überhaupt nicht vorbereitet waren. Wir versuchten es, aber die Zahl der Patienten, die mit Covid-19 erschienen, war höher, als wir erwartet hatten.“

Sowohl die Trump-Regierung als auch die demokratische Cuomo-Regierung verzögerten auf kriminelle Weise jegliche soziale Distanzierungsmaßnahmen und Coronavirus-Massentests, obwohl der erste Covid-19-Fall bereits im Januar in den USA registriert worden war.

New York, der Bundesstaat, der im Frühjahr am stärksten von der Pandemie betroffen war, führte den Lockdown erst am 22. März ein. Spätere wissenschaftliche Modelle ergaben, dass bereits Anfang März etwa 10.000 Menschen in New York mit dem Virus infiziert gewesen sein müssen. Tatsächlich war der März, wie Patricia der WSWS berichtete, "der härteste Monat" in Elmhurst.

"Wir hatten praktisch kein Personal, und es war uns nicht möglich, jeden zu behandeln. Es gab mehrere Herzstillstände, Krisenreaktionen und Intubationen gleichzeitig. Obwohl bei diesen Ereignissen Ärzte und Krankenschwestern anwesend waren, konnten wir kaum Schritt halten, um Beatmungsgeräte zur Intubation und BIPAP-Geräte [zur nicht-invasiven Beatmung] auf die Stationen zu bringen. Wir mussten wählen, wem wir helfen konnten. Viele Stationen riefen gleichzeitig nach uns. Es war physisch und emotional überwältigend.“

Wie sie sagte, hatten sie die Verwaltung um mehr Personal „anbetteln" müssen. Als sie vorschlug, dass das Krankenhaus Atemtherapeuten von Agenturen für $4.500 bis $7.000 pro Woche einstellen sollte, erhielt sie als Antwort: "Das bezahle ich nicht."

Ende März veröffentlichte eine Ärztin der Notaufnahme des Elmhurst-Krankenhauses, Colleen Smith, in der New York Times ein Video mit einem verzweifelten Hilferuf, in dem sie die Zustände im Krankenhaus als "apokalyptisch" bezeichnete. Zu diesem Zeitpunkt tauchten vor den großen Krankenhäusern in New York City Kühllastwagen und behelfsmäßige Leichenhallen auf.

Anfang April wurde dem Pflegepersonal in Elmhurst schließlich mitgeteilt, dass sie Hilfe erhalten würden. Am 9. April, so erzählte Patricia, kamen die ersten Atemtherapeuten von außerhalb des Bundesstaats. Auch die Luftwaffe und das Heer entsandten Personal. Insgesamt seien etwa 25 Atemtherapeuten hinzugekommen, sagte sie. Die letzten sollten am 30. Juni wieder abreisen.

"Bevor wir Hilfe bekamen, war es die reine Hölle. Täglich starben zehn bis 20 Patienten. Die meiste Zeit war eine einzelne Person für zwei bis drei Stockwerke und/oder mehrere Intensivstationen zuständig. Dabei erhielt man etwa 20 bis 30 Beatmungsgeräte zugewiesen, und zusätzlich musste man auf Herzstillstände reagieren, Soforthilfe leisten, den Transport von beatmungsabhängigen Patienten zu Abteilungen oder Operationen bewältigen und Medikamente verabreichen. Und gleichzeitig haben wir versucht, unseren Kollegen zu helfen."

Sie fuhr fort: "Ursprünglich hatten wir fünf Atemtherapeuten für die Tagschicht und vier für die Nachtschicht, aber das ging im Laufe des März zurück, weil Leute krank wurden und uns verließen. Zwei ältere Mitarbeiter kündigten, weil sie überfordert waren. Ein anderer kündigte, weil er krank wurde und ausgebrannt war. Ein anderer Mitarbeiter wurde richtig krank und wurde intubiert. Er ist heute nicht mehr intubiert, aber es wird lange dauern, bis er sich wieder erholt. Er ist nicht mehr derselbe.“ Sie schätzte, dass im Elmhurst fünf oder mehr Krankenhausmitarbeiter an Covid-19 gestorben sind.

Der Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA), vor allem an Masken, war in ihrer Abteilung besonders akut. Während anderen Abteilungen nur begrenzt PSA zur Verfügung gestellt wurde, erhielt ihre Abteilung, so Patricia, überhaupt keine Lieferungen. "Es war sehr erniedrigend, die Krankenschwestern auf den Stationen und Stockwerken um PSA anbetteln zu müssen, obwohl wir bei Intubationen, Extubationen, Herzstillständen, Transporten von künstlich beatmeten Patienten und mehr helfen. Uns ohne richtige PSA und entsprechendes Personal auf die Etagen zu schicken, ist als ob man Soldaten ohne Helm, kugelsichere Weste und Gewehr in den Krieg schicken würde. Ich fühlte mich, als ob wir sterben würden. Wir waren so erschöpft und zu Tode erschrocken."

Neben der kriminell fahrlässigen Reaktion der Regierung auf die Pandemie spielen die Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle dabei, dass die Zahl der Todesopfer der Pandemie steigt. Als Teil des öffentlichen Krankenhaussystems Health+Hospitals und in einem der ärmsten Viertel von New York City gelegen, leidet das Elmhurst Hospital besonders stark unter diesen Einschnitten. In einer am 1. Juli veröffentlichten Analyse stellte die New York Times fest, dass Patienten in den Krankenhäusern armer Gemeinden, wie beispielsweise dem von Elmhurst, aufgrund von Unterbesetzung und mangelnder Ausstattung bis zu dreimal häufiger sterben als in Einrichtungen in den reichsten Vierteln Manhattans.

Selbst als sich die Pandemie auf ihrem Höhepunkt befand, drängte der Bundesstaat New York auf Kürzungen im Rahmen von Medicaid in Höhe von 400 Millionen US-Dollar. Davon sind vor allem staatliche Krankenhäuser wie das Elmhurst Hospital betroffen, die auch nicht-versicherte Patienten behandeln.

Patricia betonte, dass der Personalmangel bei Atemtherapeuten schon vor der Pandemie groß gewesen sei, und dass sie und ihre Mitarbeiter immer wieder davor gewarnt hätten.

"Als ich vor acht Jahren in Elmhurst anfing, gab es 30 bis 35 Atemtherapeuten. Jetzt sind es nur noch neunzehn. Es gab keine Entlassungen, aber fast jedes Mal, wenn jemand in den Ruhestand ging, wurde er nicht ersetzt. Es wäre besser, mehr Personal einzustellen, aber anscheinend ist es billiger, wenn die Behandlung im Laufe der Zeit hier und da einfach versagt. Wegen schlechter Behandlung und Korruption sind Leute gekommen und gegangen. Wir alle lieben unsere Arbeit und versuchen, unser Bestes zu leisten. Aber es ist sehr schwer, wenn man nicht genug Personal und Unterstützung von dem Vorgesetzten und der Verwaltung hat.

Fast überall im Land liegen im Durchschnitt vier bis acht Beatmungspatienten auf einer Station. In Elmhurst konnte eine Station in den letzten 10 Jahren zwischen 10 bis 20 Patienten haben. Das ist sehr unsicher; es macht es sehr schwierig, eine gute Atemversorgung zu gewährleisten.“ Beckers "Hospital Review" stellte Ende April fest, dass New York, New Jersey und Connecticut die drei Bundesstaaten sind, in denen der Mangel an Atemtherapeuten am größten ist. Für eine adäquate Behandlung von Covid-19 hätte New York zusätzlich 7.400 Atemtherapeuten benötigt, mehr als doppelt so viel wie die 4.490 Atemtherapeuten, die der Bundesstaat zu diesem Zeitpunkt beschäftigte.

Patricia betonte, dass Todesfälle durch eine angemessene Personalausstattung und PSA hätten verhindert werden können. "Im März hätten nicht so viele Patienten sterben müssen, wenn wir mehr Personal und bessere Geräte gehabt hätten, mit denen wir hätten arbeiten können. Wir wären auch nicht so gestresst gewesen."

Patricia warnte, dass das Elmhurst Krankenhaus nicht in der Lage sei, einem neuen Zustrom von Patienten in einer zweiten Welle angemessen zu begegnen. Die Zahl der Coronavirus-Fälle ist im ganzen Land in die Höhe geschossen und nähert sich rasch der 3-Millionen-Marke. Während sich der Bundesstaat New York im fortgeschrittenen Stadium der Wiedereröffnung befindet, verzeichnet New York City nach wie vor täglich Hunderte von Neuinfektionen. Im Elmhurst Krankenhaus, so Patricia, nehmen die Fälle wieder zu. "Das ist sehr beängstigend, denn es ist noch nicht einmal Grippesaison."

Obwohl das Krankenhaus immer noch Covid-19-Patienten behandelt, wurden die ohnehin schon niedrigen Standards für PSA noch einmal gesenkt. "Früher durften wir Schutzkleidung tragen, aber jetzt ist es nicht mehr erlaubt, PSA außerhalb der ausgewiesenen Covid-Einheiten zu tragen. Es gibt Schutzbrillen, Handschuhe und Kittel, aber es ist sehr schwer, Masken zu bekommen." Patienten mit und ohne Covid-19 werden immer noch irrtümlich zusammengelegt, was während der gesamten Pandemie immer wieder vorkam und die Infektion noch weiter in die Höhe trieb.

Patricia betonte, dass die Verwaltung in ihrem Krankenhaus versagt habe, und kam zu dem Schluss: "Wenn sie nicht mehr [Atem]-Therapeuten bekommen, werden wir wieder schlecht vorbereitet sein, falls eine zweite Welle losbricht. Wir brauchen wirklich eine angemessene Personalausstattung, um eine bessere Sicherheitslage zu erzielen.“

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