Rasant wachsende Zahl der Neuinfektionen in den USA

Parteiübergreifende „Back-to-work“-Kampagne führt in die Katastrophe

In den USA hat sich die Covid-19-Pandemie zu einer ungebremsten Katastrophe entwickelt. Am Montag verzeichneten die Vereinigten Staaten mehr als 65.000 Neuinfektionen. Die tägliche Zahl der neuen Fälle liegt dabei fast doppelt so hoch wie Mitte April. Auf die USA entfällt ein Drittel der gesamten Neuinfektionen weltweit, obwohl sie nur vier Prozent der Weltbevölkerung ausmachen.

In Florida sind mehr als 40 Krankenhäuser voll belegt, und die Krankenhäuser in Texas weisen Neueinweisungen und Rettungsfahrzeuge ab. Die Menschen stehen tagelang Schlange, um sich testen zu lassen. Amerikas rudimentäres und zersplittertes öffentliches Gesundheitssystem – hier benutzt man noch zentral Faxgeräte, um Daten auszutauschen, und wartet bis zu einer Woche auf Testergebnisse – ist am Ende seiner Kapazität. Krankenschwestern und Ärzte sind mit einem kritischen Mangel an Schutzkleidung und -ausrüstung konfrontiert.

Rettungssanitäter beim Einladen eines Patienten in den Krankenwagen, Seattle, 10. März 2020 (AP Photo/Ted S. Warren)

Diese Katastrophe ist die Folge der vorzeitigen Wiederaufnahme des Wirtschaftslebens im ganzen Land. Seit der Wiedereröffnung auch nicht-systemrelevanter Unternehmen und Dienstleister vor zwei Monaten hat sich die Zahl der Covid-19-Fälle auf 3,4 Millionen mehr als verdoppelt. Rund 43.000 weitere Menschen sind gestorben, so dass die Zahl der Todesopfer auf 138.000 gestiegen ist.

Man begeht ein Verbrechen an der Gesellschaft, mit verheerenden Folgen. Doch in den unzähligen Stunden, die der Diskussion über die Pandemie im Fernsehen und den Zeitungen gewidmet sind, fragt niemand ernsthaft nach: Wer ist für die Pandemie verantwortlich? Wer hat die Entscheidung getroffen, Unternehmen vorzeitig wieder zu eröffnen? Und welche sozialen Interessen diktieren eine solche Politik?

Natürlich spielen Trump und seine rechtsextremen republikanischen Verbündeten eine entscheidende Rolle. Sie haben die Pandemie heruntergespielt und die Menschen ermutigt, die soziale Distanzierung zu missachten. Trump führt einen Krieg gegen den Leiter der Nationalen Infektionsschutzbehörde Anthony Fauci, weil der es gewagt hat, auf die offensichtliche Tatsache hinzuweisen, dass die Pandemie außer Kontrolle gerät.

Es geht jedoch nicht nur um Trump. Nahezu jeder Gouverneur, ob Demokrat oder Republikaner, lockerte die Schutzmaßnahmen und ließ nicht-systemrelevante Wirtschaftstätigkeit wieder zu, während es im ganzen Land immer noch zu wenig Testkapazitäten und keine ausreichende Kontaktverfolgung gab.

Für mehr als die Hälfte der Bundesstaaten trifft es zu, dass sie die nicht-systemrelevante Produktion Anfang Mai in einer Situation wieder anfahren ließen, in der „die Fallzahlen nach oben wiesen, oder positive Testergebnisse anstiegen, oder beides“, wie die New York Times meldete. Zu den Bundesstaaten, die umfassende Lockerungen beschlossen haben, ohne die grundlegendsten Bundesrichtlinien zu erfüllen, gehörten Maine, North Carolina, Kansas und Colorado, die alle von Gouverneuren der Demokratischen Partei regiert werden.

Auch die Medien, die traditionell den Demokraten zuneigen, nehmen aktiv an dieser Kampagne teil. Die New York Times veröffentlichte nicht weniger als elf Kolumnen von Thomas Friedman, in denen er für eine Politik der „Herdenimmunität“ plädierte – d.h. den Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – während die Washington Post einen Leitartikel veröffentlichte, in dem das „schwedische Modell“ der Herdenimmunität als „attraktiv“ bezeichnet wurde.

Dahinter stehen die Wall Street, die Großkonzerne und die Finanzoligarchie; sie diktieren die allgemeine Forderung nach Rückkehr an den Arbeitsplatz. Für die herrschende Klasse war die Pandemie eine großartige Gelegenheit, Geld zu verdienen. Ein Aktienhändler hat dies in einem Interview mit Reuters deutlich gemacht:

Covid-19 steht nun in umgekehrter Beziehung zu den Märkten. Je schlimmer Covid-19 wird, desto besser geht es den Märkten, denn die [US-Notenbank] Fed wird Anreize schaffen. Das ist es, was die Märkte antreibt.

Seit März hat die Fed drei Billionen Dollar in die Märkte gepumpt und ihre Bilanz von vier Billionen Dollar auf über sieben Billionen Dollar erhöht. Diese Politik wurde von Demokraten und Republikanern im Kongress nahezu einstimmig gebilligt, als sie Ende März das so genannte CARES-Gesetz verabschiedeten.

Diese unbegrenzten Finanzmittel haben zu einem massiven Anstieg der Vermögenswerte geführt. Der S&P-500-Aktienindex erreichte am Montag seinen höchsten Stand seit Ausbruch der Pandemie, und er bleibt über dem Stand vor einem Jahr. Ein Vermögensverwalter sagte kürzlich gegenüber Fortune:

Wir befinden uns in einem irrationalen Überschwang – das ist eine Blase … Die Wirtschaft reibt sich, verlangsamt sich, wir taumeln in Covid rein und raus, doch der Technologiemarkt verzeichnet jeden Tag neue Höchststände. Das ist eine klassische Spekulationsblase.

Es ist diese enorme Umverteilung des Reichtums nach oben, die hinter der intensiven Kampagne steht, die Arbeiter in die Fabriken zurück zu treiben, obwohl diese Brutstätten für die Verbreitung von Covid-19 sind. Zwar sind die Billionen Dollar, die in Form von „magic money“ in die Finanzmärkte gepumpt werden, fiktives Geld. Aber der Reichtum der Finanzoligarchie – ihre Jets, ihre Superautos, ihre Villen und Eigentumswohnungen – ist sehr real. Dieses Vermögen muss letztendlich aus der Arbeiterklasse herausgezogen werden.

Als konkretes Beispiel kann der Fall des Tesla-CEO Elon Musk gelten. Am 11. Mai kündigte Musk die Wiederaufnahme der Produktion im Hauptwerk von Tesla in Kalifornien an, unter Missachtung der staatlichen Gesetze und mit Billigung der Regierung des Bundesstaats unter Führung der Demokratischen Partei.

Im Zeitraum seit der Wiedereröffnung von Tesla stieg ihre Aktie um 50 Prozent. Der Konzern wurde damit zum größten Autohersteller nach Marktkapitalisierung. Dies wiederum hat zu einem Anstieg von Musks persönlichem Vermögens um 30 Milliarden Dollar auf 70 Milliarden Dollar geführt, was einer Verdreifachung seines Nettovermögens innerhalb von zwei Jahren entspricht.

Für diesen Meilenstein war die Wiederaufnahme der Produktion von entscheidender Bedeutung. Die Financial Times bemerkt, dass Tesla „im Lockdown auf wöchentliche Umsätze von über 500 Millionen Dollar verzichtete – Geld, das ein Unternehmen, das noch nie ein profitables Jahr hatte, schlecht abschreiben kann.“

In einem Brief an die Mitarbeiter verwies Musk auf den Impetus, die Produktion wieder anzufahren. Er schrieb: "Es wird ziemlich knapp, die Gewinnschwelle zu erreichen. Jedes Auto, das wir fertigstellen und ausliefern, macht wirklich einen Unterschied."

Infolge der massiven Erhöhung des Aktienwerts von Tesla erhält Musk in wenigen Tage die höchste Ausschüttung, die je ein CEO in der Geschichte erhalten hat: Er wird einen Bonus in der Größenordnung von 2,4 Milliarden Dollar kassieren.

Die Politik, die hier betrieben wird, ist nicht neutral. Es ging nie darum, „die Wirtschaft“ zu retten, sondern immer um die Rettung der Wall Street. Es geht darum, den Reichtum der kapitalistischen Oligarchie, die den größten Anteil am Finanzvermögen besitzt, zu erhalten und effektiv noch zu vergrößern.

Aus der Sicht der herrschenden Klasse hat die Pandemie noch weitere Vorteile. Da hauptsächlich ältere Menschen sterben, werden Gesundheitskosten sinken. Für die Think Tanks der herrschenden Klasse sind die steigenden Kosten im Gesundheitssektor seit langem ein strategisches Problem.

Die durch die Pandemie verursachte Massenarbeitslosigkeit hat für die herrschende Klasse ebenfalls ihre Vorteile. Die USA waren Anfang dieses Jahres mit einem stark angespannten Arbeitsmarkt konfrontiert, und die durch die Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise hat Zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet, viele davon dauerhaft.

Die Trump-Regierung war die erste, welche die Streichung der wöchentlichen zusätzlichen Arbeitslosenhilfe in Höhe von 600 Dollar (CARES-Gesetz) forderte. Aber auch diese Forderung genießt parteiübergreifende Unterstützung. Der demokratische Gouverneur von Connecticut Ned Lamont schloss sich dem Chor der Forderungen nach dem Auslaufen dieser Leistungen für Arbeiter an und behauptete, dass dies „zur Arbeitsaufnahme entmutigen“ werde.

Im Zentrum der „Back-to-work“-Kampagne der herrschenden Klasse steht das Bestreben, die Schulen wieder zu öffnen. Inmitten einer wütenden Pandemie bedroht dies das Leben von Zehntausenden von Schülern und Lehrkräften und wird unweigerlich zu einem weiteren Anstieg von Neuinfektionen in der Gesamtbevölkerung führen.

Die herrschende Klasse beabsichtigt, die Covid-19-Pandemie zu nutzen, um weiter durchzusetzen, was bereits vor ihrem Ausbruch im Gange war: Die soziale Ungleichheit soll weiter steigen, die gesellschaftliche Infrastruktur soll demontiert werden, und die amerikanische Arbeiterklasse soll in einen nach Bedarf abrufbaren Pool von billigen Arbeitskräften verwandelt werden.

Hier ist ein gesellschaftliches Verbrechen von monumentalen Ausmaßen im Gange, dessen Opfer die Leichenhallen und Friedhöfe von Küste zu Küste füllen. Die schuldigen Parteien sind die Vertreter der herrschenden Klasse, Republikaner und Demokraten, und ihre Komplizen in den Medien. Das Motiv liegt in der Verteidigung des Reichtums der Oligarchie und des kapitalistischen Systems.

Die Arbeiterklasse muss mit der sozialistischen Revolution reagieren. Dies ist die unausweichliche Schlussfolgerung, die sich aus der Pandemie ergibt.

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