Trump schickt Hunderte Bundespolizisten nach Chicago

US-Präsident Donald Trump hat seinen Kurs auf autoritäre Herrschaftsmethoden verstärkt. Er befahl die Entsendung von Hunderten Bundespolizisten nach Chicago (Illinois) und Albuquerque (New Mexico). Dies hatte er am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz mit Justizminister William Barr im Weißen Haus angekündigt.

In Kansas City (Missouri) wurden bereits im Rahmen der Operation LeGend 200 Bundespolizisten stationiert. Benannt ist diese Operation nach dem vierjährigen Jungen LeGend Taliferro, der letzten Monat in Kansas City getötet wurde. Weitere 200 werden jetzt nach Chicago entsandt, dazu 35 nach Albuquerque. Daneben stellt die Regierung den drei Städten 61 Millionen Dollar für die Einstellung neuer Polizisten zur Verfügung.

Trump behauptet, er wolle mit der Entsendung der Bundespolizei die Bevölkerungsminderheiten dieser Städte schützen, da die Zahl der Schusswaffenverbrechen und Tötungsdelikte im Laufe des letzten Jahres stark angestiegen seien. Um die Opfer solcher Verbrechen politisch zu instrumentalisieren, haben Trumps Berater mehrere Eltern von Kindern, die durch Gewalt auf den Straßen gestorben sind, als Publikum zu der Veranstaltung mit Trump rekrutiert.

Bundespolizisten gehen vor dem Mark O. Hatfield-Bundesgerichtsgebäude in Portland (Oregon) auf Demonstranten los, 22. Juli 2020. (AP Photo/Noah Berger)

Der Zynismus und die Kaltschnäuzigkeit dieses Manövers sind bemerkenswert. Trump nannte die Zahlen der Todesfälle und Körperverletzung durch Schusswaffengewalt in Chicago, doch diese soziale Tragödie interessiert ihn nur insoweit, wie er sie für seine reaktionären politischen Zwecke ausnutzen kann.

Trump versuchte erfolglos, Empathie vorzutäuschen: „Keine Mutter sollte ihr totes Kind im Arm halten müssen, nur weil sich Politiker weigern, das Notwendige zu tun, um ihre Gegend und ihre Stadt zu schützen.“

Trump hat nie das geringste Mitleid mit Eltern gezeigt, deren Kinder von der Polizei getötet wurden. In einer seiner ersten politischen Kampagnen hatte er die Hinrichtung der Central Park Five gefordert, fünf Jugendliche aus Minderheitengruppen, die in Manhattan für ein Verbrechen angeklagt wurden, das sie nicht begangen hatten. Später wurden sie vollständig freigesprochen.

In seiner Rede vom Mittwoch stellte Trump in völlig verlogener Weise die Bedingungen in Chicago, wo diesen Monat mehr als 100 Menschen durch Schusswaffen getötet wurden, auf eine Stufe mit den Ereignissen in Portland (Oregon), wo das Heimatschutzministerium schwer bewaffnete Bundespolizisten gegen angebliche „anarchistische Mobs“ mobilisiert hat. Tatsächlich attackierte die Polizei Demonstranten, die fast alle friedlich gegen Polizeigewalt protestiert hatten.

Für beide Entwicklungen – Chicago und Portland – machte er seine politischen Gegner in der herrschenden Elite verantwortlich. Er behauptete, Politiker (offensichtlich meint er die Demokraten) hätten „die linksextreme Bewegung unterstützt, um unsere Polizeibehörden zu zerstören, so dass Gewaltverbrechen in ihren Städten wirklich ernsthaft außer Kontrolle geraten“.

Der Mann im Weißen Haus ist ein Lügner – und dabei nicht einmal ein guter, obwohl er sich ständig im Lügen trainiert. Keiner einzigen Polizeibehörde wurden die Mittel gestrichen, keine einzige wurde aufgelöst, und kein Politiker der Demokraten fordert solche Maßnahmen. Vielmehr verteidigen sie die Unterdrückungsmaschinerie des kapitalistischen Staates genauso wie Trump und die Republikaner.

Für die Welle von Todesfällen in Chicago ist nicht die „Schwäche“ der dortigen Polizei verantwortlich. Vielmehr ist Chicago, das seit Jahrzehnten von den Demokraten regiert wird, zum Synonym für Brutalität, Folter und Morde durch die Polizei geworden. Die derzeitige Bürgermeisterin Lori Lightfoot hat Karriere gemacht, indem sie unter ihrem Amtsvorgänger Rahm Emanuel die Polizeimorde verharmloste.

Die WSWS erklärte über Lightfoots Law-and-Order-Politik:

Die politische Rechte versucht seit langem, Chicago als chaotische und gesetzlose Stadt darzustellen. Tatsächlich konzentriert sich die Gewalt auf die tief verarmten Stadtviertel, in denen es die größte Bandentätigkeit gibt. Diese Gebiete waren auch am stärksten von der Deindustrialisierung und der Schließung von Schulen, psychiatrischen und anderen sozialen Einrichtungen betroffen, die die Demokratische Partei in der Stadt im Interesse der Wirtschaftsinteressen durchgeführt hat.

Die steigende Zahl der Todesfälle in den letzten Jahren ist ein Ausdruck des sozialen Niedergangs des gesamten kapitalistischen Systems, für das beide Parteien verantwortlich sind.

Trumps Wahlkampfteam hat 20 Millionen Dollar für eine Flut von Internetwerbespots ausgegeben, in denen die Ereignisse in Chicago und Portland auf eine Stufe gestellt werden. In einer Anzeige heißt es: „Gefährliche MOBS von linksextremen Gruppen wüten in unseren Straßen und verursachen völliges Chaos. Sie randalieren und ZERSTÖREN unsere Städte.“

Die Chicagoer Bürgermeisterin Lightfoot veröffentlichte am Mittwoch eine Erklärung, in der sie die „Unterstützung“ der Trump-Regierung akzeptierte und erklärte, die Bundespolizisten würden nicht auf den Straßen eingesetzt, sondern hinter den Kulissen. Sie werden nicht dem Heimatschutzministerium unterstehen, sondern der Staatsanwaltschaft der Region.

Mit anderen Worten, die von der Demokratischen Partei kontrollierte Lokalregierung Chicagos und die Bundesstaatsregierung von Illinois werden weiterhin die Polizeirepression anführen, während Trump einen Präzedenzfall schaffen will, um den Einfluss der Bundesregierung auszuweiten.

In Portland ist die Lage jedoch anders. In der Innenstadt wurde die städtische Polizei weitgehend durch Bundespolizisten ersetzt, die aus einem Bürogebäude der Bundesregierung und aus dem zwei Häuserblocks entfernten Bundesgericht operieren.

Vertreter des Bundesstaats Oregon beantragten am Mittwoch bei einer Gerichtsverhandlung eine einstweilige Verfügung eines Bundesrichters, die es den Bundespolizisten verbieten soll, unberechtigte Verhaftungen durchzuführen, ohne sich zu identifizieren. Die Justizministerin des Bundestaats Ellen Rosenblum verurteilte die „verfassungswidrigen Polizeistaatstaktiken“ des Heimatschutzministeriums.

Im Zusammenhang mit diesen Gerichtsverfahren wurden Dokumente veröffentlicht, laut denen das Heimatschutzministerium 114 Sicherheitskräfte einer bisher geheimen Organisation namens Rapid Deployment Force (Schnelle Eingreiftruppe) mobilisiert hat. Sie kommen aus der Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP, der Einwanderungsbehörde ICE und anderen Unterorganisationen des Ministeriums.

Die Operation in Portland wurde sorgfältig geplant, erhielt den militärisch klingenden Codenamen „Operation Diligent Valor“ (gewissenhafte Tapferkeit) und begann am 4. Juli mit der Stationierung der Bundespolizei in den zwei Bundesregierungsgebäuden. Dort warteten sie bis zum 17. und 18. Juli auf die Gelegenheit, gegen Demonstranten in der Innenstadt loszuschlagen. Sie trugen militärische Tarnuniformen und Marken mit dem Wort „Polizei“, aber keine Namensschilder oder Abzeichen ihrer Behörde oder Einheit. Sie benutzten Fahrzeuge ohne Nummernschilder und verhafteten Menschen ohne erkennbaren Anlass.

Senator Ron Wyden (Oregon) warnte am Mittwoch bei der Anhörung eines Ausschusses, in Portland werde ein Präzedenzfall geschaffen: „Wenn nicht sofort Grenzen aufgezeigt werden, könnte in Amerika schon bald mitten im Präsidentschaftswahlkampf das Kriegsrecht ausgerufen werden.“

Der ehemalige Gouverneur von Pennsylvania Tom Ridge (Republikaner), der unter George W. Bush erster Heimatschutzminister war, erklärte in einem Radiointerview: „Das Heimatschutzministerium wurde nicht als persönliche Miliz des Präsidenten gegründet.“

Doch der Spitzenkandidat der Demokraten, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, erwähnte in seiner Stellungnahme mit keinem Wort, welche Gefahren für die Demokratie von Trumps Versuch ausgehen, das Heimatschutzministerium in seine persönliche paramilitärische Streitmacht zu verwandeln.

Er erklärte: „Natürlich hat die US-Regierung das Recht und die Pflicht, Eigentum der Bundesregierung zu schützen. Die Regierung Obama-Biden hat Eigentum der Bundesregierung im ganzen Land beschützt, ohne dabei diese ungeheuerlichen Taktiken anzuwenden – und ohne die Spaltung in unserem Land zu schüren. Wir brauchen einen Präsidenten, der uns zusammenbringt, statt uns auseinanderzureißen; der beruhigt, anstatt aufzuhetzen; und der das Gesetz zuverlässig durchsetzt, statt seine eigenen politischen Interessen an erste Stelle zu setzen.“

Der „demokratische Sozialist“ Bernie Sanders, der sich zum Handlanger von Bidens Wahlkampf entwickelt hat, warnte seine Anhänger in einem Brief, Trumps Vorgehen zeige, „wie es in einem Polizeistaat zugeht“. Doch sein einziges Gegenmittel – abgesehen von der Wahl Bidens am 3. November – war ein Gesetzesentwurf, der „die Aktivitäten der staatlichen Streitkräfte in unseren Kommunen deutlich einschränken“ solle.

Ein solches Gesetz würde es nicht durch den Senat schaffen, der von den Republikanern dominiert wird. Und wenn doch, so würde Trump – gegen den es sich nominell richtet – sein Veto dagegen einlegen. Sanders versucht, seine ihm noch verbliebenen Anhänger davon abzuhalten, gegen den Kurs auf Diktatur vorzugehen, und richtet stattdessen nutzlose Appelle an das politische Establishment.

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