Commerzbank: Finanzinvestor Cerberus und Verdi gemeinsam gegen die Belegschaft

„Das hätte man nicht für möglich gehalten,“ frohlockte vor wenigen Tagen das Finanzmagazin Der Aktionär, als die Nachricht über ein Interview die Runde machte, das Verdi-Fachbereichsleiter Stefan Wittmann dem Manager Magazin gegeben hatte. Der Aktionär appellierte an die Aktienbesitzer der Commerzbank, sie sollten „an Bord bleiben“, denn jetzt „könnten alle Stakeholder an einem Strang ziehen“.

Auslöser dieses Jubels waren Aussagen Wittmanns, die den arbeiterfeindlichen Charakter der Gewerkschaft so deutlich wie selten sichtbar machen. Das Finanzmagazin fragte den Verdi-Sekretär, wie die Gewerkschaft den unerwarteten Rücktritt der beiden Topmanager der Commerzbank, des Vorstandschefs Martin Zielke und des Aufsichtsratsvorsitzenden Stefan Schmittmann, Anfang Juli bewerte.

Wittmann machte keinen Hehl aus seinem Groll gegen die beiden, denen er vorwirft, sie seien zu zaghaft vorgegangen. Sie seien überforderte Konflikt-Vermeider, die vor der Krise Reißaus nähmen. Die Gewerkschaft trage keine Mitschuld an der Misere. Sie habe immer eng mit der Unternehmensleitung zusammengearbeitet und frühzeitig Rationalisierungs- und Strukturmaßnahmen vorgeschlagen.

Es folgt ein Zitat, das jeden widerlegt, der behauptet, Verdi vertrete die Interessen der Arbeiter: „Wir haben uns nie per se gegen den Abbau von Arbeitsplätzen gesperrt. Wir haben auch die Schließung von Filialen nicht blockiert. Aber wir haben immer gesagt: Digitalisiert erst die Prozesse, bringt die Abläufe in Ordnung. Dann könnt ihr euch von dem Personal trennen, das ihr dadurch für verzichtbar haltet.“

Der „Umbauplan“ der Commerzbank sieht nach Informationen des Manager Magazins vor, „dass 10.000 Stellen wegfallen, 800 der 1000 Filialen geschlossen werden und am Ende eine Eigenkapitalrendite von 7 Prozent steht“. Ausgearbeitet wurde dieser Plan in Kooperation zwischen dem Management, den Aktionären – allen voran dem für rabiate Personalkürzungen bekannten Finanzfonds Cerberus – und der Bundesregierung, die seit der Finanzkrise immer noch 15 Prozent der Aktien hält.

Die Frage des Magazins, ob die Gewerkschaft da mitgehen könne, bejahte Wittmann: „Die Zahl 10.000 bis Ende 2023 ist zu hoch gegriffen. Aber eine hohe vierstellige Zahl an Arbeitsplätzen zu streichen – das können wir unter den richtigen Rahmenbedingungen hinnehmen.“ Um die Eigenkapitalrendite von 7 Prozent zu erreichen, müsse aber noch „an einigen Stellen nachgearbeitet werden“.

Wittmann ist kein Einzelfall, er repräsentiert eine Funktionärsclique, die in allen Gewerkschaften das Sagen hat. Sie führt die Arbeiter bewusst hinters Licht und verrät sie nach allen Regeln der Kunst.

So hat die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle im Spiegel-Interview erst vor wenigen Tagen den Stellenabbau bei der Lufthansa unterstützt: „Dass Kapazitäten abgebaut werden müssen, sind wirtschaftliche Entscheidungen, die nicht von vorneherein falsch sind“, erklärte sie.

Der Hamburger Airbus-Betriebsrat hat kürzlich darauf hingewiesen, dass man „nur mal an den flugzeugleeren Himmel schauen“ müsse, um zu verstehen, dass eine „Personalüberkapazität“ existiere und die IG Metall den Menschen „ein freiwilliges Verlassen [des Unternehmens] ermöglichen“ müsse.

Es ließen sich zahllose ähnliche Aussagen zitieren. Die „sozialverträglichen Lösungen“, die die Gewerkschaften dabei in der Regel vorschlagen, bedeuten nichts anderes, als Zustimmung zu Massenentlassungen und Sozialabbau bei gleichzeitiger Vermeidung großer sozialer Konflikte – soll heißen: Unterdrückung des Klassenkampfs.

Die IG Metall hat in der vergangenen Woche erklärt, nach ihren Berechnungen seien 300.000 Arbeitsplätze in der Metall- und Elektroindustrie unmittelbar bedroht. Gleichzeitig kündigte sie an, sie werde angesichts dieser Situation die Zusammenarbeit mit den Konzernleitungen und der Bundesregierung verstärken.

Die Corona-Krise hat die Wirtschaftskrise weltweit dramatisch verschärft. Viele Unternehmen nutzen die Pandemie, um seit Langem geplante Entlassungen, Lohnsenkungen und Sozialkürzungen durchzusetzen. Die Gewerkschaften reagieren, indem sie noch enger an die Regierung heranrücken. Sie fordern Strafzölle und Handelskriegsmaßnahmen zur Stärkung der deutschen Konzerne und unterstützen so die Vorbereitungen auf einen weltweiten Wirtschaftskrieg.

Weil diese Politik zur Verarmung der Bevölkerung, zu Altersarmut, zur Austrocknung des kulturellen Lebens und zur Verschlechterung der Ausbildung von Jugendlichen führt und der Widerstand dagegen wächst, unterstützen die Gewerkschaften auch die Aufrüstung der Polizei und Armee.

Wittmanns Aussage zeigt das wahre Gesicht der Gewerkschaften, die sich als Interessenvertretung der Arbeiter bezeichnen, aber in Wahrheit als Unternehmensberater arbeiten. Die World Socialist Web Site hat ihre Verwandlung in Co-Manager der Unternehmen seit Langem in zahlreichen Artikeln nachgewiesen.

Dieser Verwandlung der Gewerkschaften liegt eine objektive Entwicklung zugrunde. Während des Wirtschaftsaufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Gewerkschaften die Unterstützung des Kapitalismus noch mit reformistischen Verbesserungen des Lebensstandards verbinden. Solange die Industrie einen großen Teil ihrer Profite im nationalen Rahmen erzielte, konnten sie durch Streikmaßnahmen entsprechenden Druck ausüben.

Doch schon in den 70er Jahren wendete sich das Blatt. Die Deregulierung der Finanzmärkte im Laufe der 1980er Jahre produzierte die rasante Dynamik der Ausweitung kapitalistischer Produktion und des Handels auf globaler Ebene. Arbeiter konkurrierten nun auf globaler Ebene. Die Eingliederung Osteuropas, Russlands und Chinas in die kapitalistische Weltwirtschaft befreite die imperialistischen Staaten von jeder Zurückhaltung bei der Ausbeutung.

Die Gewerkschaften, der Möglichkeit nationaler Reformen beraubt, verwandelten sich in uneingeschränkte Handlanger der Kapitalinteressen. Sie strebten danach, „ihre“ Unternehmen „konkurrenzfähig“ zu machen durch immer weiter gehenden Abbau der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter. Die Gewerkschaftsführer verteidigten damit ihre eigenen Interessen als gutbezahlte Funktionäre, Aufsichtsratsmitglieder und Betriebsräte.

Diese Entwicklung hat weltweit stattgefunden. In den USA haben Autoarbeiter in einigen Werken eine regelrechte Rebellion gegen die Gewerkschaften begonnen und angefangen, sich in unabhängigen Aktionskomitees zu organisieren, um gegen die unerträglichen Arbeitsbedingungen und die Corona-Ansteckungsgefahr zu kämpfen.

Die Propaganda von „Sozialpartnerschaft“ und „gleichen Interessen“ von Kapital und Arbeit wird tagtäglich widerlegt. Die aus der Corona-Pandemie resultierende Verschärfung und Beschleunigung der Wirtschaftskrise bringt den Klassengegensatz offen zum Ausbruch.

Die Bundesregierung will die Hegemonie der deutschen Wirtschaft in Europa sichern, um sich auf dem Weltmarkt als Konkurrent zu den USA und China zu behaupten. Dazu hat sie ein umfangreiches militärisches Programm aufgelegt, dessen Finanzbedarf auf Kosten der Ausgaben im Sozialbereich, der Bildung, des Umweltschutzes und anderer wichtiger Bedürfnisse der Bevölkerung gesichert werden soll.

Das stößt auf massive Opposition. Die demokratischen Strukturen brechen immer deutlicher zusammen. Polizei, Armee und Geheimdienste werden aufgerüstet, um die Auflehnung der Bevölkerung gegen diese offensichtlichen Kriegsvorbereitungen zu unterdrücken. In Deutschland weiß man, wo das hinführt.

Um eine Entwicklung wie in den 1930er Jahren zu verhindern, muss die Arbeiterklasse eingreifen und für ein internationales sozialistisches Programm kämpfen.

Wir appellieren an alle Arbeiter, sich diese Situation bewusst zu machen, mit Kollegen darüber zu diskutieren, Aktionskomitees in Betrieben, Verwaltungen, an allen Arbeitsplätzen aufzubauen und sich gegen die Allianz von Kapital und Gewerkschaft zusammenzuschließen. Nehmt Kontakt mit der WSWS auf, um mit der Sozialistischen Gleichheitspartei eine internationale Massenbewegung für sozialistische Politik aufzubauen.

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