Perspektive

Parteitag der Socialist Equality Party (USA) verabschiedet Resolution zur Corona-Pandemie und dem Kampf für Sozialismus

Vom 19. bis zum 24. Juli 2020 hielt die Socialist Equality Party der Vereinigten Staaten ihren sechsten Nationalen Parteitag ab. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Versammlung ausschließlich online statt.

Der Parteitag findet alle zwei Jahre statt, und für gut ein Drittel der Teilnehmer war es das erste Mal, dass sie dabei waren. Führungsmitglieder aller Sektionen und Sympathisantengruppen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) überbrachten solidarische Grüße.

Fünf Tage lang diskutierten und verabschiedeten die Teilnehmer eine Resolution mit dem Titel "Die globale Pandemie, der Klassenkampf und die Aufgaben der Socialist Equality Party (USA)", die am Samstag erstmals auf der World Socialist Web Site veröffentlicht wurde und heute in deutscher Sprache erscheint.

Die Resolution enthält eine umfassende Analyse des historischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kontextes der Pandemie und ihrer revolutionären Auswirkungen. Sie definiert die Pandemie als ein "auslösendes Ereignis“ der Weltgeschichte, das die bereits weit fortgeschrittene wirtschaftliche, soziale und politische Krise des kapitalistischen Weltsystems beschleunigt. Dazu heißt es in der Resolution:

Die Arbeiterklasse ist mit einer Krise konfrontiert, deren einzige fortschrittliche Lösung im revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus besteht. Dazu müssen die Arbeiter die Staatsmacht erobern, eine demokratische Kontrolle über die Wirtschaft errichten und die Anarchie des Marktes durch wissenschaftliche Planung ersetzen. Das reaktionäre System der Nationalstaaten muss durch eine globale sozialistische Gesellschaft ersetzt werden, die sich soziale Gleichheit und die Abschaffung von Armut und Diskriminierung, eine deutliche Erhöhung des Lebensstandards und des kulturellen Niveaus sowie den Schutz der Umwelt zum Ziel setzt.

In der Resolution wird die Krise, die die Pandemie ausgelöst hat, in einem breiteren historischen, sozioökonomischen und politischen Kontext analysiert:

Die spezifischen Umstände, die zum Ausbruch des Coronavirus führten, waren zufälliger Art. Doch die Reaktion auf die Pandemie ist bestimmt von den Interessen der herrschenden Klasse und der bereits zuvor schwelenden Krise des kapitalistischen Systems. Die Bourgeoisie führt die parasitären Wirtschaftsbeziehungen und die Sozialpolitik aus der Zeit vor der Krise fort.

Ein zentrales Thema des Dokuments besteht darin, die Pandemie als einen Wendepunkt der Geschichte aufzufassen. Ihre Auswirkungen werden den Verlauf des 21. Jahrhunderts entscheidend prägen, so wie der Erste Weltkrieg das zwanzigste Jahrhundert geprägt hatte. Die Resolution weist die Auffassung zurück, dass der Kampf gegen die Pandemie in erster Linie ein medizinisches Problem sei. Dazu heißt es: "Genau wie ein Aufstand der Arbeiterklasse nötig war, um den Ersten Weltkrieg zu beenden, müssen die Arbeiter auch heute bewusst den Kampf gegen den Kapitalismus aufnehmen, damit die Gesellschaft dem Virus etwas entgegensetzen kann."

Die Resolution untersucht die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Logik, die den Ereignissen des letzten Halbjahres zugrunde liegt. „Um die gegenwärtige Situation zu verstehen und einen Kurs für die Zukunft festzulegen, bedarf es einer Analyse der Krise in den Vereinigten Staaten, die zum globalen Zentrum der Pandemie geworden sind.“

Die Resolution unterscheidet in der Entwicklung der Krise drei verschiedene Phasen.

Die erste Phase dauerte vom Dezember 2019 bis zum 27. März 2020, und sie umfasste den "Ausbruch der Pandemie, die Unterdrückung von Informationen und die Rettung der Konzern- und Finanzelite“. In dieser Zeit trafen die Trump-Regierung und die Demokraten und Republikaner im Kongress katastrophale Entscheidungen. Sie räumten der Rettung von Banken, Großkonzernen und mächtigen Investoren an der Wall Street Vorrang ein. Dies war für sie wichtiger, als Menschenleben zu schützen und die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen.

Anstatt Maßnahmen zu ergreifen, um die Pandemie zu stoppen, verfolgte die herrschende Klasse eine Politik der "böswillige[n] Untätigkeit“, weil sie die Auswirkungen des Virus auf die Märkte fürchtete. Sie nutzte die Monate Februar und März, um eine mehrere Milliarden Dollar schwere Rettungsaktion für die Wall Street vorzubereiten und umzusetzen. Dies gipfelte am 27. März in der Verabschiedung des sogenannten CARES-Gesetzes, das Demokraten wie Republikanern fast einstimmig annahmen.

Zwar versuchte die herrschende Klasse, jegliche Reaktion auf die Pandemie in der Bevölkerung zu unterdrücken. Aber die Resolution lenkt die Aufmerksamkeit auf den Widerstand in der Arbeiterklasse:

Im Gegensatz zur Politik der „böswilligen Untätigkeit“ der herrschenden Klasse begann die Arbeiterklasse Maßnahmen zu ergreifen, um sich vor der Pandemie zu schützen. Arbeiter bei Instacart, Amazon und Whole Foods organisierten Streiks und Protestaktionen. Spontane Proteste von Autoarbeitern in den Vereinigten Staaten und Kanada fielen mit einer Welle von Streiks und Protesten in Europa zusammen. Artikel der WSWS und Erklärungen der SEP – darunter das Statement vom 14. März 2020: „Legt die Autoindustrie still, um die Ausbreitung des Coronavirus aufzuhalten!“ – wurden von Zehntausenden Arbeitern gelesen und geteilt. Unter dem wachsenden Druck der Arbeiterklasse und vor dem Hintergrund der laufenden Vorbereitungen der Rettungspakete sahen sich die Regierung und die Bundesstaaten gezwungen, einen Lockdown zu verhängen.

Die zweite Phase, die die Wochen vom 27. März bis zum 31. Mai 2020 umfasste, war von der rücksichtslosen "Back-to-work"-Kampagne der herrschenden Klasse geprägt. In diese Zeit fällt auch der Ausbruch von Protesten gegen die Polizeigewalt. Die Resolution blickt zurück auf die parteiübergreifende Kampagne, mit der das Establishment eine Rückkehr an die Arbeit erzwingen wollte. Sie begann mit einer Kolumne von Thomas Friedman in der New York Times, in der er eine Politik der "Herdenimmunität" befürwortete. Die Resolution zitiert die Warnungen der SEP und der WSWS vor dieser Politik, die zwangsläufig zu einer Explosion neuer Covid-19-Infektionen und Todesfälle führen musste.

Die Resolution geht näher auf die umfangreichen multiethnischen und multirassischen Proteste gegen Polizeigewalt ein, die sich Ende Mai, nach dem Mord an George Floyd, in den USA und international ausbreiteten:

Zwar entzündeten sich die Proteste an Polizeigewalt, doch ihre Ursachen lagen in der Wut über den seit Jahren fallenden Lebensstandard, die niederschmetternde Verschuldung der Jugend und ihre desolaten Zukunftsaussichten, in der allgegenwärtigen sozialen Ungleichheit und ihren Folgen, den Angriffen auf demokratische Grundrechte und in der Unmöglichkeit, im Rahmen der politischen Strukturen des Zweiparteiensystems sinnvolle Veränderungen und Verbesserungen der sozialen Verhältnisse herbeizuführen.

Die dritte Phase begann mit der Pressekonferenz von Trump am 1. Juni im Weißen Haus. Dort erklärte er seine Absicht, sich auf das Aufstandsgesetz zu berufen, um das Militär gegen die Proteste einsetzen zu können. Damit leitete die Regierung ihre Versuche ein, eine Präsidialdiktatur zu errichten. Obwohl dieser erste Putschversuch nicht erfolgreich war, warnte die SEP in einer Erklärung vom 4. Juni, die in der Resolution zitiert wird: „Nichts könnte gefährlicher sein als der Glaube, die Krise sei vorüber. Sie hat vielmehr gerade erst begonnen.“

Diese Warnung bestätigte sich noch im Verlauf des Parteitags, als auf Trumps Kommando paramilitärische Bundestruppen nach Portland (Oregon) verlegt wurden. Im Vorgriff auf Trumps jüngste Drohungen von letzter Woche, die November-Wahlen zu verzögern oder abzusagen, enthält die Resolution die Warnung: „Unabhängig davon, welche Partei die Wahl gewinnt – und das setzt die fragwürdige Annahme voraus, dass die Wahl stattfinden wird – werden die üblen Tendenzen, die sich während der Trump-Administration zeigten, anhalten und sich verschlimmern.“

Auf Trumps Truppenverlegung nach Portland reagierten die Demokraten, indem sie jegliche Opposition dagegen dem Militär überließen. Gleichzeitig verschärften sie ihre eigene Kampagne, um den gesellschaftlichen Widerstand in ungefährliche Bahnen zu lenken. „Die mit der Demokratischen Partei verbündeten Elemente der Kapitalistenklasse und der wohlhabenden Mittelschicht“, so die Resolution, „reagieren stets äußerst sensibel auf jedes Anzeichen von Militanz der Arbeiterklasse und den Einfluss sozialistischer Ideen. Nun griffen sie ein, um die Demonstrationen zu kapern und sie entlang rassistischer Linien in die Irre zu führen.“

Ausführlich diskutierten die Kongressdelegierten über die Hintergründe der rassistischen Kampagne der Demokraten im Zusammenhang mit dem 1619-Projekt der New York Times, das darauf abzielt, die amerikanische Geschichte neu zu schreiben:

In ihrer Entschlossenheit, die Protestbewegung zu desorientieren und das Anwachsen des Klassenkampfs zu unterdrücken, intensivierte die New York Times ihre Kampagne gegen die amerikanische Revolution, den Bürgerkrieg und deren wichtigste Führer. Begonnnen hatte diese Kampagne im August 2019 mit der Veröffentlichung des „1619 Project“. Die zunächst legitime Forderung, Denkmäler führender Konföderierter zu entfernen, wurde zum Anlass genommen, Statuen zu verunstalten und zu zerstören, die an das Leben und Wirken von Washington, Jefferson, Lincoln, Grant und sogar eines prominenten Abolitionisten erinnern.

Ungeachtet aller Versuche, „Rasse“ in den Mittelpunkt der Politik zu stellen, erklärt die Resolution entschieden: „[D]ie überwältigende soziale Realität der Vereinigten Staaten [besteht] in der wirtschaftlichen Ungleichheit, die in der Klassenspaltung der Gesellschaft wurzelt.“

Die Resolution warnt auch vor den gigantischen Kriegsvorbereitungen der Vereinigten Staaten. Sowohl Trump als auch die Demokraten setzen sich außerdem für eine Ausweitung des Krieges im Ausland ein. In der Resolution heißt es:

Während der Pandemie hat die Kriegstreiberei der Vereinigten Staaten niemals nachgelassen. US-Außenminister Michael Pompeo reiste von einem Termin zum nächsten, um Unterstützung für die amerikanischen Drohungen gegen Russland und seinen wichtigsten geopolitischen Rivalen China zu fordern. Die Trump-Regierung hat versucht, Feindseligkeit zu erzeugen, indem sie ständig vom „Wuhan-Virus“ sprach und sich ohne jeden Beweis zu der Behauptung verstieg, dass China die amerikanische Bevölkerung infizieren wollte.

Die Resolution warnt:

Die Gefahr eines Krieges darf nicht unterschätzt werden. Das 20. Jahrhundert ist reich an Beispielen dafür, wie krisengeschüttelte Regierungen – Hitler ist das berüchtigtste Beispiel – eine als verzweifelt empfundene Krise innerhalb des eigenen Landes durch Krieg zu lösen versuchen.

Auf der Grundlage der Analyse der vergangenen sieben Monate entwirft die Resolution eine Perspektive und ein Aktionsprogramm für die kommenden Wochen und Monate:

Die erste Hälfte des Jahres stand ganz im Zeichen der Reaktion der herrschenden Klasse auf die Pandemie. In der zweiten Hälfte wird die Reaktion der Arbeiterklasse in den Vordergrund rücken. Die katastrophalen Folgen der Politik der herrschenden Klasse haben der Legitimität des kapitalistischen Systems einen schweren Schlag versetzt. Die Reaktion der Unternehmen auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch – Massenentlassungen, Lohnkürzungen, Forderungen nach einer weiteren Kürzung der Ausgaben für Medicare, Medicaid, soziale Sicherheit und andere wichtige und bereits unterfinanzierte Sozialprogramme – wird in der Arbeiterklasse auf wachsenden Widerstand stoßen. Der Widerstand gegen die Arbeit unter unsicheren Bedingungen und gegen die Wiedereröffnung von Schulen, die die Verbreitung des Coronavirus erleichtert, wird zunehmen. Es wird Widerstand gegen Zwangsräumungen und Zwangsvollstreckungen geben. Daher sieht die Socialist Equality Party eine enorme Zunahme des Kampfs der Arbeiterklasse voraus, der durch die Intervention der Partei einen klassenbewussten und antikapitalistischen Charakter annehmen wird.

Bei der Darstellung der Aufgaben der Socialist Equality Party erklärt die Resolution die Bedeutung von "Übergangsforderungen". Bei ihnen geht es darum,

die sich aus einer konkreten Situation ergebenden Fragen und Bedürfnisse mit der Strategie der sozialistischen Revolution zu verbinden. Im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie stellt die SEP folgende Forderungen auf und wird für sie kämpfen: ein Ende der skrupellosen und kriminellen Kampagne für die Rückkehr in die Betriebe, die Aufhebung der Rettungsaktion für Großunternehmen und die Wall Street, ein Notprogramm, um allen Arbeitslosen wirtschaftliche Sicherheit zu bieten und die Infrastruktur des Gesundheitswesens erheblich auszuweiten, die Enteignung des Reichtums der Unternehmens- und Finanzelite zur Bewältigung der dringenden sozialen Krise, mit der Dutzende Millionen Menschen konfrontiert sind, und demokratische Arbeiterkontrolle über die großen Banken und Unternehmen, die in das Eigentum der Arbeiterklasse übergehen müssen.

In der Diskussion der Resolution betonten die Kongressdelegierten die Beziehung, die zwischen der Entwicklung der objektiven Situation und dem Handeln der Socialist Equality Party besteht. Ausführlich wurde über die Erfahrungen der SEP bei der Gründung von Aktionskomitees in Fabriken und Betrieben diskutiert. In den letzten Wochen hatten Arbeiter in mehreren Fabriken solche Sicherheitskomitees gegründet, um sich vor der Bedrohung durch eine Virusinfektion zu schützen.

Die Änderungen und Ergänzungen, die die Delegierten im Lauf der Diskussion vorgeschlagenen hatten, wurden in den endgültigen Entwurf der Resolution eingearbeitet. Die Abstimmung über die Resolution wurde online durchgeführt. Sie wurde einstimmig angenommen.

Die Kongressdelegierten wählten einen neuen Parteivorstand. Dessen Mitglieder wählten Joseph Kishore erneut zum Nationalen Sekretär, Lawrence Porter zum stellvertretenden Nationalen Sekretär und Barry Grey zum Redaktionsleiter der amerikanischen World Socialist Web Site. Schließlich wählten die Kongressdelegierten David North erneut zum Nationalen Vorsitzenden.

Die Resolution des Parteitags bietet eine unvergleichliche Analyse der Krise, welche die Pandemie ausgelöst hat, und ist auf die Entwicklung von sozialistischem Klassenbewusstsein und das unabhängige Handeln der Arbeiterklasse ausgerichtet. Sie gibt eine Richtung für revolutionäre Politik und die Entwicklung einer sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse vor. Sie verdient es, dass Arbeiter und Jugendliche in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt sie sorgfältig studieren.

Lest die Resolution, „Die globale Pandemie, der Klassenkampf und die Aufgaben der Socialist Equality Party (USA)“. Um Kontakt mit der SEP und dem IKVI aufzunehmen und ihnen beizutreten, klicke bitte hier.

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