USA: Massiver Anstieg von Covid-19 nach Beginn der Schulöffnungen

In den letzten zwei Wochen haben zahlreiche Schulbezirke in den USA den Präsenzunterricht wieder aufgenommen. Infolgedessen kam es zu mehreren schweren Ausbrüchen von Covid-19. Tausende von Schülern, Lehrkräften, Schulbeschäftigten und Eltern waren betroffen. Da in den nächsten Wochen Dutzende Millionen Kinder in die Schulen zurückkehren sollen, drohen enorme Gefahren.

Die genaue Ausbreitung der Krankheit in den Schulen ist nicht bekannt, da die Schulöffnungen nicht landesweit koordiniert werden. Bundesstaaten und Schulbezirke haben nicht nur unterschiedliche Richtlinien dafür, was als „sichere“ Öffnung gilt, sondern auch in der Frage, ob und wie Ausbrüche von Covid-19 registriert und wie die Daten veröffentlicht werden. Im ganzen Land gibt es fast 14.000 Schulbezirke, die auf sich allein gestellt sind.

Einige der Ausbrüche an amerikanischen Schulen in den letzten zwei Wochen:

  • In Georgia, wo Gouverneur Brian Kemp keine Maskenpflicht in Schulen verfügt hat, wurden aus dem Schulbezirk Cherokee County seit der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts am 3. August mindestens 84 Fälle gemeldet. Weitere 1.400 Schüler, Lehrer und Beschäftigte in 22 Schulen dieses Bezirks standen in engem Kontakt mit den positiv Getesteten und wurden für zwei Wochen unter Quarantäne gestellt.
  • Die North Paulding High School, ebenfalls in Georgia, musste am Montag und Dienstag schließen, nachdem ein Schüler Fotos und Videos von Schülern ohne Masken in engen Fluren ins Internet gestellt hatte. Eigentlich wollte die Schule am Mittwoch wieder öffnen, doch bis dahin wurden bereits 35 Fälle gemeldet und die Schließung wurde bis nächste Woche verlängert.
  • Im Schulbezirk Houston County, Georgia, wurde an mindestens sieben Schulen mindestens ein positiver Fall gemeldet. Daneben wurde eine unbekannte Zahl von Schülern unter Quarantäne gestellt.
  • An den Delaware Community Schools in Muncie (Indiana) wurden diese Woche 228 Schüler an fünf Schulen in Quarantäne geschickt, weil sie Symptome von Covid-19 zeigten oder mit einem positiv getesteten Spieler des Footballteams der Delta High School in Kontakt gekommen waren.
  • In Livingston Parish (Louisiana) befinden sich 141 Schüler und 17 Lehrer und Schulbeschäftigte in Quarantäne, sieben von ihnen wurden positiv getestet. In Jefferson Parish sind alle 75 Erstklässler sowie sechs Lehrkräfte der Dr. John Ochsner Discovery Health Sciences Academy in Quarantäne, nachdem ein Schüler positiv getestet wurde.
  • In Alabama wurden an zwei Standorten der Enterprise City Schools drei Schüler positiv getestet. Etwa 120 mussten in Quarantäne, 27 davon mit Symptomen, der Rest wegen engen Kontakts mit Infizierten.
  • In Oahu und Kauia, Hawaii, wurden 19 Fälle und eine unbekannte Zahl von Quarantänen in mindestens sechs verschiedenen Schulen gemeldet.
  • Im Schulbezirk Manteca Unified in Kalifornien wurden während der ersten zwei Wochen nach Wiederaufnahme des Unterrichts zwei Lehrer und zwei Schulbeschäftigte positiv getestet, mehr als ein Dutzend Lehrer sind in Quarantäne.
  • An der South Jones High School im Jones County, Mississippi, wurden zwei Schüler positiv getestet und sieben weitere unter Quarantäne gestellt.
  • Diese Entwicklung vollzieht sich weltweit. In Deutschland wurde Covid-19 in Berlin bei Schülern und Beschäftigten an acht Schulen nachgewiesen, seitdem die Schulen diese Woche wieder geöffnet wurden.

Die Rückkehr zum Präsenzunterricht findet statt, während die Corona-Pandemie noch immer in einem Großteil der USA wütet. Seit dem 3. August, an dem in vielen Schulen der Präsenzunterricht wieder aufgenommen wurde, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den USA 11.580 neue Todesfälle durch Covid-19 und mehr als 575.000 neue Fälle gemeldet.

Diese Schutzwand aus Plastik, die ein Lehrer gebaut hat, wird von der Schulverwaltung nicht erlaubt.

In den letzten zwei Juliwochen wurden in den USA mindestens 97.000 Kinder positiv getestet. Aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge können Kinder nicht nur schwer an Covid-19 erkranken, sondern die Krankheit auch viel stärker verbreiten als Erwachsene. Das Journal of the American Medical Association (JAMA) veröffentlichte vor kurzem eine Studie, laut der Säuglinge und Kleinkinder nach einer Infektion mit Covid-19 im Rachen und in den Atemwegen 100-mal mehr Viren haben können als Erwachsene.

Die Lehrer und Schüler in den USA werden von der Regierung unter immensen Druck gesetzt, die lebensgefährliche Rückkehr in die Schulen zu akzeptieren. Für die herrschende Klasse ist dies ein wichtiger Bestandteil ihrer Bestrebungen, die Masse der Arbeiter wieder in die Betriebe zu zwingen.

Als Reaktion auf die Pandemie haben Demokraten und Republikaner nahezu einstimmig den CARES Act verabschiedet, der den Banken und dem Großkapital Billionen Dollar zur Verfügung stellt. Jetzt geht es ihnen darum, dieses Geld durch Lohnsenkungen, Produktivitätssteigerungen und weitere Angriffe auf Sozialleistungen wieder aus der Arbeiterklasse herauszupressen. Doch dazu müssen die Arbeiter in den Betrieben und ihre Kinder in der Schule sein.

Ein Social-Media-Post mit einem Bild der dürftigen Schutzausrüstung, die ein Lehrer erhalten hat.

Deshalb unterstützen beide Parteien die unverantwortliche Eile bei den Schulöffnungen – nicht nur Republikaner wie Trump, DeVos und der Gouverneur von Florida, Ron de Santis, sondern auch Demokraten wie der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo, der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio oder die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer. DeSantis hatte Lehrer am Donnerstag mit Navy-Seals verglichen, die „Hindernisse“ überwinden müssen, ähnlich wie die Kommandos, die Osama bin Laden getötet haben.

Die Kampagne zur Wiedereröffnung der Schulen stößt zunehmend auf Widerstand unter Lehrkräften, Beschäftigten des Bildungswesens, Eltern und Schülern. Abgesehen von zahlreichen Autokorsos und anderen Demonstrationen bringen Lehrer und Schüler auch in den sozialen Netzwerken ihren Widerstand zum Ausdruck und enthüllen die katastrophalen Bedingungen in den Schulen. Die Schulverwaltungen haben darauf mit Drohungen und Tadeln reagiert.

An der Spitze der Kampagne zur Wiedereröffnung der Schulen steht die Trump-Regierung. Sie verschärft die Angriffe auf das Bildungswesen und schürt gleichzeitig Konflikte zwischen Lehrern und Eltern. Am Mittwoch trat Trump bei einer live übertragenen Veranstaltung auf, die unter dem Motto stand: „Kinder zuerst: Amerikas Kinder wieder sicher in die Schulen bringen“. Dort forderte er mehrfach, den Schulen die Mittel zu kürzen, wenn sie den Betrieb nicht mit voller Kapazität wieder aufnehmen. Bildungsministerin Betsy DeVos verleumdete die Lehrkräfte mit der Aussage, Kinder dürften nicht „für anderer Leute Ängste oder Absichten missbraucht werden“.

Die Behörden der Bundesstaaten und Kommunen schließen sich Trumps Kurs an und bestrafen diejenigen, die protestieren oder Gesundheit und Sicherheit schützen wollen. In El Mirage (Arizona) droht einem Musiklehrer eine Geldstrafe von 2.000 Dollar, weil er gekündigt hat, ohne seine Schule rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Er hatte sich geweigert, im Schulgebäude anzutreten, um von dort aus virtuellen Unterricht zu halten und sich dem Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 auszusetzen. Ein Sprecher des Dysart Unified School District erklärte, der Schulbezirk könne die Strafe bei einem medizinischen Notfall zwar aussetzen, habe sich aber dagegen entschieden, damit die Klassenzimmer während der Pandemie besetzt sind.

Die Schüler, die die gefährlichen Bedingungen in der North Paulding High School in Georgia aufdeckten, wurden wegen nicht genehmigtem Einsatz von Smartphones in der Schule suspendiert. Ihr Direktor drohte einigen anderen mit „Konsequenzen“, wenn sie irgendetwas „Negatives“ in den sozialen Netzwerken posten. Die Suspendierung wurde erst aufgehoben, nachdem Lehrer und Schüler dagegen protestierten und die Schule durch die viralen Leaks landesweit Aufsehen erregte.

Oberschulrat Nikolai Vitti vom Public Schools Community District in Detroit drohte Lehrern, die die Zustände in den sozialen Netzwerken enthüllten. In einer E-Mail mit dem Titel „Schutz der Meinungsfreiheit von Angestellten und deren Grenzen“ beschreibt er „Richtlinien, die Angestellten helfen, Situationen zu vermeiden, in denen ihre Meinungsäußerung mit den Interessen des Bezirks in Konflikt geraten“. Eine dieser „Richtlinien“ lautet: „Ein Lehrer darf keine Meinung äußern, um Schüler von den Ansichten der Lehrkraft zu überzeugen.“

Eine Lehrerin schreibt zu diesem Bild, dies sei ihre Schutzausrüstung für das ganze Schuljahr.

Dennoch äußern Tausende von Lehrern in den sozialen Medien ihren Widerstand, enthüllen die Zustände und verbreiten Informationen. Vor allem Facebook-Gruppen mit Tausenden oder sogar Zehntausenden von Lehrern sind in den letzten Wochen entstanden. Beispiele dafür sind die Iowa Educators for a Safe Return to School mit 21.567 Mitgliedern, die Illinois for a Safe Return to Campus (32.583 Mitglieder), die Texas Teachers for Safe Reopening (47.973 Mitglieder) und die Parents Against the Opening of Schools (113.505 Mitglieder).

Lehrer posten Fotos von den unzureichenden Reinigungsmitteln und Schutzausrüstungen, die sie von den Schulen erhalten. Eins davon zeigt eine einzelne Maske, ein Paket alkoholgetränkte Tücher und eine Flasche Desinfektionsmittel, der Text lautet: „Das ist die Schutzausrüstung, die mir die Schule für das ganze Jahr gegeben hat.“ Ein anderer Lehrer spottete: „Scheinbar haben sie die Urne für meine Asche vergessen.“

Viele Lehrer posteten Bilder von Schutzwänden aus Plastik, die sie mit eigenen Mitteln gebaut haben. Allerdings erfuhren sie daraufhin von den Schulverwaltungen, dass solche selbstgebauten Schutzvorrichtungen nicht erlaubt sind.

Ein Lehrer, der eine solche improvisierte Schutzwand gebaut hatte, schrieb: „Ich bin im Sommer an Covid erkrankt und habe einen dauerhaften Herzschaden davongetragen (aortisches Aneurysma). Weil ich also besonders gefährdet bin, habe ich mir eine kreative Art ausgedacht, mich zu schützen. Meine größte Klasse besteht aus 40 Schülern, die Tische sind 30 bis 40 Zentimeter voneinander entfernt, und wir haben keine Trennwände. Mir wurde gesagt, das wäre nicht genehmigt und muss abgebaut werden. Weiß jemand warum? Mit wem kann ich darüber reden?“

Trotz dieser Katastrophe arbeiten die Gewerkschaften American Federation of Teachers (AFT) und National Education Association (NEA) weiterhin mit den staatlichen und lokalen Behörden zusammen und verbreiten die Lüge, die Wiedereröffnung der Schulen sei sicher. In Chicago, Los Angeles und anderen Städten haben die Gewerkschaften ausgehandelt, dass der Schulbetrieb mit Online-Unterricht starten wird. Das ist jedoch ein Manöver, das eine Revolte der Lehrer und Eltern verhindern soll und den Demokraten mehr Zeit verschafft, um sich auf eine vollständige Wiedereröffnung vorzubereiten.

Der wachsende Widerstand der Lehrkräfte, sonstigen Schulbeschäftigten, Eltern und Lehrer gegen die Bestrebungen, die Schulen wieder zu öffnen, muss organisiert und über alle Grenzen von Schulbezirken und Bundesstaatsgrenzen hinweg organisiert und vereint werden. Die Socialist Equality Party (SEP) ruft alle Gegner der Schulöffnung dazu auf, in alle Schulen und Wohnvierteln ein Netzwerk aus Sicherheitskomitees zu bilden, das, unabhängig von den Gewerkschaften ist, um einen landesweiten Generalstreik gegen die Schulöffnung und für die Schließung aller bereits geöffneten Schulen vorzubereiten. Gleichzeitig sollten diese Komitees die vollständige Lohnfortzahlung an Eltern und Pflegende fordern, die wegen ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen; außerdem ein massives Finanzierungsprogramm, um Highspeed-Internet und moderne Online-Unterrichtsmaterialien zu beschaffen, sowie allgemein verfügbare Tests und Kontaktverfolgung, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

In ihrem Kampf gegen das politische Establishment haben Lehrkräfte, Schulpersonal, Eltern und Schüler mächtige Verbündete im Rest der Arbeiterklasse: Autoarbeiter, Arbeiter der Logistik-, Dienstleistungs- und Gesundheitsbranche. Auch sie sollen unter unsicheren Bedingungen wieder an die Arbeit zurückgezwungen werden. In allen Branchen müssen Netzwerke von Sicherheitskomitees gegründet werden, um die Arbeiterklasse in einem gemeinsamen Kampf gegen das kapitalistische System und beide Parteien des Großkapitals zu vereinen.

Wir rufen alle, die an einem solchen Kampf teilnehmen wollen, dazu auf, sich mit uns in Verbindung zu setzen und den WSWS Educators Newsletter zu abonnieren, um die Entwicklungen im Kampf gegen die unsichere Schulöffnung und zur Verteidigung des öffentlichen Bildungswesens zu verfolgen.

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