USA: Massenkrankmeldung erzwingt Schulschließung in Arizona – Wachsende Zustimmung für landesweiten Streik

Am Montag erzwangen Lehrer und Schulbeschäftigte aus Phoenix (Arizona) durch einen Krankheitsstreik die erneute Schließung der Schulen im J.O. Combs Unified School District, der etwa 80 Kilometer von der Hauptstadt des Bundesstaates entfernt liegt. Am gleichen Tag hätte dort der Präsenzunterricht wieder aufgenommen werden sollen. Ihr Arbeitskampf ist beispielhaft für den zunehmenden Widerstand der Lehrkräfte und der Dynamik hin zu einem landesweiten Streik gegen die riskante Wiedereröffnung der Schulen, solange die Pandemie weiter in den USA wütet.

Bis Freitag hatten sich 109 der 600 Lehrer und Schulbeschäftigten in dem Vorort von Phoenix krank gemeldet. Sie widersetzten sich damit der Anweisung der Schulbehörde, den Präsenzunterricht wieder aufzunehmen, obwohl das Gebiet einer der Hotspots von Covid-19 ist. Aufgrund der „unzureichenden Personaldecke“ infolge einer „hohen Zahl von Abmeldungen aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen“ wurden der gesamte Unterricht einschließlich des Online-Unterrichts bis auf Weiteres eingestellt.

Im benachbarten Schulbezirk Queen Creek, der ebenfalls im San Tan Valley liegt, wurden die Lehrkräfte in provokanter Weise aufgefordert, am Montag wieder in die Schulgebäude zurückzukehren und Onlineunterricht zu halten, obwohl die Lehrer betonten, sie könnten dies von zu Hause aus viel einfacher und sicherer tun. Als Reaktion darauf kündigten Dutzende von Lehrern aus Queen Creek ihre Stellen.

Die Lehrerin Lisa Vaaler beteiligte sich Anfang des Jahres an der Protestveranstaltung #2Return2SchoolSafely Motor March in Phoenix. (AP Photo/Ross D. Franklin)

Die Schulen werden wieder geöffnet, obwohl beide Bezirke die Kriterien des Gesundheitsministeriums von Arizona für eine sichere Wiederaufnahme des Unterrichts nicht erfüllen. Tatsächlich erfüllt kein einziger Schulbezirk im ganzen Bundesstaat die Vorgaben: einen Rückgang der wöchentlichen Neuinfektionen auf unter 100 von 100.000 über einen Zeitraum von zwei Wochen, eine Infektionsrate von unter sieben Prozent über zwei Wochen und eine Rate von Krankenhauseinweisungen unter zehn Prozent über zwei Wochen. Am Sonntag vermeldete Arizona 800 neue Fälle und 14 Todesopfer, womit die Gesamtzahlen auf 193.537 Infektionen und 4.506 Tote angestiegen sind. Die Infektionsrate liegt momentan bei acht Prozent, und 80 Prozent der Intensivpflegebetten sind belegt.

Gouverneur Doug Ducey, ein enger Verbündeter von Präsident Trump, hatte letzte Woche seine Forderung bekräftigt, die Schulen in Arizona am 17. August wieder zu öffnen, obwohl dies ein Verstoß gegen die Sicherheitsvorgaben seiner eigenen Regierung ist. Um sich gegen die Folgen dieser mörderischen Politik abzusichern, erklärte Ducey, die einzelnen Schulbezirke sollten selbst entscheiden, in welcher Form sie den Unterricht wieder aufnehmen. Welche Logik dahinter steckt, zeigte sich letzte Woche, als ein Schulvorstandsmitglied aus Lake Havasu erklärte: „Irgendwann werden wir eine akzeptable Todesrate festlegen müssen, aber niemand will darüber sprechen.“

Die Lehrer in Arizona, die 2018 einen eindrucksvollen unabhängigen Streik organisiert hatten, stehen auch heute wieder an vorderster Front. Laura, eine Lehrerin aus Phoenix, erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „Ich würde einen Generalstreik unterstützen. Die Lehrer haben Familien und wollen diese Krankheit nicht nach Hause bringen. Ich habe Diabetes und bin Risikopatientin. Ich will nicht krank werden.“

„Natürlich wird die Bildung ohne Präsenzunterricht leiden, aber bis wir das unter Kontrolle bekommen, werden Schulöffnungen Menschenleben kosten. Sie wissen, dass Menschen sterben werden, aber es interessiert sie nicht.“

„Wir müssen auf den Tisch hauen und einen landesweiten Streik veranstalten. Wir dürfen uns, unsere Kinder und unsere Familien nicht in Gefahr bringen. Will man lieber leben und seine Bildung kurzfristig aufschieben oder in die Schule gehen und sterben? Wenn man sich entscheiden muss, ob man in die Schule geht oder weiterlebt, entscheide ich mich gerne fürs Weiterleben.“

Laura erklärte, es seien in Arizona bereits Lehrer gestorben. Sie erwähnte den Fall von Kimberley Chavez Lopez Byrd, einer 61-jährigen Lehrerin für Erstklässler aus dem kleinen ländlichen Schulbezirk Hayden-Winkelman Unified School District südöstlich von Phoenix, die am 26. Juni gestorben ist. Byrd und zwei andere Lehrer hatten sich infiziert, während sie online Sommerkurse aus dem gleichen Klassenzimmer gaben, obwohl sie die sozialen Distanzierungsmaßnahmen und andere Sicherheitsregeln eingehalten hatten.

Sie fügte hinzu: „Ducey sagt, es ist Sache der Bezirke. Aber sie drohen den Bezirken, die nicht wieder öffnen. Sie sagen: ,Wenn ihr die Kinder nicht unterrichtet, geben wir den Kindern Gutscheine für Privatschulen, die öffnen werden.‘ Gleichzeitig üben sie Druck auf Alleinerziehende und Eltern aus, die arbeiten müssen und sich keine Kinderbetreuung leisten können. Sie sagen, man kann nicht aus der Wohnung oder dem Haus geworfen werden, aber es passiert überall. Die Eltern sollten ihr volles Einkommen bezahlt bekommen, um zu Hause zu bleiben. Ältere Kinder könnten Geld dafür bekommen, dass sie ihren jüngeren Geschwistern helfen, sich für virtuellen Unterricht einzuloggen. Wir können das, wenn wir Menschenleben retten wollen.“

Genau wie Trump und seine Bildungsministerin Betsy DeVos behauptet auch der Gouverneur von Arizona, Ducey, der einzige Grund für die Öffnung der Schulen sei die Befriedigung der pädagogischen und emotionalen Bedürfnisse der Schüler. Das ist Betrug. Seit 2009 haben Republikaner und Demokraten den Etat der öffentlichen Schulen um 4,56 Milliarden Dollar gekürzt und gleichzeitig den Konzernen Steuersenkungen in Milliardenhöhe gewährt, u.a. den riesigen Kupferbergbauunternehmen, die den Bundesstaat dominieren. Angesichts der Wirtschaftskrise, die die Pandemie ausgelöst hat, sind noch tiefere Einschnitte geplant.

Beide Parteien unterstützen die tödliche Kampagne für Schulöffnungen, deren einziges Ziel es ist, die Eltern wieder an die Arbeit schicken zu können. Sie müssen die Billionen abbezahlen, die beide Parteien der Wall Street und den Konzernen durch den CARES Act zur Verfügung gestellt haben.

Die Entscheidung des Gouverneurs von New York, Andrew Cuomo, und des Bürgermeisters von New York City, Bill de Blasio (beide Demokraten), 1,1 Millionen Schüler und 135.000 Lehrer und Schulpersonal ab dem 10. September wieder in die Schulen zu schicken, löst große Empörung aus, da in New York bereits mehr als 23.000 Menschen an Covid-19 gestorben sind. Beide Politiker hatten, mit Unterstützung durch die Gewerkschaft United Federation of Teachers, die Schulen erst geschlossen, als Mitte März die Proteste der Lehrer sie zur Schließung zwangen. Diese Verzögerung kostete 50 Schulbeschäftigte, darunter 21 Lehrer, das Leben; dazu kamen noch zahllose weitere.

Die American Federation of Teachers (AFT) und die National Education Association (NEA) lehnen die rücksichtslose Schulöffnung zum jetzigen Zeitpunkt nicht ab, sondern tun alles in ihrer Macht Stehende, um die zunehmende Bereitschaft zu einem landesweiten Streik abzublocken. Stattdessen nehmen hohe Funktionäre der AFT und der NEA diese Woche als Delegierte am Parteitag der Demokraten teil, auf dem Biden zum Präsidentschaftskandidaten ernannt wird. Dieser war unter der Obama-Regierung für die Angriffe auf Lehrer verantwortlich und verbreitet heute die Lüge, Schulen könnten mit Unterstützung der Gewerkschaften „sicher“ geöffnet werden. In mehreren Städten wie Chicago, Los Angeles und Houston haben sich Vertreter der Demokraten mit den Gewerkschaften darauf geeinigt, Schulen nur für Onlineunterricht zu öffnen. Dies soll jedoch nur die Wut zerstreuen und ihre vollständige Wiedereröffnung vorbereiten.

In den letzten Wochen gab es Hunderte von Protestveranstaltungen von Lehrern, Eltern und Schülern gegen unsichere Bedingungen. Tausende posteten Artikel und Kommentare auf Facebook-Seiten, die ins Leben gerufen wurden, um Informationen auszutauschen und Widerstand zu organisieren.

In den letzten Tagen kam es in mehreren Städten zu Protesten, u.a.:

* In Bridgeport (Connecticut) demonstrierten letzten Donnerstag Dutzende von Lehrern während eines Treffens der Schulbehörde.

* In Boston (Massachusetts) kündigte die Schulbehörde letzte Woche nach Protesten mit hunderten Teilnehmern an, sie werde den am 10. September geplanten Beginn des Schuljahres verschieben.

* In Florida protestierten die Lehrer in den Landkreisen Osseo und Santa Rosa am Donnerstag und Freitag gegen unsichere Bedingungen und Entlassungen. Sie erklärten, das Hybridmodell aus Präsenz- und Onlineunterricht würde für sie das Risiko erhöhen, an Covid-19 zu erkranken. Die Lehrerin Lindsey Burdick von der Park Center Senior High erklärte: „Die Schulen sollten nicht vollständig geöffnet werden, solange die Daten nicht zeigen, dass es sicher ist. Wir sollten nicht unter Bedingungen arbeiten, die ,sicher genug‘ sind. Die Zahlen geben das noch nicht her. Sie sind noch nicht niedrig genug.“

An der Developmental Research School der A&M University von Florida organisierten die Dozenten eine Online-Protestveranstaltung gegen die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts am 19. August, die daraufhin auf den 31. August verschoben wurde.

* In Fulton County (Georgia) protestierten die Lehrer gegen die Anweisung, von den Klassenzimmern aus Online-Unterricht abzuhalten.

* In Sylvania (Ohio) demonstrierten Lehrer gegen die Entlassung von Kunst-, Musik- und anderen Lehrern.

Dieser zunehmende Widerstand gegen unsichere Bedingungen und Etatkürzungen muss vereint und zu einer mächtigen Bewegung für einen landesweiten Streik gegen die Öffnung der Schulen ausgebaut werden.

Deshalb haben Lehrer, Eltern und Schüler aus dem ganzen Land das Educators Rank-and-File Safety Committee gegründet, um die Lehrkräfte unabhängig von den Gewerkschaften zu vereinen und größtmögliche Unterstützung in der ganzen Arbeiterklasse zu mobilisieren. Letzte Woche veröffentlichte das Sicherheitskomitee eine Erklärung, in der es zu einem Generalstreik aufrief. Seine Forderungen sind die sofortige Schließung aller öffentlichen, privaten und Charterschulen, eine umfangreiche Finanzierung des staatlichen Bildungswesens, Internetzugang und Onlineunterricht und volle Lohnfortzahlung für alle Eltern und Betreuer, die zu Hause bleiben müssen.

Alle Lehrkräfte, Schulbeschäftigte, Eltern und Schüler, die diese Initiative unterstützen, sollten unserer Facebook-Seite beitreten und sich noch heute mit uns in Verbindung setzen, um lokale Aktionskomitees in ihren Schulen und Stadtvierteln zu gründen. Schickt uns die entsprechenden Informationen, darunter nennenswerte Entwicklungen in eurem Schulbezirk oder Bundesstaat, und wir werden sie mit einem globalen Publikum teilen.

Wir werden am Samstag, dem 22. August um 21:00 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit eine landesweite Onlineveranstaltungdurchführen, um die Entwicklungen und den weiteren Weg zu diskutieren. Wir rufen euch auf, schon heute eure Teilnahme an dieser wichtigen Veranstaltung zu planen.

Siehe auch:

Bildet unabhängige Sicherheitskomitees aus Pädagogen, Eltern und Schülern!
[17. August 2020]

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