Socialist Equality Party (USA): Eilantrag am Obersten Gerichtshof gegen Wahlzulassungsgesetz von Michigan

Am Montag legte die Socialist Equality Party (SEP) vor dem Obersten Gerichtshof der USA Berufung gegen ein Urteil des Berufungsgerichts des Sechsten Gerichtsbezirks ein. Dieses hatte die Beschwerde der Partei zurückgewiesen, das Wahlzulassungsgesetz von Michigan sei so, wie es während der Corona-Pandemie angewandt wird, verfassungswidrig.

Die Kandidaten der SEP, Joseph Kishore (Präsidentschaft) und Norissa Santa Cruz (Vizepräsidentschaft), legten der zuständigen Richterin Sonia Sotomayor am Obersten Gerichtshof einen Eilantrag auf eine einstweilige Verfügung vor.

Ursprünglich hatte die SEP am 18. Juni in der Rechtssache Kishore gegen Whitmer am Bezirksgericht für den Eastern District von Michigan Klage gegen Gouverneurin Gretchen Whitmer und andere hohe Vertreter des Bundesstaats eingereicht, die für die dortige Wahlzulassung verantwortlich sind.

In den letzten zweieinhalb Monaten argumentierte die SEP konsequent, dass die Distanzierungsmaßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie es der Partei unmöglich machen, Tausende von Unterschriften registrierter Wähler zu sammeln, damit Kishore und Santa Cruz im November zur Wahl in Michigan antreten dürfen. Die Partei bezeichnete das Wahlrecht daher als verfassungswidrig und erklärte, das Sammeln der Unterschriften stelle eine ernste Gefahr für die Gesundheit und das Leben ihrer Anhänger und der Wählerschaft dar.

Darüber hinaus hat die SEP aufgezeigt, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen, die Klage zurückzuweisen, ohne auch nur auf eines der Argumente einzugehen, einen Verstoß gegen die verfassungsgemäßen Rechte ihrer Kandidaten, Parteimitglieder und Anhänger darstellt. Ihnen wird das Recht vorenthalten, in der US-Präsidentschaftswahl 2020 für einen sozialistischen Kandidaten zu stimmen.

Das erstinstanzliche Urteil wurde am 8. Juli von Bezirksrichter Sean F. Cox verkündet, der vom republikanischen Präsidenten George W. Bush eingesetzt wurde. Cox stellte sich hinter die Argumente der Vertreter der Demokratischen Partei von Michigan, die SEP hätte während der Pandemie Unterschriften sammeln sollen. Im Verlauf des Prozesses wurde deutlich, dass weder Cox noch Gouverneurin Whitmer – im Gegensatz zu ihren öffentlichen Äußerungen während der Ausgangsbeschränkungen im März, April und Mai – die gesundheitlichen Bedenken der SEP ernst nahmen. In der mündlichen Begründung sprach Richter Cox von einer „so genannten Lebensgefahr“, obwohl genau zu dieser Zeit Zehntausende positiv auf das Virus getestet wurden und Tausende in ganz Michigan an Covid-19 starben.

Am 24. August verkündete Richter John K. Bush, der von Präsident Trump ernannt wurde, das Urteil des Berufungsgerichts des Sechsten Gerichtsbezirks. Es setzte den Argumenten der SEP standardisierte Formulierungen entgegen und unterstützte die Positionen der Demokraten von Michigan. Dass die juristischen Argumente darauf ausgelegt waren, der SEP die Wahlzulassung zu verweigern, zeigte sich auch an Richter Bushs reaktionärer Erklärung, die Gesetze zur Wahlzulassung seien notwendig, um „überlange Wahlzettel und unseriöse Kandidaten zu vermeiden und die Wähler nicht zu verwirren“.

Im Eingangsabschnitt ihres Antrags an den Obersten Gerichtshof der USA fordert die SEP Richterin Sotomayor auf, einem „Eilantrag stattzugeben, um den Antragsgegnern zu untersagen, die Stimmzettel für die Präsidentschaftswahl im November 2020 in Michigan ohne die Namen von Kishore und Santa Cruz zu drucken. Der Druck der Wahlzettel muss verschoben werden“, heißt es weiter, „bis die Angelegenheit vor diesem Gericht geklärt ist oder andere Anweisungen herausgegeben werden, die notwendig oder geeignet sind, die Rechte des Antragsstellers zu schützen.“

Der Eilantrag geht auf die fadenscheinigen Äußerungen von Richter Bush ein, die SEP sei beim Sammeln von Unterschriften nicht „fleißig genug“ gewesen. Die SEP erklärt, sie habe „nicht deshalb davon abgesehen, Unterschriften zu sammeln, weil sie keine Lust dazu hatte oder unter normalen Umständen nicht die Fähigkeit dazu gehabt hätte, sondern weil sie sich weigerte, das Leben ihrer Anhänger und der Öffentlichkeit aufs Spiel zu setzen, um Michigans juristische Vorgaben für die Wahlzulassung einzuhalten. Sie sollte für ihr Verantwortungsbewusstsein nicht bestraft, sondern gelobt werden.“

Die SEP ging in ihrem Antrag ausdrücklich auf Richter Bushs Behauptung ein, die Wähler würden verwirrt werden. Dazu erklärte sie, durch Kishores und Santa Cruz' Wahlzulassung würde „per Definition keine Verwirrung drohen, da sich ihr sozialistisches Programm eindeutig vom Rest der Kandidaten abhebt“. Weiter erklärte sie, es sei „im öffentlichen Interesse“, die SEP zur Wahl zuzulassen, „weil sie den Wählern in Michigan die Möglichkeit gibt, Kandidaten zu unterstützen, deren Politik enger an ihren eigenen Ansichten ausgerichtet ist“.

Dieses Argument brachte die SEP schon bei ihrer ursprünglichen Klage im Juni vor. Es verweist direkt auf die politischen Gründe für die wiederholten Angriffe auf grundlegende demokratische Rechte der Wähler, die in den Urteilen Kishore gegen Whitmer bisher enthalten sind. Der Sozialismus gewinnt in den USA zunehmend an Popularität. Laut einer Gallup-Umfrage von 2018 sehen weniger als die Hälfte der jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren den Kapitalismus positiv, mehr als die Hälfte hingegen haben eine positive Einstellung gegenüber dem Sozialismus.

Eine Weigerung von Richterin Sotomayor, dem Antrag der Partei auf eine einstweilige Verfügung stattzugeben, würde Arbeitern und Jugendlichen vor Augen führen, dass die Gerichte parteiisch sind und letzten Endes die Interessen der Banken, Konzerne und milliardenschweren Oligarchen repräsentieren, die in der kapitalistischen Gesellschaft alle wirtschaftlichen und politischen Schalthebel der Macht besitzen und kontrollieren.

Angesichts der Coronapandemie und der ausufernden staatlichen Gewalt verschärfen sich die sozialen Spannungen, und die Massenkämpfe der Arbeiterklasse und der Jugend nehmen zu. Deshalb geht im politischen und im Justizsystem die Angst um, dass das revolutionäre Programm der SEP in der Geschichte der USA auf große Zustimmung treffen wird.

Mit dem Eilantrag der SEP ist die trotzkistische Bewegung erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg vor den Obersten Gerichtshof gezogen. Am 8. Dezember 1941, einen Tag nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor, wurden 18 Mitglieder der Socialist Workers Party (SWP) wegen des Verstoßes gegen den Smith Act, d. h. Aufwiegelung und Verschwörung zum Sturz der US-Regierung, zu Haftstrafen verurteilt.

Die SWP hatte diese Urteile bis hin zum Obersten Gerichtshof angefochten. Am 22. November 1943 weigerte sich dieser, ihrer Berufung stattzugeben. Einen Monat später stellten sich die 18 Angeklagten den Behörden und traten ihre Haftstrafen von 12 bis 16 Monaten an.

Loading