Covid-19: Rekordanstieg in Osteuropa

Die Covid-19-Neuinfektionen verzeichnen in Tschechien, der Slowakei, Rumänien und Ungarn seit Tagen neue Rekorde. Obwohl die maroden Gesundheitssysteme schon jetzt an ihre Grenzen kommen, sind die diskreditierten rechten Regierungen der Region weder Willens noch in der Lage, den Anstieg zu bremsen.

Anstieg der Gesamtinfektionen in Tschechien (Quelle: Worldometers)

In Tschechien überstieg die Zahl der an einem Tag registrierten Fälle am 17. September erstmals seit Beginn der Pandemie die Marke von 3000. Inzwischen liegt die Gesamtzahl der Infizierten fast bei 50.000. Über 500 Menschen sind an Covid-19 verstorben. Obwohl das Land nur 10,7 Millionen Einwohner hat, lag die Zahl der täglichen Infektionen zuletzt rund eineinhalb Mal so hoch wie in Deutschland mit der siebenfachen Bevölkerungszahl.

Experten rechnen damit, dass die Infektionszahlen in den nächsten Wochen ähnlich hoch bleiben. Gesundheitsminister Adam Vojtech musste eingestehen, dass die epidemiologische Situation „nicht gut“ sei und Infektionen weiter zunehmen. Er trat am Montag zurück.

Mehrere Länder, darunter die Nachbarstaaten Slowakei und Deutschland, haben bereits Reisewarnungen für das Land oder bestimmte Regionen verhängt. Die in Tschechien eingeführte „Corona-Ampel“ zeigt für immer mehr Gebiete die Warnstufe Gelb. Das gilt auch für mehrere Grenzgebiete, wie den Bezirk Cheb an der Grenze zu Bayern.

Nachdem vorher sämtliche Schutzmaßnahmen zurückgenommen worden waren, treten jetzt wieder leichte Verschärfungen in Kraft. Schüler müssen seit letzter Woche in den Schulen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, und Restaurants, Bars und Clubs sollen künftig zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens schließen. In Innenräumen gilt ebenfalls wieder Maskenpflicht. Weitere Maßnahmen seien nicht ausgeschlossen, ließ die Regierung verlauten.

Aber dies sind rein kosmetische Eingriffe, die die steigenden Fallzahlen kaum bremsen werden. Da im Oktober Regionalwahlen anstehen, will Premierminister Andrej Babis zumindest den Anschein erwecken, seine Regierung reagiere auf die Situation. Gleichzeitig erklärte er unmissverständlich, dass es zu keinem Lockdown wie im Frühjahr kommen werde. Damals war mit einer zeitweisen Ausgangssperre und der Schließung von Betrieben eine massenhafte Verbreitung des Coronavirus verhindert worden. Die Zahlen waren relativ niedrig.

Babis, selbst Unternehmer und einer der reichsten Männer Tschechiens, betrachtete dies aber als unzulässige Beschneidung der Profitinteressen der Wirtschaft. Vor allem die großen Automobilkonzerne, die in Tschechien große Werke besitzen, hatten sich für rasche Lockerungen und die Rückkehr an die Arbeit ausgesprochen. So waren bereits im Mai die Maßnahmen wieder aufgehoben, Arbeiter zurück in die Betriebe geschickt und die Öffnung der Schulen vorbereitet worden.

Babis ist ein Paradebeispiel für die Sorte skrupelloser Politiker, die buchstäblich über Leichen gehen. Dabei besitzt er die Dreistigkeit, der Bevölkerung die Schuld für die steigenden Infektionen in die Schuhe zu schieben. So erklärte er kürzlich, die Menschen hätten sich damals beschwert, die Regierung wolle ihnen Maulkörbe anlegen. „Jetzt schreien jene am meisten, die früher nach Lockerungen gerufen haben.“

Letzten Monat hatten sich Hygiene-Experten angesichts der anstehenden Schulöffnungen für eine Verschärfung der Schutzmaßnahmen Anfang September ausgesprochen. Darauf griff Babis persönlich ein und brachte die geplante Verordnung zu Fall.

Die Regierung, eine Koalition aus Babis‘ rechtspopulistischer ANO und der sozialdemokratischen CSSD, die von der stalinistischen Kommunistischen Partei (KSCM) gestützt wird, unterbindet auch die Möglichkeit, sich ausreichend testen zu lassen.

Laut einem Bericht des österreichischen Kuriers sind die Kapazitäten der Teststationen unzureichend. „Für einen Termin muss man bis zu einer Woche warten, an Ort und Stelle muss man stundenlang Schlange stehen.“ Das Testergebnis erfahren die Menschen meist erst lange nach den vorgeschriebenen 48 Stunden.

Gesundheitsminister Vojtech empfiehlt sogar, keine freiwilligen Tests zu machen. Das so genannte „Reise-Ampelsystem“, das vor Reisen in Länder und Regionen mit hohem Infektionsgeschehen warnt, soll die Bevölkerung offensichtlich in falscher Sicherheit wiegen. Aktuell ist dort nur Spanien vermerkt. Rumänien wurde zuletzt trotz steigender Fälle von der Liste genommen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO äußerste Anfang letzter Woche Bedenken über den Umgang Prags mit der Pandemie. Sie kritisierte den Rückgang an Tests und Kontaktverfolgung trotz massiv steigender Infektionszahlen. Babis reagierte, indem er die WHO über Twitter aufforderte, sie solle „still sein“.

Anstieg der Gesamtinfektionen in Ungarn (Quelle: Worldometers)

Auch Ungarn hat in den letzten Wochen einen Rekordanstieg der Covid-19-Infektionen erlebt. Am Sonntag stieg die Gesamtzahl um weitere 1070 auf knapp 18.000. Dies ist der höchste Tageswert seit Ausbruch der Pandemie. Im Frühjahr hatte die tägliche Infektionszahl selten über 100 gelegen. Mit acht weiteren Todesfällen stieg deren Zahl auf 686. Fast 400 Menschen liegen derzeit im Krankenhaus, 30 davon müssen beatmet werden.

Bereits in den letzten beiden Augustwochen hatten sich die nachgewiesenen Infektionen verzehnfacht. Auch mehrere Politiker und Abgeordnete der regierenden Fidesz-Partei hatten sich angesteckt. Die extrem rechte Regierung von Viktor Orbán reagierte darauf, indem sie ab Anfang September die Außengrenzen des Landes schloss.

Orbán hatte von Anfang an mit völliger Untätigkeit auf die Pandemie reagiert. Die Tatsache, dass Ungarn bis dahin extrem niedrige Infektionszahlen meldete, liegt vor allem daran, dass kaum getestet wurde. Entsprechend hoch war die Dunkelziffer. Nun wurde als einzige weitere Schutzmaßnahme beschlossen, dass an öffentlichen Orten Masken getragen werden müssen und Restaurants und Bars um 23 Uhr schließen.

Vorletzte Woche kündigte Orban einen „Kriegsplan“ an, um die zweite Welle zu stoppen. Dabei versicherte er, dass das Gesundheitssystem auf die steigende Anzahl von Patienten vorbereitet sei. Beides ist schlichtweg gelogen. Orbans „Kriegsplan“ richtet sich nicht gegen das Virus, sondern gegen die Bevölkerung.

Im staatlichen Rundfunk erklärte er, dass die Menschen im Gegensatz zur ersten Welle nicht mehr zu Hause bleiben, sondern „ihr Leben weiterleben“ sollten. Das „Land müsse funktionieren“. Explizit sprach er sich gegen Maßnahmen aus, die Auswirkungen auf die Wirtschaft Ungarns haben könnten. Um deren Profite zu sichern, setzt Orban auf die Durchseuchung der Bevölkerung – mit allen Konsequenzen.

Das Gesundheitssystem, dass seit Anfang der 90er Jahre systematisch kaputtgespart wurde, steht bereits jetzt kurz vor dem Kollaps. Laut einer Aufstellung der Gesundheitsbehörde hat sich die Hälfte jener, die an Covid-19 starben, in Kliniken infiziert. Eine Studie der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte Anfang August, dass es organisatorische Defizite gebe, die Hygienestandards weiterhin tief und die Testmöglichkeiten ungenügend seien.

Am Freitag besuchte Orbán das Korányi National Pulmonological Institute. Auf Facebook kursiert eine Video über einen Arzt, der dem Premier mitteilt, dass das Krankenhaus bereits jetzt an Grenzen komme, Covid-19-Patienten aufzunehmen. Aktuell seien nur noch zwölf Betten frei, und es fehle ausreichend geschultes Personal.

Auch in der Slowakei und Rumänien steigen die Coronafälle rasant an. Am Montag meldete die Slowakei 290 neue Fälle, ein neuer Tagesrekord. Rumänien erreichte am Mittwoch mit 1713 neuen Fällen einen Spitzenwert. Jüngste Prognosen sagen voraus, dass in dem EU-Mitgliedsland bereits im November etwa 1000 Intensivbetten fehlen werden. Die täglichen Todeszahlen würden dann von jetzt rund 40 auf 300 steigen. Bisher sind in dem Land offiziell 4458 Menschen an dem Virus gestorben.

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