Proteste gegen straflosen Polizeimord an Breonna Taylor in Kentucky

Am Mittwoch brachen in Louisville Proteste aus, als bekannt wurde, dass gegen die Polizisten, die Breonna Taylor getötet haben, keine Anklage erhoben wird. Diese Entscheidung traf eine Grand Jury, die vom Justizminister des Bundesstaats Kentucky, Daniel Cameron, einberufen worden war. Die 26-jährige Rettunssanitäterin Taylor kam am Morgen des 13. März bei einer Polizeirazzia in ihrer Wohnung durch mehrere Kugeln zu Tode.

Die Wut über Taylors Ermordung – wie über den Polizeimord an George Floyd in Minneapolis am 25. Mai – hatte monatelange Proteste in den USA und der ganzen Welt ausgelöst. Menschen jeder Hautfarbe forderten ein Ende von Polizeigewalt und Rassismus.

Eine Menschenmenge auf dem Jefferson Square in Louisville (Kentucky) wartet am 23. September vergeblich auf die Bekanntgabe einer Anklage gegen zwei Polizisten (Quelle: AP Photo/Darron Cummings)

Hunderte von Menschen strömten in Louisville auf die Straße, nachdem Cameron, der in dem Fall als Sonderstaatsanwalt tätig war, bei einer Pressekonferenz am Nachmittag die Entscheidung der Grand Jury bekanntgegeben hatte. Kurze Zeit später gingen ganze Phalanxen von Bereitschaftspolizisten mit Knüppeln gegen die friedlichen Demonstranten vor und verhafteten viele von ihnen.

Bereits am Montag hatte der demokratische Gouverneur Andy Beshear den Ausnahmezustand in Louisville ausgerufen und die Schließung der Geschäfte in der Innenstadt angeordnet, was von der Polizei mit Betonbarrieren durchgesetzt wurde. Am Mittwoch hatte Beshear dann die Nationalgarde von Kentucky aktiviert, und der Bürgermeister von Louisville Greg Fischer (ebenfalls ein Demokrat) verhängte ab Mittwochabend eine dreitägige Ausgangssperre, die jeweils von 21 Uhr bis 6:30 gilt.

In den Wochen nach der Ermordung von George Floyd beteiligten sich Hunderttausende in Klein- und Großstädten an einer Protestwelle. Louisville ist bis heute ein Zentrum der Proteste gegen Polizeigewalt.

Die Polizei attackierte und verhaftete Tausende von Teilnehmern und Journalisten und feuerte zahllose Salven von Tränengas, Pfeffergeschossen und Gummigeschossen ab. In Kenosha (Wisconsin) wurden letzten Monat bei Protesten gegen die Polizeischüsse auf Jacob Blake zwei Demonstranten von einem rechten Milizionär erschossen.

Präsident Donald Trump unterstützte die Polizeigewalt und rief rechtsextreme und faschistische Verbände zu gewaltsamen Angriffen auf Demonstranten auf. Sein Heimatschutzministerium schickte Bundespolizei und paramilitärische Truppen nach Portland und Seattle, um die Proteste in diesen Städten zu unterdrücken. Trump verteidigte auch die gezielte Tötung des antifaschistischen Demonstranten Michael Reinoehl durch eine Polizeieinheit unter Führung von US-Marshals (Ordnungskräfte der Justiz).

Am Montag veröffentlichten die Medien eine E-Mail von Police Sergeant Jon Mattingly, einem der Beteiligten an der Erschießung Taylors. Darin rief er seine Kollegen dazu auf, sich den Demonstranten entgegenzustellen, und bezeichnete Polizisten als „Krieger“.

In Illinois kündigte der demokratische Gouverneur J. B. Pritzker an, er habe im Vorfeld der Ankündigung am Mittwoch wegen der Angelegenheit in Louisville die Nationalgarde seines Bundesstaats „in Bereitschaft“ versetzt.

In einem Park in der Innenstadt von Louisville warteten am Mittwoch hunderte Menschen darauf, dass Cameron die Entscheidung der Grand Jury bekanntgab. Als klar war, dass keiner der an Taylors Tod beteiligten Polizeibeamten vor Gericht kommen wird, begannen sofort die Demonstrationen.

Während die Polizei Demonstranten verhaftete und in bereitstehende Kleinbusse pferchte, durften schwer bewaffnete rechte Milizen durch die Stadt ziehen und Autofahrer schikanieren.

Im Vorfeld der Entscheidung der Grand Jury fanden in Louisville 119 Tage in Folge Protestaktionen statt –seit dem Tag, an dem der Notruf von Taylors Freund Kenneth Walker veröffentlicht wurde. Darin ist zu hören, wie Walker um Hilfe fleht, während Taylor, von sechs Kugeln aus Polizeipistolen getroffen, sterbend in ihrer Wohnung liegt.

Detective Brett Hankison droht als einzigem der beteiligten Beamten ein Verfahren wegen Taylors Ermordung. Cameron kündigte an, die Grand Jury habe Hankison angeklagt, weil er „mutwillig“ Taylors Nachbarn gefährdet habe. Während der Razzia in Taylors Wohnung hatte Hankison blindlings zehn Kugeln durch ein Verandafenster gefeuert. Mehrere davon trafen ein weiteres Apartmenthaus, in dem ein Mann, seine schwangere Frau und ihr fünfjähriges Kind schliefen.

Hankison wurde am Mittwoch verhaftet und sofort gegen eine Kaution von 15.000 Dollar bis zum Prozessbeginn auf freien Fuß gesetzt. Im Falle eines Schuldspruchs drohen ihm bis zu fünfzehn Jahre Haft. Sein Anwalt Steve Matthews erklärte, er wolle sich in allen Punkten für nicht schuldig bekennen: „Ich glaube nicht, dass die Beweise für die Anklage ausreichen werden.“

Hankison wurde im Juni aus dem Polizeidienst von Louisville entlassen, weil er „extreme Gleichgültigkeit gegenüber dem Wert von Menschenleben“ gezeigt hatte. Keine der Kugeln, die er in das Apartment geschossen hatte, hatte Taylor getroffen.

Jon Mattingly und Myles Cosgrove, die die insgesamt 22 Kugeln abgefeuert hatten, durch die Taylor getötet und ihr Freund Kenneth Walker verwundet wurden, sind in den Innendienst versetzt, aber ansonsten nicht bestraft worden. Ihr Mord an Taylor wurde damit gerechtfertigt, dass Walker zuerst geschossen und Officer Mattingly ins Bein getroffen habe.

Die Entscheidung der Grand Jury, die Polizisten nicht für Taylors Ermordung anzuklagen, ist eine Reinwaschung unter der Regie von Cameron. Der afroamerikanische Republikaner wurde im Jahr 2019 mit einem Law-and-Order-Programm zum Justizminister gewählt und ist seither ein aufgehender Stern in der Partei.

Cameron hatte letzten Monat auf dem Parteitag der Republikaner eine Rede gehalten, in der er „sozialistische“ und „anarchistische“ Demonstranten als Terroristen und Brandstifter verurteilte und die Polizei glorifizierte. Trump stellte ihn als Führer eines Endkampfes um die Verteidigung der „amerikanischen Zivilisation“ gegen eine sozialistische Gefahr dar, die angeblich durch die Demokratische Partei und ihren Kandidaten Joe Biden drohe.

Weitere Redner auf dem Parteitag appellierten kaum verhohlen an Rassismus. Unter anderem wurde eine Videobotschaft eines Ehepaars aus St. Louis gezeigt, das mit Schusswaffen auf Demonstranten gegen Polizeigewalt gezielt hatte. Das Paar warnte, Biden und die Demokraten wollten die Vororte zerstören, indem sie sie mit Fremden überschwemmten.

Allein der Umstand, dass Cameron auf dieser faschistischen Veranstaltung gesprochen hat und gleichzeitig als Sonderstaatsanwalt im Fall von Taylors Ermordung zuständig ist, hätte zu seinem Ausschluss aus dem Untersuchungsverfahren führen müssen.

Während der Pressekonferenz am Mittwoch verurteilte Cameron diejenigen, die „Selbstjustiz“ fordern würden, und erklärte abschätzig zu der Empörung von „Prominenten und Influencern“, sie hätten keine Ahnung von den Gesetzen in Kentucky.

Cameron erklärte, die Polizei hätte angeklopft und sich angekündigt. In den Medien war allerdings allgemein berichtet worden, sie hätten nicht angeklopft. Cameron behauptete, sie hätten sich nach Mitternacht zunächst angekündigt und dann einen Rammbock benutzt, um sich Zugang zu Taylors Wohnung zu verschaffen. Dort soll sich Walker bereits in schussbereiter Haltung befunden und Taylor neben ihm gestanden haben.

Walker, so Cameron weiter, habe nahezu sofort seine Waffe abgefeuert. Daraufhin hätten alle drei Beamten in der Wohnung das Feuer eröffnet. Laut Cameron war nur eine der sechs Kugeln, die Taylor getroffen hatten, tödlich. Allerdings konnte bei den staatlichen Ermittlungen nicht festgestellt werden, welcher Beamte sie abgefeuert hatte, sodass niemand dafür verantwortlich gemacht werden konnte. Cameron behauptete außerdem, die Beamten hätten in Notwehr gehandelt. Walker habe zuerst geschossen; deshalb sei keine Anklage wegen Totschlags möglich.

Da keiner der Polizisten eine Körperkamera trug, beruht Camerons Darstellung allein auf deren Aussagen. Er erklärte, diese würden von einem Bewohner des Apartmenthauses bestätigt, der ebenfalls behauptet hat, die Beamten hätten sich angekündigt.

Walker und die elf anderen Bewohner des Apartmenthauses erklärten hingegen übereinstimmend, sie hätten nicht gehört, dass sich die Polizei angekündigt hätte.

Walker, der einen Waffenschein besaß, klagte Anfang des Monats auf Schadensersatz gegen die Stadt Louisville und die Polizeibehörde und erklärte, er sei das Opfer von Fehlverhalten der Polizei. Während es Monate dauerte, gegen die für Taylors Tod verantwortlichen Polizisten zu ermitteln, und letztlich keine Anklage zustande kam, wurde Walker nur wenige Stunden nach der Razzia verhaftet und wegen Körperverletzung ersten Grades und versuchten Mordes an einem Polizeibeamten angeklagt. Die Anklage wurde schließlich mit Vorbehalt eingestellt, d. h. er kann erneut angeklagt werden, falls die Staatsanwaltschaft dies beschließt. Walker hat Antrag auf Immunität gestellt.

Am 1. September erklärte er auf einer Pressekonferenz: „Ich besitze meine Waffe legal und würde niemals wissentlich auf einen Polizeibeamten schießen.“ Er erklärte, er habe in Notwehr gehandelt, da eine Gruppe von nicht identifizierten Männern in die Wohnung eingedrungen war: „Breonna und ich wussten nicht, wer an die Tür klopfte, aber die Polizei wusste, was sie tat.“

Das Ergebnis von Camerons Ermittlungen und der Entscheidung der Grand Jury ist eine Blanko-Immunität für Polizisten, die mitten in der Nacht in Wohnungen eindringen. Sie macht deutlich, dass Taylors Leben dem Staat nichts bedeutet. Wenn verwirrte oder verängstigte Bewohner sich verteidigen, können sie und ihre Familien erschossen werden.

Die Polizei in den USA wird fast nie für ihre Morde bestraft. Nur in den allerseltensten Fällen werden Beamte angeklagt und für schuldig befunden, obwohl jedes Jahr etwa 1.000 Menschen durch Polizeigewalt sterben. Der Oberste Gerichtshof hat die Politik der qualifizierten Immunität immer wieder verteidigt und ausgeweitet, die der Polizei große Freiheiten bei der Anwendung von Gewalt im Dienst lässt.

Polizisten sind die bewaffneten Vollstrecker des kapitalistischen Staates. Rassismus spielt zwar eine Rolle bei Polizeimorden und trägt dazu bei, dass Afroamerikaner und andere Minderheiten unverhältnismäßig oft Opfer von Polizeibrutalität werden, doch die Mehrheit der Getöteten sind Weiße.

Polizeigewalt ist eine Klassenfrage. Die endlose Welle von Polizeigewalt und Polizeimorden ist ein Ausdruck eines Gesellschaftssystems, das Millionen zur Armut verdammt, während sich in den Händen einer parasitären Elite immer perverserer Reichtum konzentriert.

Alibi-Reformen und die verstärkte Einsetzung von Angehörigen der Minderheiten und Frauen in Machtpositionen haben nichts dazu beigetragen, die Terrorherrschaft der Polizei gegen die Arbeiterklasse im ganzen Land zu beenden.

Ein Ende der Polizeigewalt kann nur erreicht werden, wenn die Arbeiterklasse die Ursache aller sozialen Übel abschafft, unter denen sie leidet: das kapitalistische System. An seiner Stelle muss sie eine Gesellschaft aufbauen, das auf sozialer Gleichheit basiert, d .h. eine sozialistische Gesellschaft.

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