Pandemische Depression: Gerettete US-Fluggesellschaften streichen Zehntausende Arbeitsplätze

Acht Monate nach Beginn der Corona-Pandemie und kaum einen Monat vor der Präsidentschaftswahl befinden sich die Vereinigten Staaten in der schwersten sozialen Krise seit der Großen Depression in den 1930 Jahren. Millionen Arbeiter und Jugendliche sind arbeitslos oder unterbeschäftigt. Unzählige haben nicht genug zu essen, sind von einer Zwangsräumung bedroht oder befürchten ihre Krankenversicherung zu verlieren.

Gleichzeitig beschleunigt sich die Ausbreitung des Virus, das in den USA bereits mehr als 210.000 Todesopfer gefordert hat. Die mörderische Politik der „Herdenimmunität“, die von Trump propagiert und auf bundesstaatlicher und kommunaler Ebene sowohl von Demokraten als auch Republikanern umgesetzt wird, begünstigt die Ausbreitung von Covid-19. Seit der Wiedereröffnung von Schulen und Hochschulen, die ebenfalls von beiden Parteien vorangetrieben wird, ist die Zahl der Covid-19-Infektionen in 28 Bundesstaaten gestiegen.

Am Donnerstag wurden rund 50.000 Beschäftigte der großen US-Fluggesellschaften sowie des Rüstungskonzerns Boeing entlassen oder zwangsbeurlaubt. Nachdem sie im März durch den CARES Act zweistellige Milliardenbeträge und nahezu unbegrenzte Kredite von der US-Notenbank erhalten haben, gehen die Unternehmen jetzt zu Massenentlassungen über.

Das riesige Rettungspaket für die Konzerne wurde als Allheilmittel zur „Rettung von Arbeitsplätzen“ dargestellt. In Wirklichkeit haben die milliardenschweren Banker, Investoren und Vorstandschefs das Geld dazu genutzt, um ihre Belegschaften dauerhaft zu schrumpfen, sich zu bereichern und die Aktienkurse in die Höhe zu treiben. Sie zerstören völlig unbehelligt die Arbeitsplätze und das Leben der Arbeiter, weil sie wissen, dass ihnen weder die Demokraten noch die Republikaner, die beide für die Verteidigung des Großkapitals stehen, noch die Gewerkschaften in den Weg geraten werden.

Dieselben Politiker sind dabei, den Arbeitern den staatlichen Zuschuss zur Arbeitslosenhilfe in Höhe von 600 Dollar pro Woche zu streichen. Dieser ist bereits vor zwei Monaten ausgelaufen, und Millionen verloren gleichzeitig den Anspruch auf bundesstaatliche Arbeitslosenunterstützung. Weitere Millionen, die ihren Job verloren haben (allein in Kalifornien waren es 600.000), können aufgrund der veralteten und überlasteten Systeme der Arbeitsämter keine Anträge auf Arbeitslosenunterstützung stellen.

Das Arbeitsplatzmassaker in der Luftfahrtindustrie ist Teil einer umfassenden Entlassungswelle der Konzerne. Das Medienunternehmen Disney kündigte am Dienstag den Abbau von 28.000 Stellen in den USA an. Royal Dutch Shell gab diese Woche die Streichung von 7.000 bis 9.000 Stellen bekannt. Das Chemieunternehmen Dow Inc. will seine Personalkosten um sechs Prozent verringern.

Laut Daten des Empfehlungsportal Yelp haben seit dem 1. März im ganzen Land mehr als 97.000 Kleinunternehmen dauerhaft geschlossen.

Der Vorstandschef von American Airlines, Doug Parker, steht an der Spitze des Angriffs auf die Arbeitsplätze. Er kündigte am Mittwoch die Entlassung von 19.000 Beschäftigten an, was 14 Prozent der Belegschaft vor Beginn der Pandemie entspricht. Das Unternehmen hat durch den CARES Act 5,81 Milliarden Dollar kassiert, Parker verdiente im Jahr 2018 rund 12 Millionen Dollar.

United Airlines folgt diesem Beispiel und kündigte etwa 13.000 Zwangsbeurlaubungen in den kommenden Wochen an.

Delta, das von der Regierung 5,4 Milliarden Dollar an Beihilfen und günstigen Krediten Zinsen erhalten hat, beschäftigte zu Beginn des Jahres mehr als 90.000 Arbeiter, mittlerweile sind es weniger als 75.000. Die Fluggesellschaft will etwa 1.900 Piloten beurlauben. Delta-Vorstandschef Ed Bastian hat im Jahr 2018 Vergütungen in Höhe von insgesamt 15 Millionen Dollar erhalten.

Die Rettungsaktion wird von nahezu der gesamten Demokratischen Partei unterstützt und auch von Bernie Sanders begeistert befürwortet.

Die US-Regierung meldete am Donnerstag, dass letzte Woche mehr als 837.000 neue Anträge auf Arbeitslosenunterstützung gestellt wurden. Insgesamt waren allein in der Woche vom dem 14. Bis 20. September fast 11,8 Millionen Menschen von staatlicher Unterstützung abhängig. Die tatsächliche Zahl derjenigen, die Arbeitslosenunterstützung erhalten oder beantragt haben, (einschließlich aus Programmen der Bundesregierung, die von der bundesstaatlichen Arbeitslosenhilfe getrennt ist) beläuft sich auf 28 Millionen.

Millionen haben Probleme, ihre Miete, Nebenkosten und Autokredite zu bezahlen und sich und ihre Familien mit den extrem niedrigen Arbeitslosensätzen zu ernähren. Fast ein Drittel aller Erwachsenen haben Probleme, ihre regelmäßigen Fixkosten zu begleichen.

Hunderte warten bei einer Lebensmittelausgabestelle der St. Mary's Church in Waltham (Massachusetts). Aufnahme vom Donnerstag, dem 7. Mai (AP Photo/Charles Krupa)

In Dutzenden von Bundesstaaten sind die Einschränkungen für das Absperren von Strom und Wasser abgelaufen oder stehen kurz davor. Bis zum Freitag galten solche Einschränkungen nur noch in 12 Bundesstaaten und in Washington, DC. Laut der National Energy Assistance Directors’ Association sind mehr als 200 Millionen Amerikanern davon bedroht, von der Versorgung mit Strom, Wasser und Heizung abgeschnitten zu werden.

Gleichzeitig ist das Vermögen der 643 reichsten Milliardäre in den USA während der ersten sechs Monate der Pandemie um 845 Milliarden US-Dollar bzw. 29 Prozent gestiegen. Das Vermögen von Tesla-Gründer Elon Musk, der trotz des Lockdowns sein Werk in Nordkalifornien wieder geöffnet hat, hat um 273 Prozent auf 92 Milliarden Dollar zugelegt.

In einer neuen Studie erklärten 46 Millionen Amerikaner, d.h. 14 Prozent, sie hätten seit der Einstufung des Virus als Pandemie ihre Notfallersparnisse aufgebraucht. Weitere elf Prozent der Erwachsenen mussten sich Geld leihen, um die täglichen Kosten zu decken.

Vor allem junge Arbeiter hat es hart getroffen. Mehr als die Hälfte der Menschen unter 45 erklärten, die einmalige staatliche Zahlung von 1.200 Dollar, die Teil des CARES Act war, habe ihre Kosten für weniger als zwei Wochen gedeckt. Etwa ein Viertel, etwa 26 Prozent, der 25- bis 34-Jährigen, gaben an, ihre Ersparnisse für Notfälle seien völlig aufgebraucht.

Die Reaktion der herrschenden Klasse – der Demokraten wie der Republikaner – auf die Pandemie wurde ausschließlich von den Interessen der Finanzaristokratie diktiert.

In der ersten Debatte zwischen den Präsidentschaftskandidaten am Dienstagabend wurde die Katastrophe für die Arbeiterklasse nicht einmal erwähnt. Der Demokrat Biden erwähnte weder die Einstellung des Arbeitslosenzuschusses noch die Massenentlassungen. Tatsächlich unterstützen beide Parteien, die von unterschiedlichen Fraktionen der gleichen Wirtschafts- und Finanzelite kontrolliert werden, den Einsatz von Massenarbeitslosigkeit und Armut als Druckmittel, um die Arbeiter zur Rückkehr an unsichere Arbeitsplätze zu zwingen. Auf diese Weise soll aus ihrer Arbeitskraft zusätzliche Profite herausgepresst werden, um die Billionen hereinzuholen, die die Wirtschaftselite in Form von staatlichen Beihilfen und Krediten erhalten hat.

Der herrschenden Klasse ist akut bewusst, dass sich die Wut der Bevölkerung in explosiver und potenziell revolutionärer Form entladen könnte. Unter Lehrern, Autoarbeitern und anderen Teilen der Arbeiterklasse, die in der Pandemie an vorderster Front stehen, gibt es bereits Anzeichen für massiven Widerstand.

Aus Angst vor sozialem Widerstand ist ein großer Teil der herrschenden Klasse zu dem Schluss gelangt, dass es nur einen gewaltsamen Ausweg aus dieser Lage gibt. Am deutlichsten äußert sich das in Trumps Bestrebungen, sich über das Ergebnis der Wahl im November hinwegzusetzen, die Verfassung auszuhebeln und eine Präsidialdiktatur auf der Grundlage von Militär, Polizei und faschistischen Milizen zu errichten.

Trumps größter Trumpf ist die Rückgratlosigkeit und Doppelzüngigkeit der Demokratischen Partei, die Teile der Wall Street, des Militärs und der Geheimdienste repräsentiert und von privilegierten Teilen des Kleinbürgertums unterstützt wird.

Ihre Aufgabe ist es, die immensen Gefahren für die demokratischen Rechte zu verharmlosen und die Ursache der Krise zu verbergen: das Versagen des kapitalistischen Systems. Ihre Reaktion auf die Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus war die verstärkte Propagierung von Rassenpolitik, um die grundlegenden Klassenfragen zu vertuschen. Sie stellten Polizeigewalt als das Ergebnis von „weißem Rassismus“ dar, während sie in Wirklichkeit die Gewalt von bewaffneten Vollstreckern des kapitalistischen Staats gegen die Arbeiterklasse ist. So unterstützt sie die herrschende Klasse, indem sie Verwirrung und Spaltung in der Arbeiterklasse sät.

Die Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf zur Verteidigung demokratischer Rechte, zur Eindämmung und Ausrottung der Pandemie und der Rettung von gut bezahlten Arbeitsplätzen sowie Wohnraum, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle ist ein vollständiger Bruch mit der politischen Leiche der Demokratischen Partei und der Aufbau einer unabhängigen Massenbewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus.

Die Bevölkerung muss in Betrieben und Wohnvierteln im ganzen Land – und weltweit – Organisationen gründen, die unabhängig von den konzernfreundlichen Gewerkschaften und von beiden Parteien des Großkapitals einen politischen Generalstreik gegen den Kurs der herrschenden Klasse auf eine Diktatur vorbereiten.

Die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site rufen alle, die Polizeistaatsherrschaft, Faschismus, soziale Ungleichheit und die Verarmung der Arbeiter und Jugendlichen ablehnen, dazu auf, nicht mehr abseits zu stehen, sondern Widerstand zu leisten. Tretet der Sozialistischen Gleichheitspartei bei und nehmt den Kampf für den Sozialismus auf.

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