Trump ruft zu Gewalt und Unterdrückung von Wählerstimmen auf

In den Vereinigten Staaten hat die Wahlbeteiligung bereits vor Öffnung der Wahllokale die 100 Millionen überschritten, und am Dienstag gehen weitere Dutzende Millionen Wähler an die Urnen. Präsident Donald Trump hat darauf reagiert, indem er seine Vorbereitungen verstärkt, sich über den Volkswillen hinwegzusetzen und im Amt zu bleiben. Trump ruft offen zu Gewalt auf, weil er in den Umfragen zurückliegt und Gerichte seine juristischen Anfechtungen von abgegebenen Stimmen und der Auszählung von Stimmzetteln verworfen haben.

Bis Montagabend hatten mehr als 98 Millionen Menschen gewählt. Im Jahr 2016 haben insgesamt 138 Millionen Wähler ihre Stimmen abgegeben. Trump verlor damals zwar in Bezug auf die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen, errang aber einen knappen Sieg über Hillary Clinton im Wahlmännerkollegium. Die diesjährige Wahlbeteiligung könnte 160 Millionen erreichen oder sogar noch darüber liegen.

Wenn die Umfragen unter denjenigen, die bereits gewählt haben, korrekt sind, ist es wahrscheinlich, dass Trump am Wahltag um bis zu 25 Millionen Stimmen hinter dem ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden zurückliegt. Er müsste die persönliche Stimmabgabe an den Urnen am selben Tag mit überwältigendem Vorsprung gewinnen, um wiedergewählt zu werden.

Rosy Chan, Mitarbeiterin des Department of Elections von San Francisco, kontrolliert am Sonntag, den 1. November 2020, in einem Wahlzentrum in San Francisco, ob es beschädigte Stimmzettel gibt. (AP Photo/Emilio Morenatti)

Wenn der Wahltrend anhält – und wenn die Stimmen fair gezählt und nicht unterdrückt werden – wäre das Ergebnis eine verheerende politische Niederlage für Trump und die Republikaner. Dies kann nur als Ausdruck der überwältigenden Empörung über die Trump-Regierung verstanden werden, sowohl wegen ihrer Weigerung, die Corona-Pandemie zu bekämpfen, die in Amerika mehr als 235.000 Todesopfer gefordert hat, als auch wegen ihrer zunehmenden Bedrohung demokratischer Rechte.

Die Massenproteste, die als Reaktion auf den Polizistenmord an George Floyd im Mai letzten Jahres in Minneapolis in praktisch jeder Stadt der Vereinigten Staaten ausbrachen, waren ein Vorgeschmack auf diese Stimmung in der Bevölkerung, die nun, wie es scheint, in Form der massiven Ablehnung der Trump-Regierung und ihrer ultrarechten Politik wieder an die Oberfläche tritt.

Allein schon die Wahlbeteiligung ist Ausdruck einer beginnenden Veränderung des politischen Bewusstseins von Millionen arbeitenden Menschen und Jugendlichen. Einige Zahlen veranschaulichen die demographische Entwicklung der Wahl:

· Im Jahr 2016 wählten rund 8,9 Millionen Menschen in Texas, das lange Zeit von der Republikanischen Partei regiert wurde. Trump gewann hier mit 800.000 Stimmen Vorsprung. Im Jahr 2020 haben bereits mehr als neun Millionen Menschen vorzeitig ihre Stimme abgegeben oder per Post abgestimmt, weitere Millionen werden am Dienstag an den Urnen erwartet. Der größte Anstieg der Wahlbeteiligung ist in den Großstädten zu verzeichnen, und der Bundesstaat gilt inzwischen als hart umkämpft.

· Im Jahr 2016 wählten 4,1 Millionen Menschen in Georgia, einem traditionell republikanischen Staat, den Trump leicht gewann. Im Jahr 2020 haben bereits 3,8 Millionen Menschen vorzeitig ihre Stimme abgegeben, die höchste Wahlbeteiligung lag im Großraum Atlanta. Der Wahlausgang in diesem Bundesstaat gilt als unsicher.

· In North Carolina hat die Gesamtzahl der Wähler, die ihre Stimme vorzeitig abgegeben und per Briefwahl abgestimmt haben, bereits die 4,5 Millionen überschritten, die 2016 insgesamt zur Wahl gegangen sind. Die höchste Wahlbeteiligung gab es in den Städten Raleigh, Durham und Charlotte. Die Wahlbeteiligung unter Jugendlichen liegt deutlich höher als 2016, als Trump in diesem Bundesstaat mit einem Vorsprung von etwa drei Prozent gewann.

· Eine Studie der Tufts University ergab, dass sieben Millionen junge Menschen bereits gewählt haben und dass Jugendliche in 13 von 14 der umkämpften Staaten im Vergleich zu 2016 einen höheren Prozentsatz der Wähler stellen. Die größten Zuwächse bei der Wahlbeteiligung unter der Jugend gab es in einer Reihe von Staaten über den gesamten Süden hinweg: Virginia, North Carolina, Georgia, Florida und Texas.

Wenn die Demokratische Partei und Biden als Ergebnis der Wahl an die Macht kommen, werden sie die völlig unverdienten Nutznießer einer breiten Ablehnung von Trump und seiner faschistischen Politik sein, darunter auch seiner anhaltenden Bemühungen, einen politischen Putsch gegen die Wahl zu inszenieren. Biden hat kein Programm vorgestellt, das auf die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen eingeht, und verteidigt wie Trump die Interessen des Amerikas der Unternehmer und seines militärischen Geheimdienstapparats.

Die Reaktion von Trump und der Republikaner auf die hohe Wahlbeteiligung bestand darin, rechtliche Schritte zu forcieren, um die Auszählung der Briefwahlzettel zu verzögern. So könnte Trump auf der Grundlage der Stimmen, die direkt an den Urnen abgegeben wurden, fälschlicherweise den Sieg beanspruchen. Außerdem versuchte er, die vorzeitige Stimmabgabe vollständig zu unterbinden, z.B. mit einer in Houston, Texas, eingereichten Klage.

Bei der Klage in Texas wurde die Gültigkeit von 127.000 Stimmen angefochten, die von Einwohnern des Harris County (Houston) abgegeben wurden. Sie hatten aus Angst vor dem Corona-Virus eine vom County angebotene Drive-Through-Wahleinrichtung genutzt. Die dort abgegebenen Stimmen stellen mehr als zehn Prozent aller vorzeitig abgegebenen Stimmen im Harris County dar, das stark demokratisch geprägt ist.

Die juristischen Argumente der republikanischen Kläger – drei Kandidaten und ein langjähriger Parteiaktivist – waren offen undemokratisch. Sie behaupteten, es sei illegal und verfassungswidrig, wenn die Kommunalverwaltung den Bürgern während der Pandemie sicherere Möglichkeiten zur Stimmabgabe biete.

Sie verlangten, dass die Gerichte die Stimmzettel am Tag vor der Wahl zurückweisen und damit 127.000 Menschen das Wahlrecht entziehen. Sie zitierten die berühmt-berüchtigte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2000 in der Rechtssache Bush gegen Gore als Präzedenzfall für eine Intervention des Bundes in einem bundessstaatlichen Wahlstreit.

Nachdem der Oberste Gerichtshof von Texas, deren Richter alle von einem republikanischen Gouverneur ernannt wurden, den Antrag abgelehnt hatte, wechselten die Kläger zu einem Bundesgericht. Ein ultra-rechter republikanischer Richter, Andrew Hanen, der von George W. Bush ernannt worden war, entschied, dass die Kläger nicht klageberechtigt seien und nicht nachweisen könnten, dass sie durch die Stimmzettelabgabe Schaden erlitten hätten. Er wies auch darauf hin, dass das Drive-Through-Verfahren im Sommer angekündigt worden sei, die Klage jedoch erst am Tag vor der Wahl an seinem Gericht eintraf. Er fügte hinzu, dass das angestrebte Rechtsmittel, die Unterdrückung der Stimmen, viel zu drastisch sei.

Das Trump-Wahlkampf-Team verlor einen zweiten großen Prozess in einem umkämpften Bundesstaat, als ein Richter aus Nevada ihren Antrag ablehnte, die Auszählung von Briefwahlzetteln im Clark County, Nevada, zu dem auch Las Vegas gehört, zu stoppen, da ein Rechtsstreit über die genauen Verfahren zur Lagerung, Öffnung und Auszählung der Wahlzettel anhängig sei.

Das durchsichtige Ziel der Klage war es, die Auszählung der Briefwahlzettel zu verlangsamen, von denen man annahm, dass sie Biden und die Demokraten bevorzugen würden. Außerdem sollte das Trump erlauben, den „Sieg“ in Nevada nur auf der Grundlage der persönlichen Stimmabgabe an den Urnen zu beanspruchen. Auf Clark County entfallen zwei Drittel der bei den Wahlen in Nevada abgegebenen Stimmen.

Je mehr Wähler Trump zu den Urnen strömen sieht und je weniger Erfolg er vor Gericht hat, desto mehr ermutigt er seine faschistischen Anhänger zu Einschüchterungen und offener Gewalt. Damit will er eine ehrliche Auszählung der Stimmen blockieren und die Erklärung eines Siegers verhindern. Damit soll republikanisch kontrollierten Staatsparlamenten die Möglichkeit verschafft werden, in Schlüsselstaaten zu intervenieren und unabhängig vom Wählervotum in diesen Staaten Wahlmänner zu bestimmen, die Trump wählen. Trump erwägt zweifellos auch, das US-Militär einzusetzen, um Proteste gegen seinen Versuch, die Wahl zu stehlen, niederzuschlagen.

In seiner Rede am Montag in Scranton, Pennsylvania, verurteilte Trump die Verlängerung der Annahmefrist von Briefwahlzetteln durch die Staatsregierung, die bis zum 3. November abgestempelt wurden. „Sie haben eine sehr gefährliche Situation geschaffen, und ich meine gefährlich, physisch gefährlich, und sie haben es zu einer sehr, sehr schlimmen Situation gemacht, sie haben eine sehr schlimme Sache für diesen Staat getan“, drohte er. Den demokratischen Gouverneur Tom Wolf warnte er: „Bitte betrügen Sie nicht, denn wir schauen alle zu. Wir alle beobachten Sie, Gouverneur.“

Am Montag verurteilte Trump eine Entscheidung des Obersten US-Gerichtshofs, die die Fristverlängerung in Pennsylvania bestätigte, und twitterte: „Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Wahl in Pennsylvania ist eine SEHR gefährliche Entscheidung. Sie wird zügelloses und unkontrolliertes Betrügen ermöglichen und unsere gesamten Rechtssysteme untergraben. Sie wird auch zu Gewalt auf den Straßen führen. Es muss etwas getan werden!“

Von wem werden die „physische Gefahr“ und die „Gewalt auf den Straßen“ ausgehen? Wer sind die potenziellen Opfer? Dies ist ein eindeutiger Versuch von Trump, staatliche Funktionäre einzuschüchtern, indem er mit rechter Gewalt droht, nach dem Vorbild der bereits aufgedeckten Komplotte in Michigan, Virginia und anderen Bundesstaaten. Dort haben faschistische Milizen demokratische Gouverneure und andere, die als nicht ausreichend loyal gegenüber dem Möchtegern-Diktator im Weißen Haus gelten, ins Visier genommen.

Weil sie größere Unruhen gegen einen Coup-Versuch von Trump erwarten, hat eine Reihe von Gouverneuren, sowohl Republikaner als auch Demokraten, die Nationalgarde mobilisiert. Der Gouverneur von Massachusetts, Charlie Baker, ein Republikaner und Trump-Gegner, versetzte 1000 Soldaten in Alarmbereitschaft für einen möglichen Einsatz in städtischen Gebieten im ganzen Bundesstaat. Die Gouverneurin von Oregon, Christine Brown, verhängte von Montag bis Mittwoch den Ausnahmezustand für das Gebiet von Portland und mobilisierte eine unbestimmte Anzahl von Soldaten der Nationalgarde. Eine Einheit der Nationalgarde von Illinois wurde auf Befehl des demokratischen Gouverneurs J. B. Pritzker in einem Humvees-Konvoi nach Chicago entsandt.

Der texanische Gouverneur Greg Abbott hat bereits 1.000 Soldaten der Nationalgarde für den Einsatz in fünf Großstädten – Houston, Dallas, Fort Worth, Austin und San Antonio – mobilisiert. Er verweist auf die Gefahr von Massenprotesten in einer Größenordnung wie nach dem Polizistenmord an George Floyd im Mai.

Die Vorahnungen, die es am Vorabend der Wahl im offiziellen Washington gibt, drückte eine Schlagzeile des Atlantic-Magazins aus: „Wie Trump einen Staatsstreich versuchen könnte.“ Während der ehemalige Vizepräsident Biden öffentlich die Gefahr abgetan hat, Trump könne versuchen, die Wahl zu stehlen oder ihr Ergebnis zu missachten, enthüllt der Atlantic-Artikel, dass das Biden-Team „eine umfangreiche Planungsübung für schnelle Reaktionen auf Dutzende von Szenarien durchgeführt hat, in denen Trump versucht, den normalen Ablauf der Wahl zu stören“.

Diese Reaktionen beschränken sich angeblich auf „vorformulierte Dringlichkeitsanträge bei Staats- oder Bundesgerichten“. Weiter heißt es in dem Artikel: „Das Wahlkampf-Team wird innerhalb von einer Stunde bereit sein, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, für alle Fälle, die es bisher vorhersehen konnte.“

Das Atlantik-Magazin erörtert, dass Trump möglicherweise Bundesbeamte und paramilitärische Streitkräften oder sogar das reguläre Militär einsetzen wird, berichtet aber nicht über die Gespräche zwischen dem Biden-Wahlkampf-Team und dem Pentagon, die hinter den Kulissen zweifellos stattfinden.

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