Lufthansa: Bundesregierung fordert schnelleren Arbeitsplatzabbau

Im Frühjahr erhielt die Lufthansa Staatshilfen im Umfang von 9 Milliarden Euro und die Gewerkschaften klatschten Beifall. Danach wurde schnell klar, dass diese Gelder dazu dienen, den Konzern auf Kosten der Beschäftigten brutal zu rationalisieren und auf Profit zu trimmen.

Jetzt verlangt die Bundesregierung, dass die Rationalisierungsmaßnahmen ausgeweitet und der Arbeitsplatzabbau beschleunigt werden. Die Lufthansa soll gegenüber den anderen europäischen Airlines gestärkt und für den weltweiten Handelskrieg gerüstet werden. Die Pandemie wird genutzt, um die industriepolitischen Ziele der Großen Koalition, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Anfang letzten Jahres als „Nationale Industriestrategie 2030“ bezeichnete, beschleunigt durchzusetzen.

Airbus 388 der Lufthansa (Bild: Wikimedia / TJDarmstadt)

In seiner jüngst Ausgabe veröffentlichte Der Spiegel einen ausführlichen Hintergrundartikel zum Thema. Unter der Überschrift „Die Lufthansa schmiert trotz Milliardenhilfen ab“ berichtet das Magazin erst über den Corona-bedingten dramatischen Rückgang der Passagiere und Flugstunden. „Die Zahlen sind gruselig: 350 Millionen Euro verbrennt die Airline pro Monat. 5,6 Milliarden Euro Verlust in diesem Jahr bis Ende September, 410 der 763 Lufthansa-Flugzeuge stehen eingemottet am Boden.“

Dann zitiert der Artikel aus einem angeblichen Geheimdokument des Wirtschaftsministeriums. Die Regierungsbeamten seien mit der Konzernleitung unzufrieden. Der Unternehmensvorstand müsse weit schärfere Maßnahmen ergreifen, sonst gehe der Lufthansa schon im nächsten Jahr das Geld aus. Die „Ansage aus Berlin“ laute, das Unternehmen müsse „schleunigst schrumpfen: weniger Flugzeuge, weniger Mitarbeiter“. Die Personalkosten würden den Konzern „auffressen, wenn nicht etwas dagegen unternommen“ werde.

Die Regierung sei unzufrieden, schreiben die Spiegel-Autoren, obwohl Lufthansa-Chef Carsten Spohr bereits den Abbau von 26.000 Arbeitsplätzen angekündigt und begonnen hat, ein Restrukturierungsprogramm mit dem Namen „Lufthansa-New-Tomorrow“ durchzusetzen, das einschneidende Maßnahmen an den Standorten Bremen, Dresden, Köln, Leipzig und Nürnberg, einschließlich der Schließung der Bremer Flugschule beinhaltet.

Bisher seien das nur „Mosaiksteinchen, noch kein wirkliches Sanierungskonzept“. Die Beamten und Politiker in Berlin verlören „die Geduld mit Spohr“. Sie bezweifelten, ob er „der richtige Mann für harte Einschnitte“ sei. „Wenn die Lufthansa auf 10.000 Metern fliegen würde, wäre der ausgebildete Pilot Spohr der Richtige“, sage ein „hochrangiger Regierungsbeamter“. Aber gegenwärtig fliege die Lufthansa auf 2000 Metern, „und die Bergspitzen sind verdammt nah“.

Die Bundesregierung unterstützt die Forderungen von Großaktionär Heinz Hermann Thiele, der im März seinen Anteil an Lufthansa-Aktien auf 15 Prozent erhöht hat und jetzt ein „tragfähiges Sanierungsprogramm“ fordert, „das seinen Namen verdient hat“. Das Wichtigste sei, so Thiele, dass die Kosten über einen „umfassenden Stellenabbau“ sofort und nachhaltig gesenkt würden. Mindestens 30.000 Jobs müssten weg, und zwar möglichst rasch.

Thiele ist bekannt für seine rabiaten kapitalistischen Methoden. Der 79-jährige Multimilliardär, der laut Forbes mit einem Vermögen von 13 Milliarden Euro zu den 100 reichsten Männern der Welt gehört, baute seine Firma Knorr-Bremse zum Weltmarktführer bei Bremsen für Züge und Nutzfahrzeuge aus. 2004 trat er aus dem Arbeitgeberverband aus. Er lässt die Beschäftigten 42 Stunden in der Woche arbeiten, sieben Stunden länger als in tariflich gebundenen Metallbetrieben. Seine Milliarden bunkert er mit Vorliebe in Steuerparadiesen.

Auch jetzt fordert Thiele die Auflösung der Tarifverträge, die völlig aus der Zeit seien und „angesichts der katastrophalen Lage“ nicht länger aufrechterhalten werden könnten. Entweder Vorstand und Gewerkschaften würden die Verträge neu verhandeln und dabei einen deutlichen Lohn- und Sozialabbau festlegen, „oder die Lufthansa muss die Verträge kündigen“.

Thiele sei „ein harter Hund“ schreibt der Spiegel, fügt aber hinzu: „Allerdings sieht die Bundesregierung die Lage sehr ähnlich.“

Am Ende des Artikels wird noch auf eine weitere Methode hingewiesen, auf einen „radikalen Schachzug“, um alle tariflichen Vereinbarungen und die Pensionskosten auf einen Schlag loszuwerden: Das Schutzschirmverfahren, eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Der Spiegel schreibt: „Einige einflussreichen Manager im Luftfahrtkonzern spielen schon durch, welche Vorteile ein Schutzschirmverfahren bringen würde: Nach drei Monaten könnte jeder Arbeitsvertrag gekündigt werden. Tarifverträge wären null und nichtig.“

Diese Drohung dient vor allem dazu, den Gewerkschaften zu helfen, noch weitere Verschlechterungen in Form von Lohnsenkung und Sozial- und Arbeitsplatzabbau gegen den Widerstand der Beschäftigten durchzusetzen.

Schon bisher spielen die drei im Betrieb vertretenen Gewerkschaften eine Schlüsselrolle, um die drakonischen Sparmaßnahmen zu ermöglichen: die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO), die Pilotengewerkschaft Cockpit (VC) und natürlich Verdi, die bei der Lufthansa seit jeher als Hausgewerkschaft fungiert. Alle drei sind im Aufsichtsrat vertreten, wobei Verdi-Funktionärin Christine Behle den einflussreichen und lukrativen Posten der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden innehat.

Die Gewerkschaften sind an allen Strategiedebatten maßgeblich beteiligt. Viele Sparmaßnahmen und Kürzungsprogramme wurden und werden direkt von der Gewerkschaft konzipiert und ausgearbeitet. Alle drei Gewerkschaften stimmten dem milliardenschweren Rettungspaket der Bundesregierung zu und riefen sogar zu Kundgebungen auf, um es zu unterstützen.

Auch jetzt unterstützen die Gewerkschaften die Bundesregierung und kritisieren den Unternehmensvorstand um Lufthansa-Chef Spohr von rechts. Sie werfen ihm vor, sein Sanierungskonzept sei nicht weitreichend und konsequent genug.

Verdi war mit Christine Behle, die seit 27 Jahren Mitglied der Regierungspartei SPD ist, direkt in die Verhandlungen mit der Bundesregierung über das Lufthansa-Rettungspaket eingebunden. Behle versicherte der Konzernleitung und den Anteilseignern, dass Verdi zu massiven Einschnitten bereit sei, allerdings müsse ein Sanierungskonzept vorgelegt werden, das die Lufthansa angesichts der Krise und wachsenden Konkurrenz auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig mache.

In einem früheren Spiegel-Interview hatte Behle betont, dass die Gewerkschaft immer zu Verhandlungen und Zugeständnissen bereit war und es auch weiterhin sei. „Dass Kapazitäten abgebaut werden müssen, sind wirtschaftliche Entscheidungen, die nicht von vornherein falsch sind.“ Streiks und Arbeitskampfmaßnahmen lehnte sie entschieden ab.

Auf die Frage des Spiegels, ob es „überhaupt eine Chance“ gebe, „den Stellenabbau im großen Stil“ nicht nur bei Lufthansa, sondern auch bei anderen europäischen Fluggesellschaften „zu verhindern oder gar dagegen zu streiken“, antwortete Behle: „In so einer Situation ergeben Streiks keinen Sinn.“ Was man brauche, sei „einfach ein vernünftiges Miteinander“.

Auch die beiden anderen Gewerkschaften unterstützen die Sanierungsforderungen der Regierung. Sie überbieten sich regelrecht gegenseitig mit Sparvorschlägen zu Lasten der Belegschaft.

UFO unterschrieb schon im Sommer eine Vereinbarung mit Lufthansa, die dem Konzern bis Ende 2023 Einsparungen von einer halben Milliarde Euro bringt. Umgerechnet auf die 22.000 Kabinenmitarbeiter der Muttergesellschaft, für die die Vereinbarung gilt, bedeutet dies einen durchschnittlichen Einkommensverlust von 23.000 Euro im Verlauf von dreieinhalb Jahren.

Verwirklicht werden die Einsparungen durch das Aussetzen von Lohnerhöhungen, die Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechender Lohnsenkung, die Reduzierung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sowie den Abbau von Arbeitsplätzen. Hinzu kommen „freiwillige“ Maßnahmen wie unbezahlter Urlaub, weitere Arbeitszeitabsenkungen sowie ein vorzeitiger Eintritt in die Rente. Die Betroffenen verlieren damit nicht nur einen großen Teil ihres gegenwärtigen Einkommens, sondern auch ihrer zukünftigen Altersversorgung.

Cockpit hatte bereits Ende April jährliche Einsparungen in Höhe von 350 Millionen Euro bei den Piloten von Lufthansa, Germanwings, Lufthansa Cargo und Lufthansa Aviation Training angeboten. Die Rede war vom Verzicht auf 45 Prozent des Gehalts. Mittlerweile hat die Pilotengewerkschaft ein Krisenpaket über Kürzungen in Gesamthöhe von 850 Millionen Euro bis Juni 2022 ausgehandelt.

Im Sommer schrieben wir auf der WSWS: „Die Ereignisse bei Lufthansa zeigen eindrücklich den Bankrott der Gewerkschaften und ihrer Perspektive.“ Das zeigt sich nun jeden Tag aufs Neue.

Seit Jahrzehnten ordnen die Gewerkschaften die Interessen der Arbeiter im Rahmen der Sozialpartnerschaft den Profitinteressen der Konzerne unter. Es gibt in Deutschland und in den meisten andern Ländern keine Massenentlassung und Betriebsstilllegung, die nicht die Unterschrift der Gewerkschaften und ihrer Betriebsräte trägt.

Bei Lufthansa gehen die Gewerkschaften nun soweit, im Namen der „Unternehmensrettung“ die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze und einen massiven Lohn- und Sozialabbau anzubieten. Sie arbeiten eng mit der Großen Koalition zusammen und unterstützen ihre „Nationale Industriestrategie 2030“. Genau wie die Regierung und die Wirtschaftsverbände sind auch die Gewerkschaften der Auffassung, dass sowohl die Corona-Pandemie als auch die US-Wahl als Chance betrachtet werden müsse, die deutschen Konzerne wettbewerbsfähig zu machen und auf einen weltweiten Wirtschaftskrieg vorzubereiten.

Die Krise in der Luftfahrtindustrie – wie auch in allen anderen Bereichen – lässt sich auf kapitalistischer Grundlage und im nationalen Rahmen nicht lösen. Sie erfordert die Enteignung der Konzerne und ihre Überführung in demokratisch kontrollierte, öffentliche Institutionen, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen und nicht dem Profit dienen.

Die Beschäftigten der Luftfahrtindustrie müssen mit den bankrotten Gewerkschaften brechen und unabhängige Aktionskomitees aufbauen, die sich international und konzernübergreifend vernetzen, um die Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen zu organisieren und für eine sozialistisches Programm zu kämpfen. Die WSWS wird sie dabei unterstützen.

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