Neuer Rekord in den USA: 200.000 Covid-19-Fälle pro Tag, Krankenhäuser am Limit

In den Vereinigten Staaten richtet eine dritte Corona-Welle verheerende Schäden in den ohnehin schon zum Äußersten strapazierten Gesundheitssystemen an. Allein am Freitag gab es 200.000 bestätigte Fälle und fast 2.000 Tote. Das Institute for Health Metrics and Evaluation rechnet noch vor Ende der Winterferien mit weiteren 50.000 Todesopfern.

Patient auf einer Intensivstation (ICU) [Quelle: Wikimedia Commons]

Trotz dieses katastrophalen Anstiegs der Zahlen wollen weder die scheidende Trump- noch die neue Biden-Regierung einen national koordinierten Lockdown organisieren, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Bis heute verzeichnen die USA 12,2 Millionen bestätigte Corona-Fälle und mehr als 260.000 Tote. Enorm ist auch die Zahl von 4,5 Millionen aktiven Fällen, mehr als ein Prozent der gesamten US-Bevölkerung, und davon mehr als 80.000 stationär. Nicht nur, dass beide Zahlen ein Rekordniveau erreicht haben: das Tempo, mit dem beide wachsen, übertrifft sogar bei Weitem den starken Anstieg der Fälle und Krankenhauseinweisungen im April. Das zeigt, wie weit sich die Pandemie in den Vereinigten Staaten ausgebreitet hat, und wie wenig derzeit getan wird, um die Ausbreitung zu verlangsamen.

Die Maßnahmen, die ergriffen werden, beschränken sich auf das Tragen einer Maske, kurzfristige und begrenzte Einschränkungen der Öffnungszeiten von Bars und Restaurants sowie den guten Rat, weiter wachsam zu bleiben. Die zwei wichtigsten Infektionsherde, Schulen und Arbeitsplätze, bleiben weiter geöffnet, auch wenn Arbeiter und Schüler dabei das Leben riskieren.

Die explosionsartige Zunahme der Fälle im ganzen Land dämpft auch die Hoffnung auf einen Impfstoff, denn angesichts der schieren Menge an Infektionen und der rapide steigenden Zahl der Todesfälle wird sich das Impfen als logistische Herausforderung erweisen. Viele, die mit dem öffentlichen Gesundheitswesen vertraut sind, gehen davon aus, dass der größte Teil des nächsten Jahres vorbeigehen wird, ehe ein Impfstoff an die breite Bevölkerung verteilt werden kann. Noch dazu sind 4,5 Milliarden Dollar Bundeshilfe nötig, um das Netzwerk zur Verteilung des Impfstoffs aufzubauen und zu koordinieren.

Bezeichnenderweise hat die Krankenhausvereinigung von Wisconsin warnend darauf hingewiesen, dass das Gesundheitssystem dieses Bundesstaats am Rande einer Katastrophe steht. Der Präsident der Wisconsin's Hospital Association, Eric Borgerding, schrieb an den demokratischen Gouverneur Tony Evers, dass der Bundesstaat mehr Feldlazarette benötige: „Wisconsin steht vor einer Krise des öffentlichen Gesundheitswesens, wie wir sie seit drei Generationen nicht mehr erlebt haben. Eine Krise dieser Größenordnung, die durch ein Virus verursacht wird, das so offensichtlich in ganz Wisconsin wütet, erfordert eine einheitliche und umfangreiche Reaktion.“ Dennoch geht die Regierung von Wisconsin nicht davon aus, irgendeine Maßnahme zur Schließung oder Beschränkung lokaler Unternehmen anzuordnen. Das einzige, worauf man sich vorläufig geeinigt hat, ist die Verlängerung der bereits bestehenden Maskenpflicht bis 2021.

Am Donnerstag gab das Center for Disease Control and Prevention (CDC) eine dringende Warnung vor Reisen zu Thanksgiving heraus. Dr. Erin Sauber-Schatz von der CDC erklärte: „Die sicherste Art und Weise, dieses Jahr Thanksgiving zu feiern, ist zu Hause mit den Menschen in Ihrem Haushalt.“ Trotz dieser Warnung geht der Verkehrsclub American Automobile Association davon aus, dass in diesem Zeitraum bis zu 50 Millionen Amerikaner ihre Familie oder Freunde besuchen werden, 95 Prozent davon mit dem Auto. Diese massive Reisetätigkeit der Bevölkerung wird die prekäre Situation weiter verschärfen. Im Jahr 2019 waren etwa 55 Millionen Menschen in dieser Zeit unterwegs.

Nicht nur der Mangel an materieller Ausstattung bringt das Gesundheitssystem an den Rand des Abgrunds, besonders kritisch ist auch die Unterversorgung mit Fachkräften. STAT News berichtete, dass Krankenhäuser in 25 Bundesstaaten stark unterbesetzt seien. Das zwingt die Einrichtungen dazu, schwerkranke Patienten über Hunderte von Kilometern und über die Staatsgrenzen hinweg zu verlegen, um für sie ein Krankenhausbett zu finden.

John Henderson, Chief Executive eines Krankenhausverbandes in Texas, sagte es unverblümt: „Pflege ist mehr als nur ein Zimmer mit einem Krankenhausbett. Es geht um medizinische Fachkräfte, die sich um die Patienten kümmern. Wenn Sie dafür das Personal nicht haben, dann werden Menschen sterben.“ In Texas gibt es jetzt mehr als 8.000 Krankenhauspatienten, gegenüber 3.000 im September.

Im Odessa Regional Medical Center wurde die Intensivstation für Neugeborene in eine Covid-19-Intensivstation für Erwachsene umgewandelt. Die Kapazität der Intensivstation reichte nicht aus, so dass eine zusätzliche Einheit in einem separaten Gebäude eingerichtet werden musste. Dort kommen jetzt sechs bis acht Patienten auf eine Intensivpflegerin, die normalerweise höchstens für zwei Patienten zuständig wäre. Dr. Rohith Saravanan, der Chefarzt des Krankenhauses, sagte gegenüber CNN: „Die einzigen Räumlichkeiten, die im Moment nicht belegt sind, sind die Gänge. Für jeden Patienten, den Sie hier sehen, gibt es außerhalb des Krankenhauses noch einige weitere, die positiv sind und Pflege bräuchten, aber dafür gibt es keinen Platz. Die kritischeren Fälle werden aufgenommen, und der Rest wird nach Hause geschickt.“

Diese Szenarien wiederholen sich von den ländlichen Gebieten in Kansas, Missouri, Utah, Dakotas bis hin zu den Großstädten im Bezirk Los Angeles und den Vororten von Chicago. Ein Teil des Gesundheitspersonal ist mit Covid infiziert oder befindet sich in Quarantäne, und dazu kommt der chronischer Mangel an Pflegepersonal und Ärzten in den ländlichen Gemeinden. Dies alles führt dazu, dass von den Ersatzkrankenschwestern, mit denen man im Frühjahr rechnen konnte, heute praktisch niemand mehr vorhanden ist.

Wie John Palmer, Sprecher der Ohio Hospital Association, vor kurzem erklärte, herrscht in mindestens jedem fünften der 240 Krankenhäuser des Bundesstaats akuter Personalmangel.

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