Neue Corona-Hotspots bei Tönnies und Amazon

Die Maßnahmen der Merkel-Regierung und der Bundesländer stoppen die Sars-CoV-2-Pandemie nicht, sondern opfern jeden Tag völlig unnötig hunderte Menschenleben den Profitinteressen der Konzerne und Banken. Das zeigen die täglich registrierten Fallzahlen: Trotz hoher Dunkelziffer meldet das RKI sehr hohe neue Infektions- und steigende Todeszahlen. Auch am Freitag waren es wieder fast 23.500 Neuinfektionen und 432 Todesfälle innerhalb von 24 Stunden.

Die Maßnahmen, die jetzt außer an Weihnachten noch bis zum 10. Januar gelten, betreffen nur private Bereiche. Bund und Länder verzichten grundsätzlich darauf, Betriebe, Schulen und Kitas zu schließen und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel einzuschränken. Damit konterkarieren sie das erste Gebot jeder erfolgreichen Pandemiebekämpfung: ‚Vermeide alle sozialen Kontakte!‘

„Das Virus verbreitet sich überall dort, wo Menschen zusammenkommen. Das Virus ist immer da“, konstatierte auch RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag.

Mehr als 18.000 Menschen sind in Deutschland bisher an Covid-19 gestorben. Der tödliche Verlauf trifft vor allem Senioren. Aber auch viele Jüngere haben schwere Verläufe und sterben an Sars-CoV-2. So ist in Hamburg am 1. Dezember die 29-jährige Rapperin Brittanya Karma dem Virus erlegen. Laut den offiziellen RKI-Tabellen sind bisher mindestens zwölf Lehrer und Erzieher, 27 Pflegekräfte in den Krankenhäusern und 55 weitere in Alters- und Pflegeheimen und Massenunterkünften der grausamen Lungenkrankheit erlegen.

In einer neuen Studie haben Intensivmediziner festgestellt, dass im Verlauf der ersten Corona-Welle rund 20 Prozent der stationär behandelten Covid-19-Patienten gestorben sind. Von denen, die auf eine Intensivstation kamen, starb sogar jeder zweite. Diese erschreckenden Ergebnisse, die aus den Daten von rund 10.000 Patienten gewonnen wurden, stellte Prof. Christian Karagiannidis von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) am Mittwoch der Öffentlichkeit vor.

Arbeiterin in einem Amazon Fulfillment Center (AP Photo/David McNew)

Unter den Menschen, die zurzeit auf einer Intensivstation um ihr Leben ringen, befinden sich offenbar mindesten fünf Amazon-Beschäftigte. Erkrankt sind hunderte von ihnen. Dies haben lokale Verdi-Betriebsräte in den Logistikzentren Graben (Bayern) und Koblenz (Rheinland-Pfalz) bekannt gemacht. Damit richtet sich der Fokus auf die Arbeiterschichten, die die schlechtesten Bedingungen haben, am wenigsten verdienen und am stärksten durch Covid-19 gefährdet sind.

Über einen Tweet meldete Verdi am 26. November: „Am Standort Graben bei Augsburg sind derzeit von den insgesamt 1800 Beschäftigten rund 300 Beschäftigte an Covid-19 erkrankt. Von den ver.di-Mitgliedern unter den Infizierten liegen fünf auf der Intensivstation.“ Auch bei Amazon in Koblenz gab es im November Dutzende neue Covid-19-Fälle. Deshalb ließ das Unternehmen bis zum 26. November zwei Wochen lang in Koblenz die gesamte Nachtschicht ausfallen; rund 400 Mitarbeiter waren in Quarantäne.

Die Zahl von 300 Infizierten in Graben geht laut SüddeutscherZeitung auf die Augsburger Gewerkschaftssekretärin Sylwia Lech zurück, die Aussagen von Beschäftigten ausgewertet hat. Dem widersprachen ein offizieller Amazon-Sprecher und ein Vertreter des Gesundheitsamts Augsburg. Ihnen zufolge sei aus dem Amazon-Standort Graben „nur“ eine Zahl von etwa 30 Infizierten bekannt.

Wie Lech dagegen erklärte, kommen die Amazon-Arbeiter aus einem riesigen Einzugsgebiet, das über den Kreis hinaus bis nach München und Kaufbeuren reicht. Das Gesundheitsamt in Augsburg bekomme niemals alle Fälle mit. Die Zahlen sind in jedem Fall alarmierend und zeigen, dass Amazon schlimme Ausbrüche bislang vertuscht und verharmlost hat.

Der milliardenschwere Konzern verzichtet darauf, all seine Beschäftigten systematisch zu testen und zu schützen, und geht notfalls über Leichen. Dies besonders jetzt, wo es gilt, das profitable Weihnachtsgeschäft nicht zu gefährden. Schon vor der Pandemie war der Amazon-Gründer und CEO Jeff Bezos der reichste Mann der Welt. In den letzten Monaten, als Covid-19 wütete, konnte er sein Vermögen auf über 200 Milliarden Dollar steigern.

Gleichzeitig haben sich allein in den Vereinigten Staaten 20.000 Amazon-Arbeiter mit Covid-19 infiziert. Auch in den europäischen Filialen, in Spanien, Frankreich, Italien, Polen oder Deutschland, ist es zu Ausbrüchen gekommen, die Amazon jedoch nach Kräften vertuscht.

Die Gesundheitsämter der Kreise, in denen die Logistikzentren liegen, sehen keinen Handlungsbedarf und kontrollieren den Konzern kaum, der offenbar keine tagesaktuellen, präzisen Zahlen liefert. Dabei ist Amazon für die subtilsten und umfassendsten Monitoring-Praktiken bekannt, wenn es darum geht, seine Angestellten zu überwachen.

Auch Verdi selbst rührt keinen Finger, um für einen besseren Pandemieschutz zu sorgen. Die Dienstleistungsgewerkschaft steht uneingeschränkt hinter der Durchseuchungspolitik der Bundes- und Länderregierungen, in denen viele Minister mit Verdi-Mitgliedschaft sitzen. Die Gewerkschaft spielt eine Schlüsselrolle dabei, jeden Widerstand gegen diese Politik in den Schulen und anderen öffentlichen Betrieben und Einrichtungen zu sabotieren. Dieselbe Politik verfolgt sie auch bei Amazon.

Auf ihren Websites belehrt Verdi selbst Hochrisikopatienten unter ihren Mitgliedern, dass sie unter Gefährdung ihres Lebens zur Arbeit zu gehen haben. Unter der Überschrift „Coronavirus: Was Beschäftigte wissen müssen“ heißt es dort: „Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, sei es bei der Arbeit oder in der Freizeit, sich zu verletzen oder sich mit einer Krankheit anzustecken. Das gilt auch für Beschäftigte mit einer Vorerkrankung, die sie zwar nicht arbeitsunfähig macht, aber mit der sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, einen schwereren Krankheitsverlauf durch eine Coronavirus-Infektion zu entwickeln.“

Auch in anderen großen Betrieben gibt es neue Corona-Ausbrüche. Bei dem Großschlachthof Tönnies in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) wurden vor wenigen Tagen 172 Arbeiter positiv auf Covid-19 getestet. Die Produktion mit 2200 Beschäftigten soll dennoch weitergehen. Das Unternehmen versprach nur, die infizierten Arbeiter in besondere Quarantäne-Einrichtungen zu bringen und weitere Tests durchzuführen. Im Sommer gab es im Tönnies-Hauptwerk in Rheda-Wiedenbrück (NRW) große Massenausbrüche, bei denen sich mehr als 2000 Menschen infizierten. Etwa 40 Arbeiter mussten damals stationär behandelt werden, einige von ihnen intensiv.

Trotzdem geschah nichts. Gestützt auf Regierungsentscheidungen sind Tönnies und andere Schlachthöfe in der Lage, trotz explosiver Ausbreitung von Sars-CoV-2 weiter auf Hochtouren zu produzieren und sogar noch sonntags schlachten zu lassen.

„Regierungen schützen Profite, nicht Leben“, lautet der Titel eines WSWS-Artikels vom 30. Oktober, in dem es heißt: „Die von den europäischen Regierungen vorgeschlagenen Maßnahmen werden die Pandemie nicht aufhalten und einen katastrophalen Verlust an Menschenleben nicht abwenden.“ Genau das hat sich im November, dem bisher tödlichsten Monat der Corona-Pandemie, bereits deutlich gezeigt. Allein in den letzten zwei Wochen gab es in Europa 72.000 und in Deutschland mehr als 4400 vermeidbare Corona-Todesfälle.

Deshalb rufen die WSWS und die Sektionen des IKVI dazu auf, unabhängige Aktionskomitees in Unternehmen, Betrieben, Schulen und Kitas aufzubauen, um den Schutz vor der Pandemie selbst in die Hand zu nehmen. Wie es in dem bereits zitierten Artikel heißt: „Die Durchsetzung einer echten ‚Stay-at-Home‘-Politik zum Schutz der Bevölkerung vor der globalen Pandemie erfordert eine unabhängige, internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die europäischen Regierungen.“

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