Indien: Fabrikinspektoren aus Karnataka stellen Missbrauch von Arbeitern im Wistron-iPhone-Werk fest

Eine von der Regierung des südindischen Bundesstaates Karnataka eingeleitete Untersuchung ergab schwerwiegende Verstöße gegen die Arbeitsgesetzgebung durch den taiwanesischen multinationalen Konzern Wistron Corporation.

Die Untersuchung erfolgte nach einem Aufstand der Wistron-Arbeiter im Werk Narasapura wegen nicht gezahlter Löhne. Das Werk, das iPhone 7 und iPhone SE für Apple herstellt, liegt etwa 55 km von der Landeshauptstadt Bengaluru entfernt.

Apple CEO Tim Cook zusammen mit indischen Politikern (mit freundlicher Genehmigung von Apple Insider)

Die Empörung in der Fabrik kochte am 12. Dezember über, nachdem das Management Arbeitern die Tür vor der Nase zuschlug, die die Zahlung von Lohnrückständen forderten. Bei einigen von ihnen hatten sich Lohnrückstände von drei Monaten oder mehr angesammelt, obwohl sie gezwungen wurden, 12-Stunden-Schichten zu arbeiten. Die Provokation löste eine gewalttätige Reaktion von Tausenden von Arbeitern aus, die die Büros der Manager verwüsteten und ihre Fahrzeuge umwarfen.

Zunächst beschuldigte das Unternehmen die Arbeiter, im Werk einen schweren Schaden von 4,37 Milliarden Rupien (58 Millionen Dollar) angerichtet zu haben. Später ruderte das Unternehmen jedoch zurück und erklärte, dass „im Gegensatz zu früheren Berichten die Gewalttätigkeiten keine materiellen Schäden an wichtigen Produktionsanlagen und Lagerhäusern verursacht haben. Nach vorläufigen Schätzungen liegen die Schäden im Bereich von 270 bis 520 Mio. Rupien (3,6 bis 7,2 Mio. Dollar).“

Die Untersuchung der staatlichen Behörde für Fabriken, Kessel, industrielle Sicherheit und Gesundheit ergab, dass das Unternehmen die Arbeitszeit illegal von 8 auf 12 Stunden pro Tag erhöht und die vorgeschriebenen Überstundenlöhne nicht gezahlt hatte. Darüber hinaus machte sich das Unternehmen entsprechend den Gesetzen von Karnataka strafbar, weil es die Löhne nicht rechtzeitig gezahlt hatte. Diese Gesetze besagen, dass die Löhne um den Ersten des Monats herum gezahlt werden müssen. Stattdessen zahlte das Unternehmen die Löhne der Arbeiter unregelmäßig auf Bankkonten ein, wobei einige Löhne erst in der dritten Woche des Monats gezahlt wurden.

Der Bericht hob außerdem hervor, dass das Zeiterfassungssystem völlig unzureichend war, was dazu führte, dass das Unternehmen die von einem Mitarbeiter geleisteten Arbeitsstunden zu niedrig ansetzte. Es gab eine große Diskrepanz zwischen der Praxis des Unternehmens in der Fabrik und den gesetzlichen Vorschriften, zu deren Einhaltung das Unternehmen verpflichtet war, so der Bericht.

Trotz solch grober Verstöße, einschließlich des Lohndiebstahls, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Führungskräfte von Wistron in irgendeiner Weise zur Rechenschaft gezogen werden.

Wistron-Arbeiter rebellieren wegen unbezahlter Löhne

Im Gegensatz zu der Behandlung von Wistron Corporation mit Samthandschuhen sind bei Razzien der Polizei mindestens 160 Arbeiter zusammengetrieben, ins Gefängnis geworfen und mit Strafverfolgung bedroht worden. Anderen Presseberichten zufolge hat die Polizei auf Geheiß des Unternehmens First Information Reports (FIR) gegen eine ungeheuerliche Zahl von 7.000 Personen eingereicht. Eine FIR ist ein formales Dokument, das von der Polizei eingereicht wird, wenn sie eine Strafanzeige erhält, und der erste Schritt zu einer möglichen Strafverfolgung. In diesem Fall handelte die Polizei aufgrund der Beschwerden des Unternehmens, um diese Tausende von FIRs auszustellen.

Die überwältigende Mehrheit der in diesem Werk beschäftigten Arbeiter waren Vertragsarbeiter, die nach Belieben eingestellt und entlassen werden, brutale Arbeitsbedingungen ertragen müssen und Sklavenlöhne erhalten. Nach Angaben des Arbeitsministeriums des Bundesstaates sind mindestens 8.490 Arbeiter über verschiedene Vertragsfirmen beschäftigt und nur 1.343 sind festangestellte reguläre Arbeiter des Unternehmens.

Einer der Arbeiter äußerte sich anonym gegenüber dem The Indian Express und enthüllte die erschütternden Lohn- und Arbeitsbedingungen, die die Arbeiter ertragen müssen:

„Nach unseren [Vorstellungs]gesprächen sagten sie, dass unsere Schicht acht Stunden dauern würde und dass wir 15.000 Rupien (201 Dollar) pro Monat auf die Hand bekommen würden, nachdem Steuern und der Provident Fund für die Rente abgezogen wurden. Wir bekamen jedoch weniger als 10.000 Rupien (133 Dollar) und die Löhne unterschieden sich sogar von einer Person zur anderen.“

Weiter fügte er hinzu: „Die Firma hat Nachtschicht- und Tagschicht-Zulagen von nur 127 Rupien (1,70 Dollar) und 50 Rupien (67 US-Cents) pro Tag zusätzlich zum Essen zugestanden. Obwohl wir anfangs acht Stunden arbeiteten, wurden wir in den letzten drei Monaten aufgefordert, mehr als 13 Stunden zu arbeiten, mit einer Mittags- oder Abendessenpause von nur einer Stunde dazwischen. Abgesehen davon wurden im letzten Monat mehrere Arbeiter entlassen.“

Als Reaktion darauf betreibt Apple Schadensbegrenzung. Es behauptet nun, dass dieses Werk auf „Bewährung“ gesetzt wurde, d.h. es wird keine neuen Aufträge von Apple geben, bis Wistron „die Probleme behoben hat“.

Apples Stellungnahme ist völlig heuchlerisch. Es ist berüchtigt dafür, die Vertragshersteller von Apple-Produkten unter Druck zu setzen. Sein unerbittlicher Druck auf die Fabriken in China und Taiwan, die „Kosten“ zu senken, ist die Art und Weise, wie es durchgängig seine Superprofite aufrechterhält.

Dies wurde vor Kurzem aufgedeckt, als die Pegatron Corporation, ein weiterer prominenter Hersteller und Zulieferer für Apple, wegen missbräuchlicher Praktiken gegen Arbeiter in seiner Anlage in China auf „Bewährung“ gesetzt wurde.

Presseberichten zufolge versuchte Wistron vor einigen Monaten, die Produktion von iPhones in diesem Werk massiv hochzufahren. Das Unternehmen stellte Tausende von neuen Vertragsarbeitern ein, was dazu führte, dass die bestehenden Systeme zur Verwaltung der Arbeitskräfte und zur Zeiterfassung überfordert waren.

Nach dem Aufstand im Werk konzentrierte sich die Regierung des Bundesstaates Karnataka, unter der Führung des erzreaktionären BJP-Ministerpräsidenten Yeddyurappa, zusammen mit der nationalen Regierung von Premierminister Narendra Modi auf den „Schaden“, den dies für ihre „Made in India“-Kampagne bedeuten könnte.

Transnationale Hersteller der „Made in India“-Kampagne wie die Wistron Corporation stellen Vertragsarbeiter ein, denen man einen Hungerlohn bezahlen und die man nach Belieben einstellen und entlassen kann, im Gegenzug für die Ansiedlung von Fertigungs- und Montageanlagen in Indien. Modis Regierung hat Arbeitsgesetze und Umweltvorschriften ausgehöhlt und bietet als weitere Anreize finanzielle Vergünstigungen.

Yeddyurappa wetterte nach dem Aufstand der Wistron-Arbeiter:

„Wir haben Maßnahmen ergriffen. Ausländische Unternehmen sind wichtig. Diese Dinge hätten nicht passieren dürfen. Der Premierminister ist auch sehr besorgt. Wir haben Anweisungen erteilt, dass solche Dinge nicht toleriert werden und lassen sie weiter produzieren (sic).“

Im Rahmen dessen, was die Modi-Regierung als „Production Linked Incentives“ (PLI) bezeichnet, wurde eine gigantische Summe von 6,65 Milliarden Dollar für Unternehmen, darunter die Top-Apple-Zulieferer Foxconn, Pegatron und Wistron, bereitgestellt, um Smartphones lokal zu produzieren.

Die BJP hat seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2014 den globalen Konzernen „den roten Teppich ausgerollt“, wie Modi es ausdrückt. Dies war ihr politischer Schwerpunkt auch während der Covid-19-Pandemie, die sich unkontrolliert ausbreitete und zu über 146.000 Todesfällen in Indien führte. Damit liegt Indien nur hinter Brasilien und den Vereinigten Staaten.

Dies hat eine Massenopposition ausgelöst. Am 26. November beteiligten sich Dutzende Millionen Arbeiter und Bauern an einem landesweiten Generalstreik gegen die Modi-Regierung. Inzwischen belagern Hunderttausende von Bauern seit vier Wochen die Hauptstadt Neu-Delhi. Verschiedene andere Unruhen, darunter ein sechswöchiger Streik mit anschließender Aussperrung von 3.000 Autoarbeitern bei Toyota Kirloskar Motors in Karnataka und ein unbefristeter Streik von 5.000 Krankenschwestern am All India Institute of Medical Sciences, Indiens führendem medizinischen Institut.

Loading