Maschinenbau Heller baut Arbeitsplätze ab und senkt Löhne

Der Maschinen-Hersteller Heller hat am letzten Freitag den Abbau von 250 Arbeitsplätzen sowie Lohn- und Gehaltskürzungen bekannt gegeben. In einer Vereinbarung mit der IG Metall werden die Arbeiter mit dem Versprechen erpresst, damit seien Entlassungen im Stammwerk im baden-württembergischen Nürtingen bis Ende Mai 2022 ausgeschlossen.

Heller Maschinenfabrik Werk Nürtingen (Bild: Heller / CC BY-SA 3.0)

Heller ist ein 1894 gegründetes Familienunternehmen, das sich auf die Herstellung von CNC-Fräsmaschinen und Maschinen zur Bearbeitung von Kurbel- und Nockenwellen spezialisiert hat, auch für die Autoindustrie. Im Mai 2019 feierte das Unternehmen, das weltweit 2600 Arbeiter, davon 1700 in Nürtingen beschäftigt, sein 125-jähriges Bestehen.

Vor einem Jahr, im Januar 2020, erklärte der Betriebsratsvorsitzende Bernd Haußmann in der IGM-Mitgliederzeitung metallzeitung selbstgefällig, dass er für 2020 mit fast 30 Prozent weniger Umsatz rechne. Aber niemand müsse um seinen Arbeitsplatz bangen. Er und seine Betriebsrats-Kollegen hätten sich bereits mit der Geschäftsleitung darauf verständigt, der Situation zu begegnen.

Was der Betriebsratsvorsitzende damit meinte, spürten die Arbeiter in ihrem Portemonnaie. Denn die letztjährige Vereinbarung sah vor, Arbeitszeit und Entgelt für ein halbes Jahr um 10 Prozent zu reduzieren. Das sei angesichts der schwierigen Situation positiv, denn niemand verliere dadurch seinen Arbeitsplatz.

Alle Beschäftigten hatten das von der IG Metall im Jahr zuvor vereinbarte tarifliche Zusatzgeld in freie Tage umwandeln müssen. 2019 rühmte sich die Gewerkschaft damit, dass mit dieser Vereinbarung die Arbeiter frei wählen könnten, ob sie lieber mehr Geld oder mehr Urlaub haben wollten. Wie bei Heller nutzten die Unternehmen diese Regelung, um die Löhne einzufrieren, von freier Wahl keine Spur. Im Anschluss an das halbe Jahr Lohnverzicht wurde Kurzarbeit angemeldet, das weitere Lohneinbußen mit sich brachte.

Doch trotz der von der IG Metall verordneten Opfer, mit denen angeblich die Arbeitsplätze gesichert wurden, streicht das Stammwerk in Nürtingen nun, nur zwölf Monate später, jeden siebten Arbeitsplatz.

Neben dem Abbau der 250 Stellen einigten sich die Geschäftsleitung und die IG Metall zusätzlich auch jetzt wieder auf Lohn- und Gehaltskürzungen. Die Belegschaft soll auf einen größeren Teil der tariflichen Sonderleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten. Außerdem ist für die Produktionsarbeiter erneut bis Ende 2021 vermehrt Kurzarbeit angemeldet.

Firmenchef Klaus Winkler begründete das Sparprogramm mit dem „extremen“ Umsatz- und Auftragseingang in 2020. Im Vergleich zu 2019 sei der Umsatz um 40 Prozent zurückgegangen, vom Rekordumsatz von 724,3 Millionen Euro auf 400 Millionen Euro. Inzwischen habe sich die Situation geändert, so Winkler. Bereits November und Dezember seien „ordentliche Monate“ gewesen, was den Auftragseingang betreffe. Der Januar sei sogar noch besser verlaufen. In diesem Jahr erwartet Winkler einen Umsatz von mehr als 400 Millionen Euro und ein positives Ergebnis.

In der Produktion seien die Aufträge allerdings noch nicht angekommen, weil der zeitliche Vorlauf bei einem Werkzeugmaschinenhersteller wie Heller enorm lang sei. Deshalb müssten sich viele Beschäftigte in der Produktion vermutlich noch das gesamte Jahr auf Kurzarbeit einstellen. Derzeit liege sie bei etwa 40 Prozent.

Das einzige Versprechen, das Winkler im Gegenzug gegeben hat, ist, bis Mai 2022 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Der „Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen“ ist das Argument, mit dem die IG Metall immer ihre Zustimmung zum Jobabbau rechtfertigt. Doch in Wirklichkeit wird jedes Mal genau die Anzahl Arbeitsplätze vernichtet, die der Konzern wünscht.

Unzählige Werke sind in den vergangenen Jahren „ohne betriebsbedingte Kündigungen“ vernichtet worden. Wie im letzten Jahr gibt es auch jetzt keinerlei Garantie, dass die erzwungenen Lohnopfer der verbleibenden Heller-Arbeiter auch nur einen Arbeitsplatz sichern, wie die IG Metall glauben machen will.

Die Heller-Arbeiter dürfen den Versprechungen der Gewerkschaft keinen Glauben schenken und müssen die Vereinbarungen im Interesse des Unternehmens zurückweisen. Die IG Metall ist ein Instrument der Unternehmen und der Kapitalbesitzer mit dem Ziel, deren Profitinteressen zu verteidigen und zu sichern. Spätestens wenn der jetzige Vertrag im Mai 2022 ausläuft, sind weitere Angriffe von Management und IG Metall vorprogrammiert. Eine eigenständige Aktion der Beschäftigten gegen die Sparprogramme in Opposition zur IG Metall ist das einzige Mittel, Arbeitsplätze und Löhne zu verteidigen.

Dabei müssen sie sich mit anderen Arbeitern zusammenschließen, die vor den gleichen Problemen stehen. Heller ist eines von vielen mittelständischen Unternehmen, die mit Entlassungen und Sparprogrammen auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten reagieren.

Im Mai 2020 zeichnete eine Umfrage des Arbeitgeberverbands Südwestmetall unter 300 Unternehmen mit rund 264.000 Beschäftigten ein düsteres Bild für die Zukunft. 52 Prozent der Unternehmen seien danach „stark“ bis „sehr stark“ von der Krise betroffen. Fast jeder zweite der insgesamt rund eine Million Beschäftigten waren damals in Kurzarbeit. Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick warnte, dass 45 Prozent der Betriebe Kündigungen in den nächsten Monaten nicht mehr ausschließen.

Einer dieser Betriebe ist die Firma Eberspächer in Esslingen. Im Oktober 2020 legte das Traditionsunternehmen ein Werk mit 300 Beschäftigten still, das Standheizungen für Autos herstellt. Eberspächer wurde 1865 gegründet und beschäftigt heute weltweit fast 10.000 Menschen. Das Unternehmen verlagerte die gesamte Produktion seines Werks nach Polen, um dort die billigen Arbeitskräfte auszunutzen.

Die IG Metall fungierte dabei nicht als Vertreter der Arbeiter, sondern als Unternehmensberater für Eberspächer. Die Gewerkschaft veröffentlichte ein Pamphlet mit dem Titel „Solidarität gewinnt“, in dem der Betriebsrat der Geschäftsführung von Eberspächer schamlos ein so genanntes „Alternativkonzept“ anbot: Dieses sei „solide, handwerklich gut und bringt auch eine erhebliche Kostenreduzierung“ – jährlich rund 10 Mio. Euro. Der geplante Abbau von 300 Stellen würde um knapp die Hälfte reduziert.

„Mit dem Erhalt einer, wenn auch reduzierten, Fertigung müssten auch weniger Arbeitsplätze in den indirekten Bereichen abgebaut werden“, warb der IGM-Betriebsrat. „Und bei der Altersstruktur der Belegschaft könnte ein Großteil des Stellenabbaus über das Ausscheiden Älterer Richtung Rente erfolgen.“

Das „Alternativkonzept“ des IG-Metall-Betriebsrates legt anschaulich offen, wie die Gewerkschaften und ihre betrieblichen Vertreter ihre Rolle sehen. Sie betrachten sich als Co-Manager, die gemeinsam mit den Unternehmensspitzen an Konzepten arbeiten, um die Arbeiter in die Irre zu führen und die benötigten Einsparungen durchzusetzen.

Die Leitung von Eberspächer lehnte das „Alternativkonzept“ ab. Jürgen Groß von der IG Metall Esslingen sagte, das sei noch nicht das Ende: „Wir werden auch danach weiter für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Heizungsfertigung in Esslingen kämpfen.“ Tage später kündigte Eberspächer die Schließung des Werks für Ende 2021 an, alle 300 Mitarbeiter würden ihren Arbeitsplatz verlieren. Der „Kampf“ der IGM ist beendet, bevor er überhaupt begonnen hat.

Wie Eberspächer und Heller drohen auch andere Traditionsunternehmen wie Bosch, Mahle und ZF mit Massenentlassungen und Werksschließungen. Diese Unternehmen sind stark von der auf Verbrennungsmotoren basierenden Autoindustrie abhängig und nutzen den Transformationsprozess und die Pandemie, um die bisherigen Arbeitsbedingungen von Millionen Menschen neu zu definieren.

Die IG Metall spielt bei dieser Neudefinition die Schlüsselrolle. Seit Anfang 2020 schließt sie mit den Management-Etagen der Unternehmen und Konzerne Verträge ab, die die Arbeiter zwingen, die Zugeständnisse wieder aufzugeben, die sie in der Vergangenheit erkämpft haben. Die Abschaffung des Urlaubsgeldes, des Weihnachtsgeldes und anderer sozialer Errungenschaften und Arbeitsbedingungen sind Teil der Vereinbarungen.

Doch so werden Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen nicht verteidigt, sondern abgebaut, vom Schutz der Arbeiter vor einer Covid-19-Infektion ganz zu schweigen.

Die Verteidigung der Arbeitsplätze kann nur durch einen organisatorischen und politischen Bruch mit den Gewerkschaften erfolgen, die als Handlanger der Regierungen und der Industrie fungieren. Der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze ist ein Kampf gegen den Kapitalismus und erfordert die Mobilisierung der Arbeiterklasse für eine sozialistische Perspektive. Dafür tritt die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ein. Die SGP ruft die Arbeiter bei Heller und in den anderen Firmen der Auto-, Metall- und Elektroindustrie auf, ein Netzwerk von Aktionskomitees zur Verteidigung von Arbeitsplätzen zu bilden.

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