Massiver Corona-Ausbruch im Hamburger Airbus-Werk

Das Airbus-Werk in Hamburg ist zum Corona-Hotspot geworden. Insgesamt 21 Arbeiter bei dem Flugzeughersteller haben sich mit Corona infiziert. Daraufhin sind 500 Beschäftigte einer gesamten Schicht in Quarantäne geschickt worden. Der Ausbruch bei Airbus zeigt einmal mehr, dass Arbeiter in Bezug auf die hohen gesundheitlichen Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, völlig auf sich allein gestellt sind. Konzern, Behörden und Betriebsrat fühlen sich den Bankkonten der Aktionäre verpflichtet, anstatt dem Leben und der Gesundheit der Belegschaft.

Airbus-Werk Hamburg-Finkenwerder (Bild: Oxfordian Kissuth / CC BY-SA 2.0)

Bei Airbus in Hamburg arbeiten rund 12.000 Menschen. Die Infizierung und Quarantäne einer gesamten Schicht beim größten Arbeitgeber der Hansestadt haben nicht der Konzern oder der von der IG Metall dominierte Betriebsrat in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, auch nicht die Hamburger Gesundheitsbehörde. Erst nachdem das Boulevardblatt Bild über den Vorfall berichtet hatte, sahen sich die Hamburger Gesundheitsbehörde und der Airbus-Konzern genötigt, der Deutschen Presseagentur (dpa) den Ausbruch zu bestätigen.

Die Ursache der Fälle werde noch untersucht, teilte Airbus der dpa mit. Die Beschäftigten haben in zwei benachbarten Hallen gearbeitet und gemeinsame Pausenräume genutzt, in denen sich vermutlich das Virus ausgebreitet hatte. Ob es sich um eine hochansteckende Mutation des Virus handle, die weitaus größere und gefährlichere Auswirkungen in der Belegschaft habe, könne die Gesundheitsbehörde frühestens Mitte der Woche sagen.

In der Zwischenzeit werden Tausende von Arbeitern weiterhin zur Arbeit geschickt, obwohl die Gefahren nicht einzuschätzen sind. Das gilt für alle insgesamt 27 Konzern-Standorte allein in Deutschland.

Der Airbus-Betriebsrat in Hamburg unter der Leitung von Sophia Kielhorn unterstützte das ausdrücklich. In der Facebook-Gruppe der IG-Metall-Vertrauenskörperleitung wies sie jegliche Verantwortung zurück. „Wir leben im Kapitalismus“, schrieb sie, um ihre Unterstützung der Konzernspitze zu rechtfertigen: „Da hat das Kapital das Sagen, und die Arbeitnehmervertreter können lediglich abmildern und Ausgleich schaffen.“

Unterstützt wurde sie von weiteren Gewerkschaftsvertretern. Marcus Baitis von der Vertrauenskörperleitung bei Premium Aerotec, einem Zulieferer und Unternehmensteil von Airbus SE, beschwor, dass der Betriebsrat „oder gar die Vertrauensleute“ keinerlei gesetzliche Grundlage hätten, „den Arbeitgeber zu einer Schließung des Betriebs zu zwingen“.

Der Strategieberater für Betriebsräte, Peter Müller, pflichtete bei und warnte vor Schadensersatz- und Strafzahlungen, falls die Gewerkschaft zum Streik aufrufen würde. Das sei ein „Spiel mit der Existenz der Menschen“.

Welch eine Verdrehung der Tatsachen! Seit Beginn der Pandemie spielen die Konzerne mit der Existenz – dem Leben – ihrer Beschäftigten und von deren Familien. Allein in Deutschland sind der Pandemie über 50.000 Menschen zum Opfer gefallen – weltweit über 2 Millionen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, durch die Mutationen des Virus mit seinem noch gefährlicheren Ansteckungspotential ist eine Steigerung der Infektions- und Todesfälle zu befürchten.

Die selbstauferlegte Impotenz der Gewerkschaften kommt daher, dass sie sich mit Haut und Haaren den Konzernen und ihren Aktionären verschrieben haben. Egal wie hoch der Preis sein wird, den die arbeitende Bevölkerung mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben zahlt, die Wirtschaft muss laufen.

Der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, erklärte erst kürzlich in der Augsburger Allgemeinen, die Faktenlage spreche „nicht dafür, die Industrie stillzulegen, um die Zahl der Corona-Ansteckungen zu senken. […] Ein Runterfahren der Industrie hätte heftigste volkswirtschaftliche Konsequenzen.“ Gar nicht auszumalen, was geschehen würde, „wenn Airbus über Monate die Produktion einstellen oder durchgehend nur einschichtig arbeiten würde“, schreibt Betriebsratschefin Kielhorn.

Gesundheit und Leben der 12.000-köpfigen Airbus-Belegschaft werden dem Konzerngewinn permanent untergeordnet. Das gilt auch für die Arbeitsplätze. Ende Juni letzten Jahres nutzte Airbus die Corona-Pandemie und kündigte an, weltweit 15.000 der 135.000 Stellen zu vernichten, davon 5100 in Deutschland.

Der Großteil, 3200 Jobs in Produktion, Verwaltung und weiteren Bereichen, entfällt auf Norddeutschland. In den Werken in Hamburg-Finkenwerder, in Buxtehude und Fuhlsbüttel sollen über 2300 Arbeitsplätze dem Rotstift zum Opfer fallen, das wäre dort fast jede sechste Stelle. Der Corona-bedingte Auftragseinbruch soll in Bremen über 400, in Stade rund 360 und an weiteren Standorten 40 Beschäftigten den Arbeitsplatz kosten.

Wie in der Frage der Arbeit unter den Gefahren der Corona-Pandemie sehen die Gewerkschaft und ihr Betriebsrat ihre Aufgabe nicht darin, die Arbeitsplätze zu verteidigen. Über die Arbeitsplätze und damit die Lebensgrundlage der Beschäftigten samt ihren Familien entscheidet der Arbeitgeber – nach Maßgabe der Gewinninteressen. Der Betriebsrat versteht sich als Komplize und Handlanger, dem nichts anderes übrigbleibt, als den Abbau „sozialverträglich abzufedern“, wie Kielhorn es formulieren würde.

Wie überall haben sich das Airbus-Management und der Betriebsrat auf die inzwischen bekannten Umsetzungsmechanismen verständigt. Airbus verzichtet bis Ende März auf betriebsbedingte Kündigungen. Bis dahin sollen vor allem ältere Beschäftigte ab 58 Jahren mit Abfindungen zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes gedrängt werden. Außerdem plant Airbus eine Transfergesellschaft, in der Beschäftigte umgeschult oder weiterqualifiziert werden können – und meist danach in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.

Sollten sich nicht genügend Beschäftigte „freiwillig“ entschließen zu gehen, droht der Konzern ab April mit betriebsbedingten Kündigungen.

Der Corona-Ausbruch im Werk Hamburg-Finkenwerder und der Abbau jedes sechsten Arbeitsplatzes machen deutlich, wie dringend es ist, dass die Beschäftigten sich unabhängig in Aktionskomitees organisieren, um die Verteidigung ihrer Gesundheit, ihres Lebens und ihrer Arbeitsplätze selbst in die Hand zu nehmen.

Als erstes müssen die Beschäftigten in allen anderen Werken informiert und aufgefordert werden, sofortige und umfassende Informationen über die Corona-Krise in ihrem Betrieb zu erhalten. Die anhaltende Informantionsverweigerung und Verschwörung von Konzernleitung, Betriebsrat und Gewerkschaft darf nicht länger hingenommen werden. Wenn im Werk Hamburg-Finkenwerder, das immer seinen hohen Sicherheitsstandard und sein „umfassendes Hygienekonzept“ gepriesen hat, ein derart massiver Corona-Ausbruch stattfindet, dann bedeutet das: Es kann in jedem Werk stattfinden und entwickelt sich bereits überall.

Es ist notwendig, der kapitalistischen Profitlogik entgegenzutreten. Das erfordert eine sozialistische Perspektive, die die Verteidigung der Gesundheit und der Lebensbedingungen der Beschäftigten und ihrer Familien höher stellt, als die Bereicherung der Unternehmensleitung, Wirtschaftsverbände und Investoren. Dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP).

Wir rufen alle Arbeiter, die nicht länger bereit sind, die hohe Ansteckungsgefahr in Betrieben, die systematische Vertuschung der Infektionszahlen und die Fortsetzung der Produktion trotz dramatischer Ausbreitung der Pandemie hinzunehmen, auf: Setzt euch mit uns in Verbindung. Der Kampf zum Schutz der Gesundheit und des Lebens muss mit der Zurückweisung der Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne, Renten und Arbeitsbedingungen verbunden werden.

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