Französischer Ex-Präsident Nicolas Sarkozy zu einjähriger Haftstrafe verurteilt

Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy wurde am Dienstag wegen Korruption und Beeinflussung der Justiz in der „Abhör-Affäre“ zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen zwei Jahre jedoch zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Die Enthüllung, dass sich der höchste Vertreter des französischen Staats derartiger krimineller Handlungen schuldig gemacht hat, ist ein weiterer Schlag für die Legitimität des ganzen politischen Regimes. Sarkozy hatte versucht, einen Staatsanwalt zu bestechen, um die negativen Konsequenzen der Bettencourt-Affäre zu unterdrücken. Im Zuge dieser Affäre wurde bekannt, dass die Bettencourts, eine milliardenschwere Familie mit faschistischer Vergangenheit, einen Großteil des politischen Establishments in Frankreich finanziert haben. Durch diese Enthüllung wurde der ganze Staatsapparat belastet.

Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy im Gerichtssaal in Paris am 1. März 2021 (AP Photo/Michel Euler)

Mit Sarkozy wird zum ersten Mal in der Geschichte der Fünften Republik ein ehemaliger Präsident zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Sarkozys Verhalten die Legitimität der herrschenden Klasse und ihres Regimes untergraben hat. Die Sonderstaatsanwaltschaft für Finanzdelikte (Parquet National Financier, PNF) hatte eine vierjährige Haftstrafe mit Begnadigung nach zwei Jahren gefordert und erklärt, das Ansehen des Präsidentenamtes sei durch den Fall mit „verheerenden Folgen beschädigt“ worden.

Neben Sarkozy wurde auch sein Anwalt Thierry Herzog und der ehemalige hochrangige Staatsanwalt Gilbert Azibert zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen zwei zur Bewährung ausgesetzt wurden. Herzog darf seine Tätigkeit als Anwalt fünf Jahre lang nicht ausüben, doch der Richter erklärte, diese Strafe ließe sich reduzieren, wenn er dem Tragen einer elektronischen Fußfessel zustimmt. Sarkozy kann innerhalb von zehn Tagen Berufung einlegen, was seine Anwälte bereits angekündigt haben.

Die vorsitzende Richterin Christine Mée erklärte in ihrer Stellungnahme, der „Korruptionspakt“ zwischen Sarkozy und Herzog, den sie über eine geheime Telefonleitung unter einem falschen Namen geschlossen haben, erfordere eine „entschlossene Reaktion der Justiz“. Sie erklärte: „Die Taten sind besonders ernst, weil sie von einem ehemaligen Präsidenten der Republik begangen wurden. Er hat seinen Status und seine politischen sowie diplomatischen Beziehungen benutzt, um einen Staatsanwalt zu belohnen, der seinen persönlichen Interessen gedient hat.“

Mée fuhr fort: „Dieser Fall hat das öffentliche Vertrauen schwer beschädigt, weil er den Anschein erweckt hat, bei Verfahren vor dem Kassationshof [dem höchsten Straf- und Zivilgericht in Frankreich] ginge es nicht immer um Konflikte vor unabhängigen Staatsanwälten, sondern sie könnten von heimlichen Absprachen beeinflusst werden, die bestimmte Interessen befriedigen sollen.“

Am Dienstag erklärte Sarkozy in einem Interview mit Le Figaro seine Unschuld. Er erklärte, er habe „viele Unterstützungszuschriften von französischen und ausländischen Beobachtern erhalten“ und fügte hinzu, er werde notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Berufung einlegen. „Es wäre für mich schmerzhaft, wenn ich dafür kämpfen müsste, dass mein eigenes Land verurteilt wird, aber ich bin dazu bereit. Es wäre der Preis der Demokratie.“ Am Mittwochabend bekräftigte er im öffentlichen Sender TF1 diese Absicht.

Die sogenannte „Abhöraffäre“ stammt aus dem Jahr 2014. Damals ermittelte die PNF wegen des Verdachts, Sarkozys Wahlkampf von 2007 sei aus Libyen heraus finanziert worden. Sarkozy wurde der „Annahme libyscher Gelder“, der „illegalen Wahlkampffinanzierung“ und der „kriminellen Vereinigung“ beschuldigt.

Ermittler entdeckten eine inoffizielle geheime Verbindung zwischen zwei Mobiltelefonen, die auf den Namen Paul Bismuth zugelassen waren. Mit diesen hatten Sarkozy und Herzog Informationen ausgetauscht. Es ging in dieser Angelegenheit darum, ob Sarkozy über Herzog versucht hat, Gilbert Azibert als Gegenleistung für Informationen über Sarkozy in der Bettencourt-Affäre einen Job zu verschaffen.

Die Bettencourt-Affäre kam 2010 ans Licht, nachdem Mediapart Enthüllungen über Sarkozy veröffentlicht hatte. Die Aussage einer Buchhalterin deutete darauf hin, dass die Milliardärin Liliane Bettencourt, die 2017 gestorben ist, im Jahr 2007 rechtswidrig Sarkozys Wahlkampf finanziert hat.

Die Buchhalterin, Claire T., erklärte, sie habe 50.000 Euro pro Woche von Bettencourts Konten abgehoben: „Von einem Teil davon wurden Ärzte, Friseure und Personal bezahlt... Ein anderer Teil war für Politiker... Dédé [Lilianes verstorbener Mann, André Bettencourt] hat es in großem Umfang verteilt. Jeder kam, um sich etwas davon zu holen. Manche haben bis zu 100.000 oder 200.000 Euro bekommen.“ Sie zitierte auch Bettencourts Finanzberater Patrice de Maistre, der ihr erzählte, man brauche 150.000 Euro, um Sarkozys Wahlkampf zu finanzieren.

Diese Vorwürfe haben Sarkozys Arbeitsminister Eric Woerth direkt belastet, da er im Wahlkampf Schatzmeister war. Sarkozy selbst wurde jedoch mittlerweile in dieser Affäre für unschuldig befunden.

Allerdings ist Sarkozy mit zahlreichen weiteren Skandalen konfrontiert, während in der herrschenden Elite erbitterte Konflikte um die Frage ausgebrochen sind, wer zur Präsidentschaftswahl 2022 antreten wird. Sarkozy ist 2017 kurz angetreten. Er soll jetzt bereits am 17. März wegen der Bygmalion-Affäre vor Gericht erscheinen, bei der es um illegale Finanzierungen geht.

Zu den weiteren Beteiligten in diesen Fällen gehören Woerth, der ehemalige Generalsekretär des Elysée-Palastes, Claude Guéant, und der ehemalige Minister Brice Hortefeux. Die PNF bestätigte außerdem, dass sie am 15. Januar ein Verfahren wegen „Einflussnahme auf die Justiz“ und „Geldwäsche“ gegen Sarkozy wegen dessen Beratertätigkeiten in Russland eingeleitet hat.

Die Korruption, die durch diese Affären enthüllt wird, kann letzten Endes nur durch einen unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse gegen den kapitalistischen Staat bekämpft werden. Hinter den diversen Fällen und den zahlreichen Anklagen stecken eindeutige politische Verbrechen, die jedoch nicht nur das Werk eines Mannes sind, sondern einer ganzen Gesellschaftsordnung. Die Politik, die von der europäischen Kapitalistenklasse in den drei Jahrzehnten seit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 verfolgt wurde, hat sie zutiefst kriminalisiert.

Liliane Bettencourts Vater Eugène Schueller war der Gründer von L'Oréal und finanzierte in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre die faschistische Gruppierung La Cagoule. La Cagoule verbreitete Terror durch ihre brutalen Angriffe auf Juden und Kommunisten. Seit damals spielte die Familie jedoch eine große Rolle in der französischen Politik, indem sie die großen Parteien und ihre Vorsitzenden finanzierte. Für die Finanzaristokratie ist das ein kleiner Preis für die immensen Vermögen, die sie durch immer brutalere Austeritätsmaßnahmen zu Lasten der Arbeiterklasse anhäufen konnte.

Während der Corona-Pandemie wird diese Politik nun durch die europäischen Banken- und Konzernrettungspakete im Wert von mehr als zwei Billionen Euro durchgesetzt. Die Umverteilung öffentlicher Gelder in enormer Höhe an die Superreichen wird durch eine Politik der „Herdenimmunität“ finanziert, bei der Arbeiter weiterhin in unsicheren Bedingungen arbeiten müssen, um die Profite der Konzerne zu finanzieren. Diese Politik wird von Ärzten und Wissenschaftlern abgelehnt und hat bereits zu mehr als 800.000 Toten geführt.

Gleichzeitig verfolgt der französische Imperialismus seine geopolitischen Interessen durch schmutzige neokoloniale Kriege, vor allem in Afrika, darunter die Intervention in Libyen im Jahr 2011. Die pseudolinke Neue Antikapitalistische Partei und Jean-Luc Mélenchons Unbeugsames Frankreich haben den Krieg unterstützt und den Sturz von Muammar Gaddafi durch die von Sarkozy unterstützten islamistischen Milizen befürwortet.

Kriminalität und Gangstertum bilden die Grundlage der Politik der Finanzaristokratie in Frankreich und der Welt.

In den USA versuchte Ex-Präsident Trump am 6. Januar mit einem beispiellosen faschistischen Staatsstreich das Wahlergebnis zu kippen. In Frankreich ist die Lage nicht grundlegend anders, auch wenn die Gewerkschaftsapparate und die Pseudolinke versuchen, mit Verweisen auf ihren „Sozialdialog“ mit der Regierung und den Arbeitgebern den Bankrott der herrschenden Klasse zu vertuschen. Zwar hat noch kein kapitalistischer Führer offen einen Staatsstreichversuch unternommen, doch alle Staatsoberhäupter der Französischen Republik im 21. Jahrhundert haben sich in zunehmendem Maße als offen kriminell erwiesen.

Jacques Chirac war der erste Präsident, der im Jahr 2011 wegen Korruption schuldig gesprochen wurde. Damals ging es um fiktive Arbeitsplätze im Rathaus von Paris. Sein Nachfolger wurde jetzt zu einer Haftstrafe verurteilt. Unter François Hollande von der Parti Socialiste haben die Geheimdienste gezielt französische Staatsbürger ermordet.

Angesichts der wachsenden Wut der Arbeiter über die Austeritäts- und Kriegspolitik, die sich unter anderem in den „Gelbwesten“-Protesten von 2018 äußerte, hat Macron den Diktator des Kollaborationsregimes Philippe Pétain verherrlicht. Sein derzeitiges Vorgehen ist faktisch eine Politik der „Herdenimmunität“. Das Coronavirus hat mehr als 85.000 Todesopfer gefordert, von denen die meisten durch eine wissenschaftliche Herangehensweise zu retten gewesen wären. Nur eine politisch unabhängige und internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse wird dieser mörderischen Politik und dem zugrundeliegenden kapitalistischen System ein Ende bereiten können.

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