Myanmar: Landesweite Streiks gegen den Militärputsch vom 1. Februar

Am Montag fanden in ganz Myanmar, u.a. in den Großstädten Yangon und Mandalay sowie weiteren Städten, Demonstrationen für ein Ende der Militärherrschaft statt. Nach einem Aufruf zu einer landesweiten Arbeitsniederlegung blieben Geschäfte, Unternehmen, Fabriken und Behörden geschlossen. Obwohl das brutale Vorgehen von Polizei und Militär während der letzten Woche mehr als 60 Todesopfer gefordert hat, beteiligten sich Tausende an den Demonstrationen.

Demonstranten hinter einer improvisierten Barrikade in Yangon (Myanmar) am 8. März, während die bewaffnete Bereitschaftspolizei einrückt (AP Photo)

Am Sonntagabend besetzten Sicherheitskräfte mindestens 20 staatliche Universitäten, Schulen und Krankenhäuser, u.a. in Yangon, Mandalay, Magway, Monywa und Ayeyarwady. Laut der Nachrichtenseite Irrawaddy eröffneten Polizisten und Soldaten in North Oakkalapa, einer Township von Yangon, das Feuer auf eine Menschenmenge und setzten Blendgranaten ein, um die Menschen einzuschüchtern, die vor einem Lehrkrankenhaus gegen deren Verwendung durch das Militär demonstrierten.

Da die Berichterstattung seit dem Coup vom 1. Februar stark zensiert wird und Dutzende von Journalisten verhaftet wurden, sind nur wenige Details über die Streiks und Proteste bekannt.

Die Bangkok Post schreibt: „Ab Montagmorgen zogen laut lokalen Medien in Großstädten wie Yangon und Mandalay Arbeiter und Demonstranten durch die Straßen. Die meisten Banken blieben geschlossen, obwohl die Zentralbank des Landes sie angehalten hatte, den Betrieb fortzuführen.“

Bei Nikkei Asia heißt es: „Die meisten Banken und Betriebe [in Yangon] blieben am Montag geschlossen, der Güterverkehr wurde größtenteils ausgesetzt, da viele lokale und ausländische Unternehmen erklärten, sie würden den Betrieb stoppen. Der dänische Großreeder A.P. Moller-Maersk, der für den Transport beträchtlicher Frachtmengen von und nach Yangon zuständig ist, kündigte die Einstellung seiner Tätigkeit für mindestens eine Woche bis zum 14. März an.“

Laut France 24 wurden in der nördlichen Stadt Myitkyina zwei Demonstranten getötet, als die Sicherheitskräfte Blendgranaten, Tränengas und scharfe Munition einsetzten. Ein Zeuge erklärte gegenüber Reuters, die beiden seien nach Kopfschüssen sofort gestorben. Einen dritten Toten gab es laut lokalen Medien bei einer Protestveranstaltung in Phyar Pon im Irrawaddy-Delta.

France 24 zitierte Zeugen in Yangon, laut denen „nur ein paar kleine Teegeschäfte geöffnet hatten... Die großen Einkaufszentren blieben geschlossen, in den Fabriken wurde nicht gearbeitet.“ Der Sender berichtete auch von Protesten in der südlichen Stadt Dawei unter dem Schutz der Karen National Union, einer der bewaffneten ethnischen Gruppen des Landes, die schon seit Langem an Konflikten mit dem Militär beteiligt sind.

Eine Gruppe von 18 Gewerkschaftsbünden und Arbeitervereinigungen veröffentlichte am Sonntag einen gemeinsamen Aufruf zu einer „längeren landesweiten Arbeitsniederlegung zur Rettung unserer Demokratie“. Die Gewerkschaften, die Arbeiter der Industrie, der Landwirtschaft, Textilbranche, Eisenbahn, Bergbau und der Energiebranche vertreten, riefen auch die Führungskräfte und Beschäftigten im öffentlichen Dienst, ob gewerkschaftlich organisiert oder nicht, zur Teilnahme an den Streiks auf.

In der Erklärung heißt es: „Die wirtschaftlichen und kommerziellen Aktivitäten wie üblich fortzusetzen und eine allgemeine Arbeitsniederlegung zu verzögern, wird nur dem Militär helfen, das die Energie der Bevölkerung von Myanmar unterdrückt. Die Zeit, zur Verteidigung unserer Demokratie aktiv zu werden, ist jetzt...“ Sie fordert eine Ausweitung der verbreiteten Bewegung des zivilen Ungehorsams (Civil Disobedience Movement, CDM), um einen „vollständigen langfristigen Shutdown der myanmarischen Wirtschaft durchzusetzen“.

Die CDM entwickelte sich unter staatlichen Lehrern, Beschäftigten im Gesundheitswesen und dem öffentlichen Dienst und hat die Handlungsfähigkeit der Junta eingeschränkt. Frontier Myanmar veröffentlichte am Montag einen Artikel, laut dem die CDM „mittlerweile Straßenproteste und öffentliche Boykotte von Produkten aus militäreigenen Unternehmen umfasst; im Wesentlichen ist es jedoch ein Streik von Zehntausenden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, der zwei Tage nach Beginn des Putsches unter medizinischem Personal begann.

Ärzte, Pflegekräfte, Lehrer, Bahnarbeiter und Angestellte in zahlreichen Regierungsministerien und Unternehmen im ganzen Land verweigern die Arbeit, damit die neue Junta nicht regieren kann. Ihnen haben sich Beschäftigte aus der Privatwirtschaft angeschlossen, u.a. dem Banken- und Transportwesen, die als wichtig für das Überleben des Regimes gelten.“

Wie der Artikel ausführt, wurde die Bewegung teilweise von Aufständen im Rest der Welt inspiriert, vor allem von denen in Tunesien 2010 und 2011. Das tatsächliche Ausmaß der Teilnehmerzahlen lässt sich zwar schwer feststellen, doch ein stellvertretender Generaldirektor des Elektrizitäts- und Energieministeriums erklärte gegenüber Frontier Myanmar, zwischen 50 und 90 Prozent des Personals der elf Abteilungen des Ministeriums hätten sich der CDM angeschlossen, was zu einer landesweiten Stromsperre am 5. März beitrug.

Die Junta versucht verzweifelt, die Rebellion im öffentlichen Dienst zu beenden und drohte am Wochenende erneut, jeden zu entlassen, der am Montag nicht wieder zur Arbeit erscheint. Ein Arzt erklärte gegenüber Frontier Myanmar: „Es ist mir egal, ob ich für meine Entscheidung büßen muss, ich bin auf das Schlimmste gefasst. Das Ziel ist, für die Rückkehr einer gewählten Regierung zu kämpfen. Wir werden mit der CDM weitermachen, bis das passiert.“

Die weit verbreiteten Arbeitsniederlegungen am Montag zeigten die Entschlossenheit der Arbeiterklasse, sich trotz der immer brutaleren Unterdrückung der Militärherrschaft zu widersetzen. Auf den Straßen wird auf Demonstranten geschossen, sie werden getötet oder verwundet, die Sicherheitskräfte führen nächtliche Razzien durch und verhaften Aktivisten. Am Sonntag starb ein lokaler Funktionär der gestürzten Nationalen Liga für Demokratie (NLD) namens Khin Maung Latt im Polizeigewahrsam. Seine Verletzungen deuten darauf hin, dass er zuvor brutal gefoltert worden war.

Arbeiter und Jugendliche haben gegenüber schwer bewaffneten Polizisten und Soldaten beträchtlichen Mut gezeigt, genau wie bei früheren Revolten gegen die Militärherrschaft. Die fatale Schwäche der früheren Protestbewegungen war, dass sie politisch von der NLD und deren Führerin Aung San Suu Kyi dominiert war. Diese fürchtet die Gefahr einer Massenbewegung der Arbeiterklasse für die bürgerliche Herrschaft mehr als die burmesischen Generäle.

1988 wurde die Militärjunta, die das Land jahrzehntelang beherrscht hatte, von einer riesigen Streikbewegung in die Knie gezwungen. Suu Kyi, die im Westen als „Ikone der Demokratie“ bejubelt wird, war eine der Hauptverantwortlichen dafür, dass das Militär die Arbeiterklasse unterdrücken konnte. Auf dem Höhepunkt der Bewegung rief sie die Demonstranten dazu auf, Vertrauen in das Versprechen des Militärs, Wahlen abzuhalten, zu setzen und „ihre Zuneigung zur Armee“ nicht zu verlieren. Damit verschaffte sie dem Militär eine dringend benötigte Atempause, in der es die brutale Unterdrückung der Proteste vorbereiten konnte, bei denen Tausende getötet wurden. Nachdem das Militär seine Herrschaft wieder stabilisiert hatte, ignorierte es das Ergebnis der Wahl von 1990 und verhaftete Suu Kyi und andere Führer der NLD.

Während der letzten zehn Jahre agierten Suu Kyi und die NLD im Rahmen eines von den USA ausgehandelten Deals mit dem Militär als politische Frontorganisation des Militärs. Obwohl die NLD nach der Wahl 2016 nominell die Regierung stellte, behielt das Militär die Machthebel in den Händen, indem es das Parlament mit eigenen Abgeordneten besetzte und sich die Kontrolle über die wichtigsten Ministerien vorbehielt, darunter das Verteidigungs-, das Polizeiministerium und den Grenzschutz. Suu Kyi hat infamer Weise die Verbrechen des Militärs gegen die muslimische Minderheit der Rohingya verteidigt.

Arbeiter dürfen Suu Kyi und der NLD kein Vertrauen schenken. Sie repräsentiert eine Fraktion der Bourgeoisie, die mit dem Militär rivalisiert. Ebenso wenig dürfen sie den Gewerkschaften trauen, die zwar die Junta ablehnen, aber den wachsenden Widerstand in die Arme der NLD lenken wollen. Der Kampf für wirkliche demokratische Rechte ist eng verknüpft mit dem Kampf für die sozialen Rechte der Arbeiterklasse, die mit einer zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Krise konfrontiert ist, verschlimmert durch die Corona-Pandemie. Das erfordert den Aufbau unabhängiger Organisationen der Arbeiterklasse und den Kampf für Sozialismus in Myanmar und international.

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