GDL-Vorsitzender Claus Weselsky fordert Personalabbau bei der Bahn

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) Claus Weselsky fordert einen massiven Personalabbau in der Verwaltung der Deutschen Bahn.

„Im Personalbereich hat die Bahn viel zu viele Leute an Bord, die machen vor allem Projekte zur Selbstbeschäftigung, mindestens die Hälfte davon ist verzichtbar,“ sagte er dem Tagesspiegel und fügte hinzu: In der „allgemeinen Verwaltung drehen sich viele in gut geheizten Büros oder im Homeoffice im Kreis, während die Kolleginnen und Kollegen im direkten Bereich den Laden auch in der Pandemie am Laufen halten.“

Klaus Weselsky bei Jung & Naiv (Screenshot)

Ähnlich äußerte sich Weselsky auch in anderen Interviews. Im Youtube-Kanal Jung & Naiv sagte er, unter den 211.000 Beschäftigten in Deutschland befänden sich „mehr Häuptlinge als Indianer“. Seit 20 Jahren blähe sich der Verwaltungsapparat auf, der nichts anderes zu tun habe, als die Beschäftigten im Betrieb anzutreiben, zu kontrollieren und ihre Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.

Die 127.000 Beschäftigten der Bahn AG außerhalb Deutschlands befinden sich außerhalb Weselskys Gesichtskreis. Wenn es nach ihm ginge, würde die Bahn diese so schnell wie möglich abstoßen.

2014 und 2015 hatten sich zahlreiche Beschäftigte der Bahn und anderer Verkehrsunternehmen der GDL angeschlossen, weil sie hofften, diese werde gegen die endlose Spirale von Lohnabbau, Personalabbau und verschärfter Arbeitshetze kämpfen. Die GDL hatte damals den Bahnverkehr mit insgesamt neun aufsehenerregenden Streiks zum Stocken gebracht. Sie wehrte sich gegen die Übernahme eines Tarifvertrags, den die Hausgewerkschaft EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) mit der Bahn vereinbart hatte.

Seither hat sich aber immer wieder gezeigt, dass die GDL keine Alternative zur DGB-Gewerkschaft EVG ist. Den Tarifkonflikt 2015 beendete sie mit der Unterzeichnung eines vierjährigen Stillhalteabkommens. In Wirklichkeit war es ihr nur darum gegangen, von der Bahn als Tarifpartner anerkannt zu werden. Anfang 2019 vereinbarte die GDL dann einen Tarifabschluss mit einer Laufzeit von 29 Monaten, der kaum die Inflationsrate ausglich und sie bis Februar 2021 zum Streikverzicht verpflichtete.

Nun steht sie erneut im Konflikt mit dem Bahnvorstand, weil die EVG unter dem Vorwand der Corona-Pandemie die für diesen Monat geplanten Tarifverhandlungen vorgezogen und bereits im September 2020 einen Sanierungs-Tarifabschluss“ vereinbart hat. Er sieht eine Erhöhung der Löhne und Gehälter der rund 211.000 Bahnbeschäftigten von lediglich 0,5 bis 1,5 Prozent bis Februar 2023 vor. Die GDL hatte einen vorzeitigen Tarifabschluss abgelehnt.

Vorausgegangen war eine Vereinbarung zwischen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dem Bahn-Vorstand, der EVG-Spitze und dem DB-Konzernbetriebsrat. In einem Bündnis für unsere Bahn“ hatten sie im Mai beschlossen, die Personalkosten der Bahn um zwei Milliarden Euro zu kürzen.

Inzwischen hat die Bahn angekündigt, dass sie im kommenden Monat erstmals das Tarifeinheitsgesetz (TEG) anwenden werde. Das Gesetz war 2014 von der Großen Koalition beschlossen worden, um kleinere Gewerkschaften wie die GDL (oder UfO und Cockpit bei Lufthansa) an Streiks zu hindern. Es anerkennt nur die jeweils mitgliederstärkste Gewerkschaft in einem Betrieb als Tarifpartei.

Laut Bahn sind in 71 der 300 Betriebe des Konzerns sowohl die EVG wie die GDL vertreten. In 55 davon sollen künftig ausschließlich die Vereinbarungen mit der EVG zur Anwendung kommen, weil dort die EVG die meisten Mitglieder hat, in 16 Betrieben sollen die Tarifvereinbarungen der GDL gelten. Betroffen sind rund 38.000 DB-Beschäftigte.

Erneut sieht die GDL ihren Status als Tarifpartner gefährdet. Weselsky hat bereits angedeutet, dass auch die GDL zu Zugeständnissen bereit sei. „Selbstverständlich würden wir uns einer Sanierung nicht verschließen,“ sagte er dem Tagesspiegel. Dafür müsse aber „ein Sanierungsplan vorgelegt werden“. Außer „bunten Powerpoint-Folien und rosigen Versprechungen“ sei da bisher nichts. Das Management habe sich verzockt, gehe weltweit Tanzen und habe „von der Eisenbahn hierzulande keine Ahnung“.

Wie Weselskys Sanierungsplan aussieht, zeigt sein Vorschlag, die Hälfte der Verwaltungsangestellten zu entlassen. Er bestätigt, dass die GDL genauso reaktionär ist wie die EVG. Es ist offensichtlich, dass eine Gewerkschaft, die den Kollegen und Kolleginnen im eigenen Unternehmen angreift, auch ihren eigenen Mitgliedern in den Rücken fällt.

Der Grund dafür liegt nicht einfach in der Person Weselskys, sondern im Bankrott der gewerkschaftlichen Perspektive, die er vertritt. Diese nimmt die kapitalistischen Verhältnisse als gegeben und betrachtet sie als Grundlage für ihre Arbeit. Sie versucht, im Rahmen der bestehenden Eigentumsverhältnisse die Höhe der Löhne und die Arbeitsbedingungen zu regeln, und lehnt eine Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus strikt ab.

Solange sich der Schwerpunkt der Produktion auf den nationalen Rahmen konzentrierte und die Weltwirtschaft expandierte, konnte eine solche gewerkschaftliche Perspektive soziale Verbesserungen erreichen. Weil der „Kuchen“, den es zu verteilen gab, größer wurde, konnten sowohl Profite wie Löhne steigen. Doch das ist seit langem nicht mehr der Fall.

Mit der Globalisierung – der wachsenden Dominanz transnationaler Konzerne und Finanzinstitute – hing die Größe des „Kuchens“ direkt von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Konzerns ab – d. h. von seiner Fähigkeit, die Arbeiter bis aufs Blut auszubeuten. Jedes soziale Zugeständnis schreckte Investoren ab, führte zum Absturz des Börsenkurses und bewog die Konzerne, die Produktion in Länder mit niedrigeren Löhnen zu verlagern.

Die Gewerkschaften haben darauf reagiert, indem sie sich in Co-Manager verwandelten, die die Wettbewerbsfähigkeit „ihres“ Unternehmens auf Kosten der Arbeiter verteidigen. Sie erpressen die Arbeiter, spielen einen Standort gegen den anderen aus und organisieren Lohnsenkungen und Entlassungen. Ihre Funktionäre und Betriebsräte werden dafür gut bezahlt. Ein Betriebsratsfürst oder Gewerkschaftssekretär verdient mehrfach so viel, wie ein einfacher Produktionsarbeiter. Die früheren Beschäftigten von Opel Bochum, der Stahlindustrie und vielen anderen Branchen können davon ein Lied singen.

Als Folge sind Managergehälter, Dividenden, Aktienkurse und die Vermögen der Milliardäre exponentiell gestiegen, während sich die Lage der Arbeiter spürbar verschlechtert hat. Die Bahn bildet dabei keine Ausnahme.

Hatte ein Direktor des früheren Staatsbetriebs noch das Gehalt eines Spitzenbeamten kassiert, beziehen die heutigen Vorstandsmitglieder Managergehälter und verdienen ein Vielfaches. Die Verträge von Konzernchef Richard Lutz, Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla (CDU) und Personenverkehrsvorstand Berthold Huber sollen in dieser Woche verlängert und ihre Gehälter ab 2023 trotz Coronakrise um 10 Prozent erhöht werden. Lutz erhielte dann 990.000 Euro Fixgehalt (ohne Boni), Pofalla und Huber jeweils 715.000 Euro.

Weselsky wettert zwar regelmäßig gegen die Erhöhung der Managergehälter, aber als Gewerkschafter, CDU-Mitglied und überzeugter Gegner des Sozialismus arbeitet er trotzdem eng mit dem Management zusammen. Von anderen Gewerkschaftsbürokraten unterscheidet er sich höchstens dadurch, dass er noch bornierter und engstirniger ist. Während er gern den militanten Lokführer mimt, lässt ihn die Zerstörung von hunderttausenden Arbeitsplätzen völlig kalt. Sein über zweistündiger Auftritt im Youtube-Kanal Jung & Naiv zeigte dies besonders deutlich.

Der 1959 geborene Weselsky, der vor der Wende als Lokführer in der DDR arbeitete, äußerte sich dort lobend über die deutsche Einheit und die Einführung des Kapitalismus in der DDR. Stolz schilderte er seinen ersten Arbeitskampf mit der neugegründeten GDL-Ost. Die Lokführer hätten im Juli 1990 mit einem kurzen Streik erreicht, dass ihre Löhne 1:1 statt wie ursprünglich geplant 2:1 auf Westwährung umgestellt wurden.

Tatsächlich wurden damals per Gesetz alle Löhne, Renten und laufenden Kosten wie Miete, Strom etc. 1:1 umgestellt. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wollte unbedingt vermeiden, dass die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 durch soziale Kämpfe gefährdet wurde. Was Weselsky verschweigt, ist der Preis, den die Arbeiterklasse dafür bezahlte.

Die Kohl-Regierung konnte sich die Umstellung 1:1 nämlich leisten, weil von den Arbeitsplätzen in der ehemaligen DDR kaum einer übrigblieb. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung waren in der ehemaligen DDR bereits 540.000 Arbeitslose gemeldet, 1,8 Millionen steckten in Kurzarbeit und 300.000 gingen in den Vorruhestand.

Auch die Bahn blieb von diesem Arbeitsplatzmassaker nicht verschont. Der Personalbestand der Deutschen Reichsbahn schrumpfte innerhalb von zweieinhalb Jahren von 253.000 auf 138.000. Bei der anschließenden Bahnreform gab es 1994 in Ost- und West-Deutschland noch rund 500.000 Beschäftigte im Schienenverkehr, heute sind es weniger als die Hälfte.

Trotzdem lobte Weselsky im Jung & Naiv-Interview die Einführung des Kapitalismus in der DDR in den höchsten Tönen. Er habe 1990 das „neue Rechtssystem sehr begrüßt“, sagte er und betonte: „Marx, Engels, das klingt so nach Klassenkampf. Und das machen wir nicht. Das ist der ganz große Unterschied.“ Er ist weiterhin Mitglied der CDU, auch wenn er ihr das Tarifeinheitsgesetz übelnimmt.

Ausdrücklich begrüßte er auch Mitglieder der rechtsextremen AfD in der GDL. Sie sei eine „demokratisch legitimierte Partei“, daher weise er den Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus der GDL zurück. Das wäre eine „Abkehr von der Einheitsgewerkschaft“.

2014 hatte die WSWS die streikenden Lokführer gegen die geifernden Angriffe von Politik und Meiden verteidigt. Sie hatte aber schon damals gewarnt: „Der Streik darf nicht der national beschränkten Perspektive der GDL als Spartengewerkschaft untergeordnet werden. Stattdessen muss er an alle Arbeiter in Europa appellieren, die vor sehr ähnlichen Problemen stehen. [...] Um den Streik der Lokführer zum Erfolg zu führen, muss er zum Anfang einer Mobilisierung der Arbeiter in ganz Europa auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms gemacht werden.“

Das ist heute noch deutlicher als vor sieben Jahren. Die Verteidigung von Arbeitsplätzen. Löhnen und sozialen Rechten erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaften und ihrer beschränkten, nationalen, kapitalistischen Perspektive. Sie erfordert den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees, die von einer sozialistischen Perspektive angeleitet werden und sich international vernetzen. Vor allem erfordert sie den Aufbau einer neuen, sozialistischen Partei in der Arbeiterklasse: Der Sozialistischen Gleichheitspartei und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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