Kundgebung der WISAG-Arbeiter am Frankfurter Flughafen

Die WISAG-Arbeiter haben ihren Kampf am 8. April mit einem Marsch durch den Frankfurter Flughafen fortgesetzt, wo sie mit Trommeln und Pfeifen durch das Terminal 1 marschierten. Das Dienstleistungsunternehmen WISAG hatte zu Weihnachten 230 Bodenarbeiter mit teilweise jahrzehntelanger Erfahrung entlassen und durch Leiharbeiter ersetzt. WISAG hatte 30 Busfahrern, die sich der Versetzung in eine neue GmbH-Tochter verweigert hatten, sogar sechs Monate lang den Lohn vorenthalten.

Ein WISAG-Arbeiter berichtete der WSWS: „Das Arbeitsamt hat mir über einen Personaldienstleister eine Stelle am Flughafen angeboten, bei der ich mit einem Stundenlohn von 10,35 Euro brutto nach Hause gehen würde. Das wäre ein Bruchteil dessen, wofür ich bisher gearbeitet habe.“

Dieser Arbeiter war vor seiner Entlassung 37 Jahre lang am Flughafen tätig gewesen. Es sei ihm schleierhaft, fuhr er fort, wie man mit einem derart niedrigen Stundenlohn im Rhein-Main-Gebiet überleben solle. Er habe wie die meisten seiner Kollegen Familie, und seine Schulden seien nach einem Jahr Kurzarbeit beträchtlich. „Und das Arbeitsgericht lässt sich Zeit“, ergänzte ein weiterer WISAG-Arbeiter. Nach ersten, kurzen Güteverhandlungen im März habe das Arbeitsgericht die Verhandlungstermine erst im Juni angesetzt.

WISAG-Arbeiter im Terminal 1, Rhein-Main Airport Frankfurt (Foto: WSWS)

Der Marsch durch den Flughafen war am vergangenen Donnerstag schon die 14. Demonstration der Arbeiter, die Ende Februar sogar acht Tage lang einen Hungerstreik durchgehalten hatten. Bei vielen Beschäftigten der Flughafenunternehmen stieß die Aktion auf Unterstützung und Sympathie. Viele von ihnen stehen vor exakt den gleichen Problemen.

So will Fraport, der Flughafenbetreiber, bis zu 6000 Stellen streichen. Als erstes hat Fraport die Leiharbeiter und befristeten Beschäftigten entlassen. Nun will der Konzern, der früher zum öffentlichen Dienst gehörte, seine langjährigen Beschäftigten loswerden, weil diese bisher noch von den alten Tarifvertragsregelungen profitieren. Doch nur 1600 ältere Fraport-Beschäftigte haben sich auf ein Abfindungsangebot eingelassen. Fraport will außerdem seit langem ganze Bereiche der Bodenverkehrsdienste ausgliedern, denen das gleiche Schicksal droht wie den WISAG-Arbeitern,

Was die Lufthansa betrifft, so baut der Konzern gerade bis zu 50.000 Arbeitsplätze ab. 30.000 Stellen davon sind, vor allem im Ausland, schon gestrichen. Im letzten Jahr hat die Lufthansa auch ihre Catering-Tochter LSG Skychefs verkauft. Der Belegschaft, die schon seit einem Jahr Kurzarbeit fährt, hat ein Krisenpaket darüber hinaus bis Ende 2021 das Urlaubs- und Weihnachtsgeld entzogen. Die Arbeiter der LH-Bodendienste, der LH-Technik und der LH-Cargo müssen demzufolge auf 200 Millionen Euro verzichten, damit der Konzern die Hälfte ihrer Lohnkosten einsparen kann.

Gleichzeitig will der Lufthansakonzern in diesem Jahr wieder Boni an seine Führungskräfte ausschütten, obwohl er schon mehrere Milliarden Corona-Hilfen aus Steuergeldern in Anspruch genommen hat. Lufthansa-Chef Carsten Spohr kassierte beispielsweise im Jahr 2017 über vier Millionen Euro, das 85-Fache eines durchschnittlichen Mitarbeitergehalts.

Die Corona-Pandemie hat die soziale Polarisierung aufs Höchste gesteigert. Während sich eine schmale Oberschicht grenzenlos bereichert, zahlt die Arbeiterklasse die Kosten dafür in Form von Corona-Erkrankungen und Todesfällen, wie auch in Form von Massenentlassungen und Lohnsenkung. Allein im deutschen Luftverkehr sind derzeit 60.000 Arbeitsplätze akut bedroht. Das hat der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL Ende Januar bekanntgegeben. Die Luftfahrtkonzerne sind dabei, fast jeden vierten der rund 255.000 Arbeitsplätze in der deutschen Luftverkehrswirtschaft zu vernichten.

WISAG hat skrupellos vorgeführt, wie die Konzerne die Pandemie nutzen können, um qualifizierte Arbeiter zu entlassen und sie durch schlecht bezahlte und jederzeit kündbare Zeitarbeiter zu ersetzen. Zwar rechnen die Flughäfen damit, dass sie das Vor-Pandemie-Niveau bis spätestens 2025 wieder vollständig erreichen und auch übertreffen können. In Frankfurt will die Fraport das Terminal 2 schon in diesem Sommer wieder öffnen. Im Frachtverkehr ging der Betrieb während der Pandemie nie zurück, dort herrscht zurzeit sogar Hochkonjunktur. Aber die Konzerne nutzen die Corona-Pandemie als Vorwand, um langgehegte Angriffe auf Beschäftigte durchzusetzen und generell die Personalkosten zu drücken.

In dieser Situation stehen die Frankfurter Bodenarbeiter, die sich dagegen aufgelehnt haben, für Millionen Arbeiter auf der ganzen Welt. Überall wo sie demonstrieren, zeigen passierende Autofahrer durch Hupen ihre Zustimmung und Sympathie, und am Flughafen bleiben Kollegen und Passanten stehen und halten den Daumen hoch.

So macht der Kampf der WISAG-Arbeiter deutlich, dass auch am Flughafen der Aufbau eines unabhängigen Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze nötig und möglich ist. Das schlägt die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) schon seit langem vor, denn die Lebensbedingungen der Arbeiter sind wichtiger als die kapitalistischen Profite. Die SGP baut ein Netzwerk solcher Aktionskomitees auf, um es Arbeitern zu ermöglichen, in der Corona-Pandemie für sichere Arbeitsplätze und sichere Schulen zu kämpfen.

Die Aktionskomitees müssen unabhängig von allen etablierten Parteien und vor allem unabhängig von den Gewerkschaften sein. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Hausgewerkschaft am Flughafen, handelt immer offener als Agentur der deutschen Wirtschaft und erklärt deren Konkurrenzfähigkeit zum obersten Prinzip. Am Flughafen sitzen Verdi-Vorstandsmitglieder bei WISAG, Lufthansa oder Fraport in allen Aufsichtsräten. Gemeinsam mit den Managern setzen sie die Angriffe gegen die Arbeiter durch. Bei Lufthansa hat Verdi zusammen mit Ufo und der Vereinigung Cockpit dem Krisenpaket zugestimmt, das die Arbeiter gerade mit ihrem Einkommen und viele mit ihrer Existenz bezahlen.

Was die WISAG-Arbeiter betrifft, so hat Verdi sie vollkommen im Stich gelassen. Und zu Recht haben sie daraufhin vor der Verdi-Zentrale einen schwarzen Totenkranz niedergelegt.

Aber auch die Spartengewerkschaft IGL, der sich die WISAG-Arbeiter zugewandt haben, hat kein anderes politisches Programm als Verdi. Die IGL hat das ursprüngliche Motto der WISAG-Arbeiter, „Heute wir – morgen ihr“, durch rechte Standortpolitik ersetzt. Zur Kundgebung am Flughafen rief sie unter dem Motto „Thursdays for Aviation“ auf. Dort heißt es jetzt: „Luftfahrt ist unser Leben. Luftfahrt sichert Arbeitsplätze, verbindet Menschen, stärkt den Standort Deutschland.“ Haben die WISAG-Arbeiter dafür gekämpft?

Die IGL-Führung erklärt den Arbeitern, ihr Schicksal hänge von der hessischen Landesregierung ab, einer Koalition von CDU und Grünen. Das sagte der stellvertretende IGL-Vorsitzende Daniel Wollenberg ausdrücklich in einem Interview mit Radio Rüsselsheim („SABI aktuell“).

Alles hänge nun von CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier ab, an den eine Petition mit rund tausend gesammelten Unterschriften übergeben worden war, wie auch von FDP- und CDU-Politikern, mit denen die IGL gesprochen habe, und vom Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Die Grünen). „Anfragen, Unterschriften, eine Petition einreichen – mehr geht nicht“, sagte Wollenberg dort. „Was sollen wir denn noch machen?“

WISAG-Arbeiter vor der Villa des Firmeneigentümers Wisser (Foto: WSWS)

Die Arbeiter dürfen sich nicht länger von der bürgerlichen Politik an der Nase herumführen lassen. Die hessische Landesregierung und die Stadt Frankfurt sind für die Zustände am Flughafen direkt verantwortlich, sie sind die Eigentümer. Sie haben die Orgie der Deregulierung und Privatisierung organisiert und sich für WISAG und den Oligarchen und Multimillionär Wisser entschieden, damit er die kapitalistische Ausbeutung perfektioniere.

Stattdessen müssen die Arbeiter sich an ihresgleichen, an Millionen andere Arbeiter weltweit wenden, die mit den gleichen Problemen konfrontiert sind und ebenfalls nach einem Weg suchen, wie sie dagegen kämpfen können.

Dass die Situation dafür reif ist, zeigt beispielhaft die Bemerkung eines Reisenden am Flughafen, der die Demonstration der WISAG-Arbeiter sah. Er folgte ihnen eine Weile, las ihre Plakate und hörte zu, wie sie am Megaphon auf ihre Entlassung aufmerksam machten. Nach seiner Meinung gefragt, sagte er der WSWS: „Der Kampf dieser Arbeiter berührt mich sehr. Ich finde es gut, dass sie an die Öffentlichkeit gehen.“ Er sei selbst ebenfalls betroffen.

Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen ehemaliger Siemens-Beschäftigten, der vor zwei Jahren bei der Schließung des Siemens-Standorts am Offenbacher Kaiserlei als einer von 600 Beschäftigten seinen Arbeitsplatz verloren hatte.

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