Lufthansa steigert Arbeitsplatzabbau auf knapp 50.000

Gestützt auf die enge Zusammenarbeit mit Verdi und die andern Luftfahrt-Gewerkschaften verschärft der Lufthansa-Vorstand den Sparkurs. Der bereits angekündigte Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen wird beschleunigt und auf fast 50.000 erhöht.

Im Frühjahr stellte die Bundesregierung dem Luftfahrtkonzern ein Rettungspaket von neun Milliarden Euro zur Verfügung. Mit diesem Geld wird nun ein beispielloser Job-Kahlschlag organisiert und die Existenzgrundlage von Zehntausenden Arbeitern und ihren Familien zerstört. Ein Arbeitsplatzmassaker auf Staatskosten mit Unterstützung der Gewerkschaften.

Lufthansa-Maschine am Frankfurter Airport (Foto: Kevin Hackert / CC BY-NC 2.0)

Am Montag veröffentlichte das Magazin Focus-Online einen Bericht über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lufthansa. Darin heißt es, der bereits angekündigte und begonnene Abbau von 29.000 Stellen werde nicht bis Ende nächsten Jahres gestreckt, sondern in den kommenden drei Wochen bis Jahresende vollzogen. Um das zu erreichen, seien betriebsbedingte Kündigungen unvermeidlich.

„Doch das ist bei weitem nicht alles,“ heißt es in dem Artikel. Zudem habe die Airline das Europageschäft der Catering-Tochter LSG mit 7500 Mitarbeitern verkauft, und im nächsten Jahr sollten in Deutschland weitere 10.000 Stellen abgebaut werden. „Wer bei Lufthansa bleibt, soll auf Gehalt verzichten – andere werden gekündigt“, schreibt Focus-Online. Einen entsprechenden Bericht der Bild am Sonntag habe eine Unternehmenssprecherin am Wochenende bestätigt.

Dieser massive Angriff auf die Arbeitsplätze und Einkommen der Beschäftigten ist nicht das unvermeidliche Ergebnis der Flugausfälle und sinkenden Passagierzahlen infolge der Corona-Krise, wie die Konzernleitung und die Gewerkschaftsfunktionäre in gleichlautenden Erklärungen behaupten. Wenn dem so wäre, könnten die Beschäftigten, die ohnehin zum größten Teil über Kurzarbeitergeld staatlich finanziert werden, aus dem Rettungsfonds Überbrückungsgeld bis nach der Krise erhalten.

Corona ist nicht die Ursache, sondern dient als Vorwand, um seit langem geplante und vorbereite Umstrukturierungen, verbunden mit Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung und schlechteren Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Ziel ist es, die Lufthansa als führende europäische Airline aufzubauen und hochprofitabel für Anleger zu gestalten, das heißt auf Profit zu trimmen und im internationalen Konkurrenzkampf erfolgreich zu positionieren.

Die Pandemie wird genutzt, um die industriepolitischen Ziele der Großen Koalition, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Anfang letzten Jahres als „Nationale Industriestrategie 2030“ vorstellte, beschleunigt zu erreichen.

Die Bundesregierung arbeitet dabei eng mit dem Großaktionär Heinz Hermann Thiele zusammen, der im März seinen Aktienanteil an Lufthansa auf 15 Prozent erhöht hat. Er forderte bereits im vergangenen Monat ein „tragfähiges Sanierungsprogramm, das seinen Namen verdient hat“. Das Wichtigste sei, so Thiele, dass die Kosten über einen „umfassenden Stellenabbau“ sofort und nachhaltig gesenkt würden.

Thiele ist bekannt für seine rabiaten kapitalistischen Methoden. Der 79-jährige Multimilliardär verfügt über ein Vermögen von 13 Milliarden Euro und gehört zu den zehn reichsten Personen in Deutschland. Seine Firma Knorr-Bremse hat er zum Weltmarktführer bei Bremsen für Züge und Nutzfahrzeuge ausgebaut, indem er die Ausbeutung radikal verschärfte. Er lässt die Beschäftigten 42 Stunden in der Woche arbeiten, sieben Stunden länger als in tariflich gebundenen Metallbetrieben.

Auch die Gewerkschaften unterstützen die „Nationale Industriestrategie“ der Bundesregierung. Sie bezeichnen sich zwar nach wie vor als „Arbeitnehmervertreter“, aber in Wirklichkeit arbeiten sie eng mit Regierung und Konzernleitung zusammen und spielen eine Schlüsselrolle dabei, die Entlassungen, die Lohnsenkungen und den Sozialabbau durchzusetzen.

Um den sozialen Kahlschlag zu bekämpfen und die Arbeitsplätze und Löhne zu verteidigen, ist es notwendig, die Funktion und Rolle der Gewerkschaften und Betriebsräte zu verstehen. Ihre Spitzenfunktionäre sitzen im Aufsichtsrat, beraten die Konzernleitung in allen Personalangelegenheiten und arbeiten die Strategiepläne aus, mit denen die Sparprogramme – das heißt: die sozialen Angriffe – durchgesetzt werden. Dafür werden sie fürstlich bezahlt, um nicht zu sagen, mit hohen Tantiemen bestochen. Insgesamt haben die zehn so genannten Arbeitnehmervertreter im Lufthansa-Aufsichtsrat für ihre enge Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung von Sparmaßnahmen und Entlassungen 1.070.000 Euro erhalten.

Die Betriebsräte und gewerkschaftlichen Vertrauensleute setzen die Sparprogramme durch, stellen die Entlassungslisten zusammen, überreden Beschäftigte in Einzelgesprächen, Aufhebungsverträge zu unterschreiben, üben unverhohlen Druck aus und drohen jedem, ,der aufmuckt, mit einem sicheren Platz auf der Entlassungsliste. Gleichzeitig organisieren sie mitunter auch Trillerpfeifen-Proteste, um Dampf abzulassen, und tun alles, um jeden ernsthaften Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu unterdrücken.

Bei der Lufthansa nimmt diese Rolle der Gewerkschaften drastische Formen an. In den vergangenen Monaten haben alle drei Luftfahrtgewerkschaften Abgruppierungsverträge unterschrieben, die alles in den Schatten stellen, was es bisher an Zugeständnissen und Verzichtsangeboten von Gewerkschaftsseite gegeben hat.

Die Pilotengewerkschaft Cockpit (VC), die Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) und Verdi, die die etwa 35.000 Bodenbeschäftigen vertritt und bei der Lufthansa als Hausgewerkschaft fungiert, haben einen regelrechten Überbietungswettlauf in Sachen Sozialabbau organisiert. Nach eigenen Angaben haben sie dem Lufthansa-Vorstand einen Einkommensverzicht von 1,2 Milliarden Euro angeboten.

Cockpit hatte schon im Frühjahr zugestimmt, die Pilotengehälter bis zum Jahresende um bis zu 50 Prozent zu senken. Am Mittwoch kündigte die Gewerkschaft an, diese Gehaltskürzung bis Ende Juni 2022 zu verlängern. Neben Kurzarbeit sehe das Paket Zugeständnisse bei Gehalt und Altersversorgung vor, erklärte VC. „Die in diesem Frühjahr vereinbarten und nun zusätzlich angebotenen Zugeständnisse belaufen sich auf einen Wert von insgesamt über 600 Millionen Euro. Dies entspricht gegenüber der Vorkrisenzeit Gehaltsreduzierungen von bis zu 50 Prozent“, sagte VC-Präsident Markus Wahl.

UFO hat im Sommer eine Vereinbarung mit Lufthansa unterschrieben, die dem Konzern bis Ende 2023 Einsparungen von einer halben Milliarde Euro bringt. Umgerechnet auf die 22.000 Kabinenmitarbeiter der Muttergesellschaft, für die die Vereinbarung gilt, bedeutet dies einen durchschnittlichen Einkommensverlust von 23.000 Euro im Verlauf von dreieinhalb Jahren.

Verwirklicht werden die Einsparungen durch das Aussetzen von Lohnerhöhungen, die Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechender Lohnsenkung, die Reduzierung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sowie den Abbau von Arbeitsplätzen. Hinzu kommen „freiwillige“ Maßnahmen wie unbezahlter Urlaub, weitere Arbeitszeitabsenkungen sowie ein vorzeitiger Eintritt in die Rente. Die Betroffenen verlieren damit nicht nur einen großen Teil ihres gegenwärtigen Einkommens, sondern auch ihrer zukünftigen Altersversorgung.

Anfang November stimmte auch Verdi einem Abgruppierungsvertrag für die Bodenbeschäftigten zu. Durch den sofortigen Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Lohnstopp und Verzicht auf Zulagen bis Ende 2021 „leisten die Bodenbeschäftigten einen Sparbeitrag von mehr als 200 Millionen Euro zur Bewältigung der Krise“, erklärte Verdi-Vizechefin Christine Behle, die auch stellvertretende Vorsitzende im Lufthansa-Aufsichtsrat ist. Durch die Einigung mit dem Bodenpersonal könnten im nächsten Jahr bis zu 50 Prozent Personalkosten dieser Beschäftigtengruppe eingespart werden, jubelte Personalchef Michael Niggemann.

Einen derartigen Einkommensverzicht von insgesamt 1,2 Milliarden Euro haben Gewerkschaften hierzulande bisher nicht vereinbart. Das ist eine neue Dimension des gewerkschaftlichen Ausverkaufs.

Es ist dieser gewerkschaftliche Ausverkauf, der die Unternehmensleitung ermutigt, noch schärfer vorzugehen und den Abbau der Arbeitsplätze drastisch zu beschleunigen.

Im Sommer veröffentlichten wir den Artikel „Die Lufthansa und der Bankrott der Gewerkschaften“. Darin heißt es: „Die Ereignisse bei Lufthansa zeigen eindrücklich den Bankrott der Gewerkschaften und ihrer Perspektive. Seit Jahrzehnten ordnen sie die Interessen der Arbeiter im Rahmen der Sozialpartnerschaft den Profitinteressen der Konzerne unter. Es gibt in Deutschland keine Massenentlassung und Betriebsstillegung, die nicht die Unterschrift der Gewerkschaften und ihrer Betriebsräte trägt. Bei Lufthansa gehen die Gewerkschaften nun soweit, Kundgebungen für ein ‚Rettungspaket‘ zu organisieren, dass die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze und einen massiven Lohn- und Sozialabbau beinhaltet!“

Die Ereignisse bei der Lufthansa machen die Verwandlung der Gewerkschaften in Unternehmensberater, die die Interessen der Konzerne und der Regierung verteidigen, völlig offensichtlich. In der tiefsten globalen Krise des Kapitalismus seit 75 Jahren sind sie entschlossen, den Lebensstandard der Arbeiter zu dezimieren, um die Profite „ihrer“ nationalen Konzerne im internationalen Handelskrieg zu verteidigen – und das nicht nur bei der Lufthansa, sondern auch in der Auto-, Maschinenbau-, Stahl- und Chemieindustrie und allen anderen Branchen.

Es ist Zeit, mit diesen korrupten Organisationen zu brechen. Arbeitsplätze, Löhne und soziale Errungenschaften können nur in einer Rebellion gegen diese Gewerkschaften verteidigt werden. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ruft daher zum Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees auf, die sich international und konzernübergreifend vernetzen und den Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Löhnen organisieren.

Das erfordert eine sozialistische Perspektive, die nicht den Profit und die Bereicherung der Kapitaleigner, sondern die Interessen der arbeitenden Bevölkerung ins Zentrum stellt. Die Krise der Luftfahrtindustrie kann nicht auf kapitalistischer Grundlage und im nationalen Rahmen gelöst werden. Sie erfordert die Enteignung der Konzerne und ihre Überführung in demokratisch kontrollierte, öffentliche Institutionen, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen und nicht dem Profit dienen.

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