IG Metall vereinbart Reallohnsenkung bei Volkswagen

In der Nacht zum Dienstag einigten sich die Verhandlungsführer der IG Metall und des VW-Konzerns auf einen neuen Haustarifvertrag für die 120.000 Beschäftigten der VW-Standorte Wolfsburg, Braunschweig, Hannover, Salzgitter, Emden und Kassel sowie für die Financial Services AG, Volkswagen Immobilien GmbH und Volkswagen Vertriebsbetreuungsgesellschaft mbH. Ausgeschlossen sind Tausende Arbeiter der Werke in Sachsen (Zwickau, Chemnitz und Dresden), die immer noch als Arbeiter zweiter Klasse entlohnt werden.

VW-Werk Kassel (Bild: BiCYCLE / CC-BY-SA 3.0) [Photo: BiCYCLE / CC-BY-SA 3.0]

VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel erklärte, das Ergebnis sei „mit Augenmaß und Vernunft“ erzielt worden und werde dem „besonders herausfordernden Umfeld seit dem Beginn der Pandemie gerecht“.

Auch die IG Metall lobte den Abschluss. Ihr Verhandlungsführer, Thorsten Gröger, der auch Bezirksleiter der IG Metall ist, erklärte großmütig: „Die Kolleginnen und Kollegen verdienen es, am guten Ergebnis beteiligt zu werden.“ Er bezeichnete den Abschluss als „starkes Ergebnis in schwierigen Zeiten“. Auch Bernd Osterloh, der VW-Betriebsratsvorsitzende, lobte den „starken Abschluss, den sich unsere Belegschaft gerade auch in Corona-Zeiten verdient hat“.

Tatsächlich hat die Gewerkschaft einem Reallohnverlust zugestimmt, kaum besser als die Tarifabschlüsse in der Stahl- und der Metallindustrie. Seit 2018 hat es im VW-Haustarif keine monatliche Entgelterhöhung mehr gegeben. Umso mehr lobte die Gewerkschaft die jetzt vereinbarte tabellenwirksame Lohnerhöhung von 2,3 Prozent.

Dabei wird diese Erhöhung erst ab 1. Januar 2022 wirksam, und der Tarifvertrag hat eine Laufzeit bis zum 30. November 2022. Bei einer Inflationsrate von 1,8 Prozent (2018), 1,4 Prozent (2019), 0,5 Prozent (2020) und geschätzten 1,4 Prozent (2021) und 1,6 Prozent (2022) bedeuten die 2,3 Prozent einen massiven Reallohnverlust. Die Inflationszahlen stammen aus einer Studie, die führende Wirtschaftsinstitute im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erstellt haben.

Als „Erfolg“ präsentierte die IG Metall auch die folgenden Ergebnisse:

  • Einmalzahlung einer „Corona-Prämie“ von 1000 Euro für das Jahr 2020 (600 Euro für Auszubildende)
  • Eine bisherige leistungsabhängige Vergütung wird zum festen Bestandteil des Lohns.
  • Eine tarifliche „Zusatzvergütung“ in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatslohns soll von allen Arbeitern zur Hälfte in drei freie Arbeitstage umgewandelt werden können. Bisher galt diese Lösung nur für diejenigen, die Angehörige pflegen oder sich intensiver um ihre Kinder kümmern mussten. Die Letzteren können dafür die ganze Zusatzvergütung verwenden – also maximal bis zu sechs Tage.
  • Eine Ausbildungsgarantie von 1.400 Lehrstellen wird verlängert bis zum Jahr 2025.
  • Außerdem wurden geringe Beträge als „Rentenbausteine“ für die betriebliche Altersversorgung ausgehandelt.

Wie auch immer die IG Metall-Funktionäre das Verhandlungsergebnis präsentieren mögen – angesichts eines Konzerngewinns von rund 8,8 Mrd. Euro nach Steuerabzug im Jahr 2020 ist der Tarifabschluss ein Fußtritt für die Arbeiter.

„Das wollen wir in den kommenden Jahren fortsetzen“, verkündete Betriebsratschef Bernd Osterloh – eine Warnung für alle Beschäftigten. Dafür sind die 140.000 VW-Arbeiter nicht in Warnstreiks getreten. Die IG Metall hatte ursprünglich 4 Prozent gefordert – was selbst völlig unzureichend war.

IG Metall-Verhandlungsführer Gröger beschönigte: „Das Ergebnis, das wir heute Nacht ausgehandelt haben, führt dazu, dass die VW-Belegschaft ein spürbares Plus im Portmonee vorfinden wird.“ Ein „Plus“, das die Inflation längst in ein Minus verwandelt hat, wenn es bei den Arbeitern ankommt. Außerdem stehen schon jetzt alle Zeichen auf Stellenabbau – auch daher ist der VW-Konzern gerne bereit, den Lohn in „freie Zeit“ umzutauschen.

Die Aktionäre können trotz eines geringeren Konzerngewinns im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr eine leichte Steigerung der Dividende einstecken. Der Aktienkurs stieg im Zeitraum zwischen März 2020 und Anfang April 2021 von 87,50 Euro auf 246,15 Euro und erreichte damit fast den Höchststand vom März 2015. Laut Vergütungsbericht verdiente VW-Chef Diess im Jahr 2020 rund 6,1 Millionen Euro, plus Boni in Höhe von 1,8 Millionen Euro.

Die Vergütungen für die Konzern-Betriebsräte sind ein Maß dafür, wie sehr die sogenannten „Arbeitnehmervertreter“ sich als Co-Manager des Konzerns betätigen und Kapitalinteressen vertreten. Bernd Osterloh verdiente in der Spitze inklusive Boni bis zu 750.000 Euro im Jahr.

Um ihren Lebensstandard und ihre Arbeitsplätze zu verteidigen, müssen sich die Arbeiter von der Bevormundung der Gewerkschaft befreien. Am Aufbau unabhängiger Aktionskomitees führt kein Weg vorbei.

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