Nach Zwischenfall im Mittelmeer: Türkei bestellt griechischen und französischen Botschafter ein

Die Spannungen im östlichen Mittelmeer haben sich auch in dieser Woche weiter verschärft. Am Montag hat das türkische Außenministerium wegen einer französisch-griechischen Marinefahrt in Gewässer, die von der Türkei beansprucht werden, den griechischen und den französischen Botschafter offiziell zu Gesprächen einbestellt. Der Zwischenfall verdeutlicht die zunehmenden Spannungen zwischen den NATO-Mitgliedsstaaten im östlichen Mittelmeer, dem ganzen Nahen Osten und Afrika. In dieser Auseinandersetzung unterstützt der französische Imperialismus Griechenland gegen die Türkei.

Am 15. April hatte Griechenland über den Informationsdienst NAVTEX angekündigt, dass das französische Erkundungsschiff L’Atalante in den nächsten drei Tagen südlich von Kreta und Rhodos nach Öl suchen werde. Sowohl die Türkei als auch Griechenland beanspruchen diese Gewässer, wobei Griechenland von Frankreich unterstützt wird. Athen machte diese Ankündigung provokanterweise zu dem Zeitpunkt, als sich der griechische Außenminister Nikos Dendias gerade mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu zu „vertrauensbildenden Gesprächen“ in Athen traf.

Schiff der griechischen Marine in der Bucht von Malonas, Rhodos (Flickr.com/seligmanwaite)

Ankara reagierte darauf am 17. April mit einer eigenen NAVTEX-Nachricht, laut der sich das fragliche Gebiet auf dem Festlandsockel der Türkei befinde, und zudem erkenne es Griechenlands Befugnis zu einer solchen Ankündigung nicht an. Letzten Endes wurden die L'Atalante und die griechische Fregatte Elli trotz der türkischen Warnung in die Region entsandt, verließen sie jedoch, nachdem sie von zwei türkischen Fregatten abgefangen worden waren.

Am Montag bestellte das türkische Außenministerium aus Protest den griechischen Botschafter Michael Christos Diamessis und den französischen Botschafter Hervé Magro ein. Bemerkenswerterweise berichteten die französischen und internationalen Medien kaum über diesen Schritt, obwohl nur bei schwerwiegenden diplomatischen Zwischenfällen die Botschafter einberufen werden. Lediglich die türkischen und griechischen Medien brachten ausführliche Berichte.

Dennoch bot das türkische Verteidigungsministerium Athen noch am gleichen Tag an, die Gespräche mit Vertretern des griechischen Militärs über neue „vertrauensbildende Maßnahmen“ wieder aufzunehmen.

Athen wies das Versöhnungsangebot Ankaras jedoch zurück. Am Dienstag bestätigte ein Sprecher des griechischen Außenministeriums, dass die L'Atalante in einem Gebiet operiert habe, das Athen gemäß einem Abkommen mit Ägypten als Teil seiner Hoheitsgewässer beansprucht. Der Sprecher erklärte, die NAVTEX-Station in Iraklion auf Kreta habe diese Position in einer formellen Ankündigung bekräftigt. Auch die griechische Botschaft in Ankara legte formellen Protest bei den türkischen Behörden ein.

Bei den Gesprächen zwischen Dendias und Çavuşoğlu, in deren Verlauf Athen die Provokation inszeniert hatte, soll, Berichten zufolge, anfangs eine herzliche Stimmung geherrscht haben. Danach überraschte Dendias Çavuşoğlu jedoch bei der anschließenden Pressekonferenz mit einem öffentlichen Angriff auf die Türkei.

Dendias warf der Türkei in faschistischer Rhetorik vor, sie habe Flüchtlinge aus dem Nahen Osten dazu ermutigt, die griechische Grenze zu „stürmen“ und damit den reaktionären Deal mit der Europäischen Union (EU) nicht eingehalten, der Flüchtlingen den Weg über die Türkei nach Europa verwehren soll. Er erklärte: „Hinsichtlich der Zuwanderung glaube ich ehrlich, dass die Türkei nach den Vorfällen des letzten Jahres nicht versuchen sollte, Griechenland in Bezug auf Migration zu belehren. Ich denke, es war nicht richtig, unsere Grenzen zu stürmen.“

Dendias wies die Vorschläge der Türkei zurück, die griechischen Inseln vor der türkischen Mittelmeer- und Ägäis-Küste, über welche die Flüchtlinge von der Türkei aus nach Griechenland gelangt sind, zu entmilitarisieren: „Wir haben Militär auf unseren Inseln stationiert, weil es dort eine Bedrohung gibt ... Kann irgendjemand behaupten, es gäbe keine Gefahr von Landungsverbänden in der Nähe unserer Inseln? Wenn es die nicht gibt, dann teilen Sie uns das bitte mit.“

Dendias bekräftigte außerdem, dass Athen das Abkommen über Gebietshoheit im Mittelmeer ablehnt, das die Türkei und das libysche Nato-Marionettenregime in Tripolis unterzeichnet haben. Athen legte stattdessen ein alternatives Abkommen über die Gewässer des Mittelmeers vor, das es mit dem ägyptischen Militärdiktator General Abdel Fattah al-Sisi unterzeichnet hat.

Çavuşoğlu erklärte daraufhin, Ankara wolle „diesen Dialog ohne Bedingungen fortsetzen, und wir wollen unsere Beziehungen zu Griechenland als Nachbarstaaten und Verbündete in jeder Hinsicht verbessern ... Wir wollten, dass dieses erste Treffen in einer positiveren Atmosphäre fortgesetzt wird, doch Nikos Dendias hat in seiner Rede leider einige äußerst inakzeptable Vorwürfe gegen mein Land erhoben. ... Die Türkei ist in der Lage, ihre Rechte zu verteidigen, vor allem im östlichen Mittelmeer, sowie die Rechte der türkischen Zyprioten.“

Die griechischen Medien lobten Dendias, weil er die türkische Regierung durch seine provokanten Äußerungen überrascht und erniedrigt habe. Die Greek City Times höhnte: „Çavuşoğlu war so überrascht von Dendias Äußerungen, dass er nur stammeln konnte, der griechische Außenminister habe sich von einem ,positiven‘ Dialog zurückgezogen.“

Athens provokantes Verhalten, das von Paris unterstützt wird, ist Ausdruck der zunehmenden Spannungen innerhalb der NATO in Folge der imperialistischen Kriege auf dem Balkan und im Nahen Osten in den drei Jahrzehnten seit der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion 1991. Die NATO-Kriege in Libyen und Syrien nach dem revolutionären Arbeiteraufstand in Ägypten im Jahr 2011 sowie dem von der NATO unterstützten Putsch in der Ukraine im Jahr 2014 haben die Region in Brand gesetzt. Die Gewässer im östlichen Mittelmeer sind nicht nur wegen ihrer Ölvorkommen begehrt, sondern auch wegen ihres strategischen Werts bei den Konflikten in der Ukraine, Syrien, Libyen und der afrikanischen Sahelzone.

Frankreich und die Türkei haben im libyschen Bürgerkrieg rivalisierende islamistische Milizen unterstützt, die die NATO im Jahr 2011 benutzt hatte, um das Regime von Oberst Muammar Gaddafi zu stürzen. Dieser Krieg hat zu umfangreichen Konflikten im ganzen östlichen Mittelmeer zwischen wechselnden rivalisierenden Bündnissen imperialistischer und regionaler Mächte aus dem Nahen Osten geführt. Als diese Konflikte eskalierten, kam es letzten Sommer im östlichen Mittelmeer fast zu einem Zusammenstoß von französischen und griechischen mit türkischen Kriegsschiffen.

Paris hat diese Konflikte geschürt, da sich der NATO-Krieg zum Regimewechsel in Syrien und die Kriege in Libyen und Mali zu einem Debakel entwickelten. Frankreichs Unterstützung ermutigt das viel kleinere Griechenland (mit einer Bevölkerung von 10,72 Millionen und einem Bruttoinlandsprodukt von 194 Milliarden Dollar), die Türkei (82 Millionen Einwohner und 649 Milliarden Dollar BIP) zu provozieren.

Diese Politik entlarvt die reaktionäre und politisch kriminelle Rolle des europäischen Imperialismus. Milliarden Euro werden für Konflikte und Grenzprovokationen ausgegeben, die eine blutige militärische Eskalation auslösen könnten. Gleichzeitig erleben Frankreich, Griechenland und die Türkei eine neue Welle der Corona-Pandemie, halten an der Politik der „Herdenimmunität“ fest und behaupten, es sei kein Geld für Lockdowns vorhanden.

Diese Woche wurde außerdem bekannt, dass Griechenland den Kauf von sechs weiteren französischen Rafale-Kampfflugzeugen plant, nachdem es bereits letztes Jahr 18 davon für mehrere Milliarden Euro gekauft hat. Griechenland unterzeichnete außerdem einen Vertrag mit Israel, laut dem griechische Piloten für 1,65 Milliarden Dollar dort ausgebildet werden sollen. Daneben hat Dendias am Mittwoch bei einem Besuch in Riad ein Abkommen mit der saudischen Monarchie über die Lieferung von Patriot-Raketen und über noch nicht näher beschriebene „regionale Fragen“ ausgehandelt.

Letzte Woche hatte Ankara Gespräche mit der Sisi-Junta in Kairo angekündigt, die enge Beziehungen zu Paris unterhält und Chalifa Haftars Miliz in Libyen gegen das Regime in Tripolis verteidigt. Berichten zufolge hatten im Vorfeld Gespräche zwischen dem türkischen und dem ägyptischen Geheimdienst stattgefunden. Çavuşoğlu erklärte: „Eine türkische Delegation unter Führung des stellvertretenden Außenministers wird Anfang Mai nach Kairo fahren. Nach diesem Besuch werde ich mich mit dem ägyptischen Außenminister Sameh Shoukry treffen. Ägypten ist ein wichtiges Land für die Region und wir hoffen, unsere Beziehungen auf eine neue Ebene heben zu können.“

Zweifellos hat diese Entscheidung die Verärgerung der herrschenden Kreise in Paris über die Türkei gesteigert. Zuvor wurde sie bereits durch den Tod des tschadischen Präsidenten Idriss Déby erschüttert. Déby war einer der wichtigsten Verbündeten in Frankreichs Krieg in Mali und der Sahelzone und starb während eines Angriffs einer tschadischen „Rebellenmiliz“ aus Libyen.

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