Sana-Kliniken kündigen Massenentlassungen an

Deutschlands drittgrößter Klinikkonzern, die Sana-Kliniken, haben inmitten der Corona-Pandemie die Entlassung von über 1000 Beschäftigten zum Ende des Jahres angekündigt. Mit Ausnahme des Reinigungssektors sollen sämtliche Geschäftsbereiche der Tochtergesellschaft DGS Pro-Service GmbH geschlossen werden. Betroffen von den Entlassungen sind Stationsassistenzen, der Hol- und Bringdienst an den Kliniken, Pförtner und Beschäftigte im Sicherheitsdienst.

Sana Klinikum im bayrischen Hof (Bild: Ἀστερίσκος / CC BY-SA 4.0)

Die Sana DGS Proservice GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Sana Immobilien Service GmbH und damit Teil der Sana Kliniken AG. Insgesamt werden über ein Drittel der DGS-Mitarbeiter, die an allen 53 Standorten des Konzerns tätig sind, entlassen. Der Großteil der Beschäftigten in diesen Bereichen arbeitet in Teilzeit. Das Unternehmen begründet die Kündigungen mit „neuen Anforderungen, die eine deutlich höhere fachliche Führung, Prozessbegleitung und Prozessüberwachung“ erforderten.

Dass diese Begründung blanker Unsinn ist, ist offensichtlich. Tatsächlich sollen damit auf dem Rücken von Patienten und Beschäftigten massive Einsparungen vollzogen werden, um die Profite der Anteilseigner zu steigern. Noch ist unklar, ob und in welcher Form die Arbeiten der entlassenen Arbeiterinnen und Arbeiter kompensiert werden, klar ist aber, dass es sich in erhöhter Arbeitshetze und schlechterer Versorgungsqualität niederschlagen wird.

Die DGS wurde 2007 gegründet, um die nicht-ärztlichen und -pflegerischen Bereiche auszugliedern. Wie in allen großen Klinikunternehmen dienen die Tochtergesellschaften vor allem dazu, die Löhne zu drücken. Von 2007 bis 2019 konnte der Konzern seinen jährlichen Umsatz kontinuierlich steigern, auf 2,84 Milliarden Euro 2019. Der operative Gewinn belief sich 2019 auf 105 Millionen Euro.

Die Sana-Kliniken wurden 1976 von mehreren privaten Krankenversicherungsunternehmen gegründet. Zur damaligen Zeit war der Anteil privater Konzerne im Krankenhausbereich noch verschwindend gering. Durch aggressive Übernahmen sollte dies geändert werden. Das Unternehmen kaufte wirtschaftlich ins Straucheln geratene kommunale und frei-gemeinnützige Kliniken auf. Heute ist Sana nach der Helios-Gruppe und den Asklepios-Kliniken der drittgrößte private Klinikbetreiber im Land.

Zuletzt übernahm der Konzern das Klinikum Niederlausitz in Brandenburg. Der Kreistag beschloss den Verkauf trotz starker Kritik und Protesten von Beschäftigten. Auch hier war die Klinik in den letzten Jahren in die roten Zahlen gerutscht, was nun als Begründung für die Privatisierung diente. Eine solche Politik hat dazu geführt, dass sich die Zahl der privat betriebenen Kliniken in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt hat. Die Folge sind schlechte Bezahlung und steigende Arbeitshetze für die Beschäftigten.

Die Entlassungen sind nicht auf die Sana-Kliniken beschränkt. Im gesamten Gesundheitswesen wird die Corona-Pandemie für drastische Umstrukturierungen genutzt. Während Ärzte, Pflegekräfte und alle anderen Klinikbeschäftigten seit über einem Jahr am Limit arbeiten und sich nicht selten selbst in Gefahr bringen, nutzen Klinikkonzerne und Politik die Krise für Massenentlassungen, Stilllegungen und Privatisierungen.

Im letzten Jahr wurden deutschlandweit 21 Kliniken vollständig geschlossen. In Dutzenden weiteren Häusern wurden Abteilungen stillgelegt, die nicht profitabel genug waren. So ist mittlerweile in der Geburtshilfe in einigen Regionen eine flächendeckende Versorgung nicht mehr sichergestellt. Bislang sind 30 weitere Kliniken bekannt, deren Schließung geplant ist oder droht. Experten gehen davon aus, dass es noch zu weit mehr Schließungen kommen könnte, da gerade kleineren Krankenhäusern die Einnahmen unter der Pandemie wegbrechen.

Zuletzt war in den Kliniken eine regelrechte Entlassungswelle zu beobachten. Die Streichung von 440 Vollzeitstellen beim Bremer Klinikverbund „Gesundheit Nord“ (Geno) ist nur ein Fall. Die Asklepios-Stadtklinik in Bad Tölz beschäftigt inmitten der Pandemie und bei voll belegten Stationen 15 Stationshilfen nicht mehr weiter, die die völlig überlasteten Pflegekräfte beim Beziehen von Betten oder der Essensausgabe unterstützen.

Den Stationshilfen wurde entweder im Rahmen der Probezeit gekündigt, oder ihre befristeten Verträge wurden nicht verlängert. Asklepios hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Stationshilfen durch das neue Pflegepersonalstärkungsgesetz nicht mehr vom Pflegebudget abgedeckt würden. Diese Darstellung ist bewusst falsch. Weiterhin werden auch Stationshilfen über die Fallpauschalen finanziert. Im Gegensatz zu Pflegekräften verbessert sich ihre Finanzierung durch das Pflegepersonalstärkungsgesetzt aber nicht.

Der Klinikbetreiber Helios hat während der Pandemie traumhafte Umsätze erzielt. Der Umsatz von Helios Deutschland stieg im 4. Quartal des letzten Jahres um 11 Prozent auf 1,64 Milliarden Euro. Im gesamten Geschäftsjahr 2020 stieg der Umsatz um 7 Prozent auf 6,34 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor waren es 5,94 Milliarden Euro gewesen. Seinen Anlegern stellte Helios höhere Dividenden in Aussicht, und trotz Pandemie erwartet der Konzern auch 2021 satte Gewinnzuwächse.

Gleichzeitig beschäftigt der Konzern schon jetzt zu wenig Personal und will sogar noch weitere Streichungen vornehmen. Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, erklärte dazu: „In der Tat hören wir von unseren Mitgliedern aus fast allen Landesverbänden, dass im Helios-Konzern Arztstellen eingespart werden sollen. Es scheint so zu sein, dass Helios plant, etwa zehn Prozent der Arztstellen im Konzern abzubauen. Und das heißt ja, dass die Ärztinnen und Ärzte, die dann bleiben, noch mehr Überstunden leisten müssen.“

Andreas Botzlar, ebenfalls vom Marburger Bund, berichtete der ÄrzteZeitung, dass „Kostenoptimierer“ jetzt den ärztlichen Dienst ausdünnen, um Kosten zu senken. „In Helios-Kliniken werden Stellen nicht mehr nachbesetzt oder teilweise aktiv abgebaut. Oder Ärzten wird nahegelegt, in Teilzeit zu gehen. Das passiert zu einer Zeit, in der die Ärztinnen und Ärzte, die bereits da sind, schon am Anschlag arbeiten“, so Botzlar.

Die Entlassungspläne der Sana-Kliniken lösten bei den Gewerkschaften die bekannte, gespielte Empörung aus. „Beschäftigten im Gesundheitswesen zu kündigen ist für sich genommen schon ein Unding. Das auch noch mitten in der dritten Welle der Coronapandemie zu tun, schlägt dem Fass den Boden aus,“ sagte beispielsweise Sylvia Bühler, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand. Sie forderte die Rücknahme der Entlassungspläne und erklärte, Krankenhauspolitik müsse sich an der „bestmöglichen Versorgung kranker Menschen ausrichten und nicht an wirtschaftlichen Interessen“.

Auch Vertreter der Linkspartei stimmten öffentlichkeitswirksam ein. „Corona hat gezeigt: Krankenhäuser müssen Leben retten statt Gewinne machen,“ sagte Julia Marmulla, Sprecherin der Linke-Ratsfraktion in Düsseldorf. Dort hat die öffentliche Hand noch einen Minderheitsanteil an den von Sana kontrollierten Kliniken, die in mehreren Schritten veräußert wurden.

Während in der breiten Öffentlichkeit ehrliche Empörung und Wut über die dreisten Entlassungspläne vorherrschen, sind die Äußerungen der Gewerkschaft Verdi und der Linken nichts als heiße Luft, die dazu dient, die eigene Rolle zu verschleiern.

Erst Ende April hat der Aufsichtsrat der Sana-Kliniken Thomas Lemke einstimmig zum Vorstandsvorsitzenden bis 2026 bestellt. Das heißt, zu einem Zeitpunkt, an dem die Pläne längst ausgearbeitet und dem Aufsichtsrat bekannt waren, stimmten auch die Vertreter des Betriebsrats und der Gewerkschaft Verdi für Lemke, der die treibende Kraft hinter den Plänen ist.

Es ist das altbekannte Spiel von Verdi. Die Gewerkschaft arbeitet als Co-Manager in den Führungsgremien sämtliche Entlassungen mit aus. Vor den Betroffenen äußert sie Empörung, um ihre Wut in harmlose Kanäle zu lenken.

Ebenso abstoßend ist die Rolle der Linkspartei. Überall dort, wo sie in Regierungsverantwortung steht, führt sie selbst Privatisierungen und Entlassungen durch. So findet die Streichung von 440 Vollzeitstellen bei der Bremer Geno unter Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) statt, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der Geno ist.

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