Linkspartei: Mit Bartsch und Wissler auf Regierungs- und Nato-Kurs

Die Linkspartei zieht mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und der Parteivorsitzenden Janine Wissler als Spitzenkandidaten in die Bundestagswahl vom 26. September. Das verkündete die Co-Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow auf einer Pressekonferenz am Montag. Der Parteivorstand habe „zwei starken Kandidaten das Vertrauen ausgesprochen mit fast 87 Prozent“, erklärte sie. Die beiden verkörperten „unseren Anspruch aufzubrechen, dieses Land zu verändern“. Eine „progressive Mehrheit links der Union“ sei „möglich“.

Klarer könnte man die rechte, pro-kapitalistische Orientierung der Partei nicht formulieren. Nach der Bundestagswahl vom 26. September strebt Die Linke erklärtermaßen ein Regierungsbündnis mit den Hartz-IV- und Kriegsparteien auf Bundesebene an. Eine solche Koalition würde keine „progressive“ oder gar „linke“ Politik verfolgen, sondern die Politik der sozialen Angriffe, der inneren und äußeren Aufrüstung und der mörderischen Durchseuchungspolitik in der Pandemie weiter vorantreiben.

Dafür genügt schon ein Blick auf die Spitzenkandidaten von SPD und Grünen. Der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, ist als amtierender Finanzminister der Architekt der Milliardengeschenke an die Großkonzerne und Banken und der massiven militärischen Aufrüstung der letzten Jahre. Erst vor wenigen Wochen wurde der Verteidigungshaushalt unter seiner Ägide um weitere fünf Prozent auf mittlerweile über 50 Milliarden Euro erhöht. Am Wochenende verteidigte er auf dem SPD-Parteitag den Kurs der Großen Koalition, deren „Profite vor Leben“-Politik in der Pandemie bereits zu mehr als 85.000 Corona-Toten geführt hat.

Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, steht Scholz in nichts nach. Sie ist ebenfalls eine ausgesprochene Militaristin, die in jedem Interview ein aggressiveres Vorgehen gegen Russland und China fordert und für die Stärkung der Nato, den Aufbau einer europäischen Armee und höhere Verteidigungsausgaben trommelt. „Wir müssen uns da ehrlich machen. Ja, in manchen Bereichen muss man mehr investieren, damit Gewehre schießen,“ erklärte sie gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Die sozialen Phrasen, die Bartsch und Wissler auf der Pressekonferenz von sich gaben, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Die Linke selbst eine durch und durch reaktionäre und arbeiterfeindliche Politik verfolgt. Überall wo sie auf Länderebene zusammen mit SPD und Grünen regiert, kürzt sie die Sozialausgaben, privatisiert, rüstet den Staatsapparat auf und schiebt brutal ab.

Dietmar Bartsch (Foto: Die Linke / flickr)

Bartschs Behauptung, Die Linke sei die „die Anwältin“ der „Krankenschwestern, der Erzieherinnen und Lehrer, der Paketboten, der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Supermärkten“ und der „Millionen, die zu Billiglöhnen schuften müssen“, kann man vor diesem Hintergrund nur als zynische Provokation bezeichnen. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: In Bremen plant die rot-rot-grüne Landesregierung inmitten der Pandemie den Abbau von über 400 Vollzeitstellen im Klinikverbund Gesundheit Nord. Organisiert wird der Kahlschlag von der „linken“ Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard.

Tatsächlich tritt der rechte, pro-kapitalistische Charakter der Linkspartei seit Beginn der Corona-Pandemie immer offener zutage. Im März 2020 stimmte sie im Bundestag für die von Scholz und der Großen Koalition auf den Weg gebrachten „Corona-Notpakete“, die vor allem den Großkonzernen und Banken hunderte Milliarden in den Rachen spülten. Seitdem verfolgt sie überall, wo sie (mit)regiert, eine rücksichtslose Öffnungspolitik, um die gigantischen Summen wieder bei den Arbeitern einzutreiben.

Führende Linksparteipolitiker, wie der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow, haben sich explizit hinter die mörderische Strategie der „Herdenimmunität“ gestellt. Andere, allen voran die frühere Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, schüren in AfD-Manier Nationalismus und hetzen gegen Migranten und Flüchtlinge.

Dieser Kurs wird von den Spitzenkandidaten unterstützt. Auf der Pressekonferenz lobte Bartsch Wagenknechts das von der AfD gefeierte Buch „Die Selbstgerechten“ mit den Worten: „Frau Wagenknecht hat ein sicherlich vielfach spannendes Buch geschrieben.“ Sie werde „in diesem Wahlkampf“ als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen „eine wichtige Rolle spielen“. Sie spreche „strategische Fragen an, über die es sich lohnt zu reden“, und er freue sich, „wenn sie sich mit Enthusiasmus in diesen Wahlkampf einbringen wird“.

Bartsch steht wie kaum ein zweiter für die reaktionäre Orientierung der Linkspartei. Er war bereits Mitglied der stalinistischen SED/PDS, als diese vor 30 Jahren den Kapitalismus in Ostdeutschland einführte. Anschließend brachte er als Bundesschatzmeister (1991-1997) und Bundesgeschäftsführer (1997-2002) das erste Regierungsbündnis mit der SPD in Mecklenburg-Vorpommern mit auf den Weg. Dieses führte massive soziale Angriffe durch und privatisierte landeseigene und kommunale Einrichtungen. Es diente als Modell für alle weiteren Regierungsbeteiligungen der Linkspartei.

In seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender spielte Bartsch in den letzten Jahren eine Schlüsselrolle bei der Rückkehr des deutschen Militarismus. Im April 2014 war er einer der fünf Bundestagsabgeordneten der Linken, die für die Entsendung einer deutschen Fregatte ins Mittelmeer stimmten, um syrische Chemiewaffen zu zerstören. Bereits bei den letzten Bundestagswahlen 2017 präsentierte er Die Linke in einem Interview mit dem Deutschen Bundeswehrverband (DBwV) als Partei, die konsequent die Interessen der Soldaten vertritt.

Nun lässt Bartsch im Wahlkampf alle Hüllen fallen und signalisiert der herrschenden Klasse die Unterstützung seiner Partei in den zentralen Fragen der Außen- und Kriegspolitik. Bei seinem ersten TV-Auftritt als Spitzenkandidat in den Tagesthemen am Montagabend versicherte er, mögliche Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen würden an der Frage der Nato „nicht scheitern“.

Auf die Frage des Moderators Ingo Zamperoni, ob „die Nato bestehen könnte, mit der Linken in der Regierung“, antwortete Bartsch: „Jeder Mensch dieser Welt weiß, dass die Linke sich nicht erst an einen Tisch setzt, wenn die Nato aufgelöst ist. Das ist doch absurd, uns das zu unterstellen.“

Auch Wissler stellte in ihrem ersten ausführlichen Interview als Spitzenkandidatin mit dem Deutschlandfunk am Dienstagmorgen umgehend klar, dass die angeblichen „roten Haltelinien“ im Partei- und Wahlprogramm nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Auf die Frage, ob sie „wirklich ganz klar“ sage, „für uns gibt es nur eine Koalition ohne Nato“, erwiderte Wissler: „Ich sage jetzt erst mal gar nicht, für uns gibt es nur eine Koalition, wenn, sondern Die Linke geht in den Wahlkampf mit unseren Positionen.“ Ihre Partei wolle „nicht ‚Deutschland raus aus der Nato‘“. Man wolle die Nato „auflösen“ und „durch ein kollektives Sicherheitsbündnis“ Ersetzen.

Das ist unmissverständlich. Auch für Wissler würde eine rot-rot-grüne Bundesregierung nicht an der Frage der Nato scheitern. Gleichzeitig wäre ein neues „Sicherheitsbündnis“ kein Friedensprojekt, sondern der Rahmen, in dem der deutsche Imperialismus seine geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen unabhängiger verfolgen würde. In außenpolitischen Kreisen werden derartige Pläne seit langem diskutiert. Die Forderung sei „nichts, was Die Linke erfunden hat“, betonte Wissler. „Diese Debatten“ habe es „ja auch gerade am Beginn der 90er-Jahre“ gegeben, „ob es nicht notwendig ist, ein neues Sicherheitsbündnis zu haben“.

Es ist kein Zufall, dass neben dem gewendeten Stalinisten Bartsch Wissler die führende Rolle dabei spielt, die Linke im Wahlkampf auf Regierungs- und Kriegskurs zu bringen. Sie entstammt der pseudolinken Gruppierung Marx21, die im Gegensatz zu gelegentlichen Behauptungen in den bürgerlichen Medien nicht in der Tradition des Trotzkismus steht, sondern in der anti-trotzkistischen Tradition des „Staatskapitalismus“ und der von Tony Cliff begründeten International Socialist Tendency (IST).

Cliff hatte bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der Vierten Internationale gebrochen und die Sowjetunion trotz der durch die Oktoberrevolution geschaffenen Eigentumsverhältnisse als „staatskapitalistisch“ bezeichnet. Wie andere Spielarten des „Staatskapitalismus“ verbarg sich hinter Cliffs Position eine „linke“ Form des Antikommunismus und eine Anpassung an den Imperialismus. Spätestens seit der Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie stehen die Staatskapitalisten und die wohlhabenden Mittelschichten, deren Interessen sie artikulieren, offen im Lager des Imperialismus.

Besonders sichtbar ist das in Deutschland. Mit Christine Buchholz sitzt eine der bekanntesten Vertreterinnen von Marx21 seit mehr als einer Dekade im Verteidigungsausschuss des Bundestags und ist damit direkt in die deutsche Kriegspolitik integriert. Gemeinsam mit der Verteidigungsministerin besucht sie die deutschen Truppen in den Einsatzgebieten in Afrika. Auch die imperialistischen Offensiven im Nahen Osten und gegen Russland wurden und werden von Marx21 unterstützt.

Unter Arbeitern und Jugendlichen ist die rechte Politik der Linkspartei verhasst. In aktuellen Wahlumfragen liegt sie derzeit bei nur noch sechs Prozent (9,2 Prozent 2017). Die Sozialistische Gleichheitspartei kämpft dafür, die wachsende Wut und Opposition gegen alle Bundestagsparteien mit einem internationalen sozialistischen Programm zu bewaffnen. Nur durch das unabhängige Eingreifen der Arbeiterklasse können soziale und demokratische Rechte verteidigt, die Pandemie unter Kontrolle gebracht und die Rückkehr von Militarismus, Faschismus und Krieg gestoppt werden.

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