24 Arbeiter bei Chemie- und Pharmakonzern Bayer an Covid-19 gestorben

Die Aktionärs-Hauptversammlung der Bayer AG gedachte am 27. April 24 Arbeitern, die im vergangenen Jahr an den Folgen von Covid-19 gestorben sind. Das berichtete die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) unter der Überschrift „Betriebsgeheimnis Corona-Tote”. Die Zeitung kontrastierte diese Offenheit positiv mit anderen Unternehmen, die keine Informationen zur Infektionslage oder zu Corona-Toten in ihren Betrieben preisgeben.

Es ist seit langem bekannt, dass Betriebe und Arbeitsplätze zu den Treibern der Corona-Pandemie gehören. Aber Informationen zum Infektionsgeschehen, zur Zahl der Erkrankten und Todesopfer sind Mangelware. Über Ausbrüche in Betrieben berichten meist nur regionale Medien. Ansonsten herrscht ein Kartell des Schweigens von Unternehmensvorständen, Gewerkschaften und Betriebsräten.

Überragendes Ziel ist das ungehinderte Weiterlaufen der Produktion. Diese „Profite-vor-Leben”-Politik wird in allen Ländern im Interesse der herrschenden Klasse durchgesetzt.

Bayer-Werk in Leverkusen (Bild: Rolf Heinrich / CC BY-SA 3.0)

Auch bei der Bayer AG gibt es keine Offenheit. Die Autorin stieß bei Nachfragen an Unternehmen und Betriebsrat auf eine regelrechte Verschwörung, die genauere Informationen verweigerte.

Auf die Frage: „Laut Bericht der WAZ vom 4. Mai 2021 gedachte die Bayer-Hauptversammlung vor kurzem 24 Corona-Toten. Könnten Sie mir einige weitere Informationen zur Verfügung stellen, wo und in welchem Zeitraum diese Todesfälle zu beklagen waren und wie stark Bayer bzw. welche Bayer-Werke/-Standorte von Covid-19-Infektionen betroffen sind?” antwortete der Pressesprecher Markus Siebenmorgen am 6. Mai, die Zahlen zu den angesprochenen Todesfällen bezögen sich „auf alle unsere Standorte weltweit und auf den Zeitraum vom Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr bis zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 27. April diesen Jahres“.

Generell lasse sich sagen, „dass die uns bekannten Zahlen erkrankter oder in Quarantäne befindlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in etwa den Inzidenzfällen entspricht, die von den Gesundheitsbehörden der betroffenen Regionen bzw. Standorte für die Gesamtbevölkerung festgestellt werden“.

Auf die gleichlautenden Fragen und die Ergänzung: „Gibt es über die Schweigeminute hinaus andere Aktivitäten, um Corona-Infektionen und den tragischen Todesfällen entgegenzuwirken?”, antwortete der Referent des Gesamtbetriebsrats Frank Roesch: „Auch wenn unser Betriebsrat im ständigen Kontakt mit der Unternehmensleitung ist und aus unserer Sicht das Bestmögliche zur Sicherheit der Beschäftigten unternommen wird, möchten wir keine Zahlen kommentieren. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unser Betriebsrat bei derlei Fragen nicht der richtige Ansprechpartner ist.” Er verwies auf die Presseabteilung des Konzerns.

Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer beschäftigt weltweit 99.500 Mitarbeiter und erzielte im letzten Jahr 41,4 Milliarden Euro Umsatz. Er ist eines der größten Unternehmen in Deutschland.

Die Information über das Infektionsgeschehen durch Corona in diesem wie auch anderen Betrieben ist von öffentlichem Interesse. Doch die Weigerung, genaue Informationen über die Ausbreitung des Corona-Virus in Betrieben herauszugeben, ist nicht auf die Bayer AG begrenzt.

Die Deutsche Post DHL Group mit über einer halben Million Mitarbeitern, die weltweit im Logistikgeschäft aktiv ist, konnte durch den durch die Pandemie verstärkten Online-Handel im letzten Jahr sowohl Umsatz wie Gewinn kräftig steigern. Der Umsatz stieg um 5,5 Prozent auf 66,8 Milliarden Euro, das operative Ergebins (Ebit) stieg um 17,4 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro (bereinigt um Sondereffekte sogar auf 5,4 Milliarden Euro). Eine Entwicklung, die sich im ersten Quartal dieses Jahres weiter rasant fortsetzt.

Diese Gewinne werden vor allem auf Kosten von Leben und Gesundheit der Zigtausenden Zusteller und Zustellerinnen erzeugt, die unter enormem Arbeitsstress Hunderte Päckchen und Pakete täglich ausliefern und zustellen. Ein Indiz dafür ist, dass im letzten Jahr in Deutschland fünf Fahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen sind. Im Jahr davor war ein Unfalltoter zu beklagen.

Obwohl sich Arbeiterinnen und Arbeiter gerade im Bereich der Logistik – ob beim Zusammenstellen der auszuliefernden Waren oder beim Übergeben an die Empfänger – kaum ausreichend vor Infektionen schützen können, weigert sich der Konzern, Zahlen über Infizierte oder Todesfälle bekanntzugeben.

Auf eine Anfrage der WAZ-Redaktion antwortete der Deutsche Post DHL-Konzern: „In Bezug auf Verdachtsfälle oder bestätigte Infektionsfälle bitten wir um Verständnis, dass wir bei diesem Thema grundsätzlich keine Ergebnisse kommunizieren.“ Und: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aus Respekt vor der Privatsphäre unserer Mitarbeiter keine weiteren Einzelheiten nennen können.“

Bei Thyssenkrupp Steel wird öffentlich kommuniziert, dass man mit dem Thema Corona offen und transparent umgehe und nichts verbergen wolle, so Markus Grolms, ehemaliger IG Metall-Funktionär und seit April 2020 Arbeitsdirektor und Personalvorstand des Konzerns.

So erhielt Dietmar Gaisenkersting, ebenfalls Redakteur der World Socialist Web Site, auf Nachfrage bei Mark Stagge, dem Pressesprecher des Konzerns, die aktuellen Daten vom 12. April 2021: „Derzeit haben wir rund 50 mit dem Virus infizierte Mitarbeitende, rund 130 sind in Quarantäne, Tendenz sinkend.“

Ausführlichere und detailliertere Informationen über Verlauf und Entwicklung der Pandemie im Unternehmen verweigerte aber der Konzern mit dem Hinweis, dass es sich um interne Informationen handle. Laut einer anderen Quelle im Betrieb sollen sich im vergangenen Jahr ca. 1220 Arbeiter mit dem Corona-Virus infiziert haben. Thyssenkrupp Steel beschäftigt ca. 27.000 Mitarbeiter.

Wie empfindlich Unternehmen auf Berichte über Corona-Ausbrüche reagieren, zeigt auch ein Bericht der Gießener Allgemeinen vom 7. Mai 2021. Die Zeitung berichtet unter der Überschrift „Kreis Gießen: Aktuell ,mehr als zehn‘ Corona-Cluster in Unternehmen“, dass Dutzende Beschäftigte im Kreis Gießen von Infektionsketten betroffen seien, die das Gesundheitsamt zu ihrem Arbeitgeber zurückverfolgen konnte. Die Leiterin des Fachdiensts Hygiene im Kreisgesundheitsamt, Dr. Anja Hauri, sagte der GAZ, dass es in jüngster Zeit „deutlich mehr Ausbrüche“ in heimischen Betrieben gebe. Konkrete Zahlen nannte sie allerdings nicht.

Auf Nachfrage beim Landkreis Gießen erhielt die Zeitung die Auskunft, dem Gesundheitsamt seien „durch die Nachverfolgung von Infektionsketten derzeit in mehr als zehn Fällen Cluster – also zusammenhängende Infektionsketten – in verschiedenen Unternehmen im gesamten Kreisgebiet bekannt“. Aktuell gebe es „gut 100 SARS-CoV-2-Fälle, die Beschäftigte dieser Unternehmen betreffen“. Auch hier wurde nicht benannt, auf welche Betriebe und Kommunen sich diese Angaben beziehen.

Erläuternd hieß es: „Betroffen sind vor allem Branchen und Sparten, in denen Beschäftigte nicht auf Distanz und im Homeoffice arbeiten können, sondern aufgrund ihrer Tätigkeit zum Beispiel in der Produktion oder Logistik im Unternehmen anwesend sein müssen und Kontakte entstehen.“

Bereits diese Informationen waren der Industrie- und Handelskammer (IHK) Gießen-Friedberg, der Interessensvertretung der Unternehmen, zu viel. Sie äußerte Kritik an der Äußerung von Hauri. Die Berichterstattung zur Corona-Lage im Kreis, wonach „das Virus derzeit zunehmend in Betrieben grassiere“, sei „bei einigen unserer Mitgliedsunternehmen auf Irritation gestoßen“, so die IHK.

Alle angeführten Beispiele stehen stellvertretend für die gesamte Wirtschaft und die Verschwörung von Unternehmensvorständen, Gewerkschaften und Betriebsräten gegen die Arbeiter. Deren oberstes Ziel ist, die Betriebe am Laufen zu halten und Profite aus der Arbeiterklasse herauszupressen. Gesundheit und Leben der Arbeiter und ihrer Familien werden dieser Maxime untergeordnet. Seit Beginn der Pandemie gab es keinen Lockdown, der Industrie- und Produktionsbetriebe eingeschlossen hätte, um die Pandemie wirkungsvoll zu bekämpfen.

Inzwischen sind laut offiziellen Zahlen allein in Deutschland über 85.000 Menschen dem Virus zum Opfer gefallen. Weltweit sind es 3,3 Millionen, nach einigen Studien sogar mehr als doppelt so viel. Dieses furchtbare Massensterben kann nur durch ein international vereintes Eingreifen der Arbeiterklasse mit einer sozialistischen Perspektive gestoppt werden. Leben und Bedürfnisse Bevölkerung stehen höher als die Profitinteressen der Konzerne!

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