AP-Journalistin entlassen, weil sie für die Palästinenser Partei ergriff

Letzte Woche hat die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ihre neue Mitarbeiterin Emily Wilder entlassen, weil sie während ihres Studiums an der Stanford University pro-palästinensische Positionen vertreten und in den sozialen Netzwerken die israelische Regierung kritisiert hatte. Der Vorgang ist ein beängstigender Akt politischer Zensur.

Emily Wilder (Twitter/@vv1lder)

Die Entscheidung, Wilder zu entlassen, geht auf eine Online-Kampagne der College Republicans mit dem Ziel zurück, die neu eingestellte Journalistin zu diskreditieren. Zahlreiche rechte Persönlichkeiten in den USA, wie Ben Shapiro, Robert Spencer oder Senator Tom Cotton, unterstützten die Kampagne und forderten Wilders Entlassung.

Die Journalistin nahm am 3. Mai ihre Arbeit für Associated Press auf. Nur zwei Wochen später erklärten die Stanford College Republicans auf Facebook und Twitter, sie hätten bei AP aufgrund von Wilders Einstellung eine angeblich anti-israelische Befangenheit „entlarvt“. In den entsprechenden Posts wurde Wilder als „Israel-feindliche Aufwieglerin“ bezeichnet, weil sie an Demonstrationen der Students for Justice in Palestine und der Jewish Voice for Peace (JVP) teilgenommen hatte. Letzteres ist eine jüdische Aktivistengruppe, die gegen Zionismus kämpft.

Die angebliche „Entlarvung“ der College Republicans bestand lediglich darin, dass sie Fotos von Wilders eigenem Social-Media-Account teilten, auf dem die junge Frau ihre Begeisterung darüber bekundete, dass sie bei AP anfangen konnte. Außerdem nutzten sie Wilders Bilder, die sie auf einer JVP-Demonstration zeigen, und mehrere Social Media Posts, auf denen Wilder, die selbst Jüdin ist, die israelische Staatsbürgerschaft kritisiert, die auf Personen jüdischer Herkunft oder jüdischen Glaubens Anwendung findet, während Palästinenser mit Gewalt aus ihren Häusern vertrieben werden.

In einem dieser Posts erklärte Wilder, warum sie sich an einer Demonstration gegen eine Spendengala beteiligte. Diese Gala fand zu Gunsten der pro-israelischen „Birthright“-Kampagne statt, und einer der Teilnehmer war Sheldon Adelson, Donald Trumps größter Einzelspender. Wilder schrieb: „Warum unterstütze ich #ReturnTheBirthright? Weil Millionen palästinensischer Flüchtlinge und ihre Nachkommen nicht zu ihren Eltern und Großeltern zurückkehren oder sie auch nur besuchen können. Gleichzeitig gibt Israel Millionen aus, die es von Fanatikern wie Adelson erhalten hat, um Hunderttausende junger Juden zu indoktrinieren und auf Land anzusiedeln, von dem Palästinenser vor weniger als einer Lebensspanne durch ethnische Säuberungen vertrieben wurden.“ Im gleichen Post schrieb Wilder, sie lehne ethnischen Nationalismus ab und träume von einem Ende aller nationalen Grenzen.

Der Post der College Republicans wurde später von Senator Tom Cotton (Arkansas) geteilt, dem rechten Redakteur von The Daily Wire, außerdem von Ben Shapiro und dem anti-muslimischen Rassisten Robert Spencer. Senator Cotton deutete sogar an, dass Associated Press Beziehungen zur Hamas unterhalte. In einem Post, der auf einen Artikel im rechtsextremen Free Beacon über Wilders Einstellung verlinkte, erklärte Cotton: „Bei einer Medienorganisation, die sich Büroflächen mit der Hamas geteilt hat, wundert das nicht.“

Anfang des Monats wurden u.a. Büros der AP in Gaza durch Luftangriffe der Israelischen Verteidigungskräfte zerstört, angeblich weil sich in dem Gebäude Hamas-Anhänger befanden. Sowohl AP als auch der Besitzer des zerstörten Gebäudes bestreiten, dass die Hamas je in dem Gebäude aktiv war. Israel hat keine Beweise für die Behauptung geliefert, die Hamas hätte das Gebäude benutzt.

Spencer veröffentlichte seine Angriffe auf Wilder auf seinem abstoßenden Blog Jihad Watch. Obwohl Wilder gerade erst das College beendet hatte, warf er ihr vor, sie habe sich an „zahlreichen Aktivitäten zur Unterstützung des völkermörderischen ,palästinensischen Dschihad‘ beteiligt“. Auch er verbreitete die Lüge, AP habe Beziehungen zur Hamas.

Wilder äußerte sich nach ihrer Entlassung auf Twitter über die rechte Kampagne und die Entscheidung der AP, sie aus politischen Gründen zu entlassen. Sie schrieb:

Die College Republicans in Stanford haben eine Verleumdungskampagne gegen mich organisiert, um meinen bereits öffentlich bekannten Aktivismus für die Menschenrechte von Palästinensern an der Stanford University zu „entlarven“. Ich war gegenüber meinen Redakteuren offen, und sie haben mir versichert, dass ich dafür nicht bestraft würde. Man erklärte mir, meine Redakteure hofften nur, mich gegen die zahlreichen sexistischen, antisemitischen, rassistischen und gewaltbereiten Kommentare und Mitteilungen zu unterstützen, die ich erhielt. Keine 48 Stunden später hat AP mich entlassen.

AP hat sich zu Wilders Entlassung bisher weitgehend ausgeschwiegen. Der offizielle Grund für die Entlassung war ein angeblicher Verstoß gegen die Social-Media-Richtlinien von AP, ohne dass jedoch ein Beispiel dafür genannt worden wäre. Wilder erklärte: „Das haben sie offenbar als Gelegenheit benutzt, um mich zum Sündenbock zu machen.“

Zum Schluss ihrer Erklärung schreibt Wilder, die Erfahrung sei „enttäuschend".

Ich muss mich fragen, was für eine Botschaft das an junge Menschen vermittelt, die gerechte Empörung oder Leidenschaft für Gerechtigkeit in wirkungsvollen Journalismus verwandeln wollen. Welche Zukunft verspricht es angehenden Reportern, wenn eine Institution wie Associated Press die Schwächsten den grausamen Provokationen von anonymen Mobbern opfert? Was bedeutet es für diese Branche, dass selbst das Teilen der schmerzhaften Erfahrungen der Palästinenser oder das Hinterfragen der Sprache, mit der wir sie beschreiben, als hoffnungslos ,voreingenommen‘ betrachtet werden kann?

Zuletzt schreibt sie: „Die letzten Tage waren zwar erdrückend, aber ich werde mich nicht einschüchtern und zum Schweigen bringen lassen. Ich werde bald zurückkehren.“

Wilders Entlassung und das Schweigen der Associated Press stieß auf massive Opposition sowohl in der Öffentlichkeit, als auch unter Wilders ehemaligen Kollegen. Am Montag verurteilten Angestellte der Associated Press in einem offenen Brief Wilders Entlassung und forderten eine Erklärung.

In dem offenen Brief heißt es u.a.:

In Wilder wurde eine junge Journalistin durch das Vorgehen der AP und durch ihre Entlassung unnötig verletzt. Wir brauchen die Gewissheit, dass die AP hinter Journalisten steht, die Opfer von Verleumdungskampagnen und Verfolgung im Internet sind, und dass sie ihnen Ressourcen zur Verfügung stellt. Als Journalisten, die über umstrittene Themen berichten, sind wir oft Ziel von Leuten, die unzufrieden sind mit unserer genauen Prüfung. Was passiert, wenn sie eine Hetzkampagne gegen einen weiteren von uns organisieren? Interessengruppen feiern ihren Sieg und bereiten Angriffe auf weitere AP-Journalisten vor. Immer wieder nehmen sie die Identität von Journalisten ins Visier ihrer Angriffe. Wenn wir dieses Spiel zu den Bedingungen derjenigen spielen, die in böser Absicht handeln, können wir nicht gewinnen.

Die AP-Journalisten verteidigen Wilder und erklären, ihre Entlassung stelle grundlegende Rechte und den Schutz der Arbeit von Journalisten in Frage:

Die fehlende Kommunikation über Wilder Entlassung seither und die Umstände flößen uns kein Vertrauen ein, dass nicht jeder von uns als nächstes ohne Erklärung geopfert werden könnte. Unsere Kollegen – vor allem angehende Journalisten – fragen sich, wie wir unsere eigenen Leute behandeln, welche Kultur wir vertreten und welche Werte wir als Unternehmen wirklich verfechten.

Zum Schluss fordern sie Aufklärung über das Disziplinarverfahren, das zu Wilders Entlassung führte, eine Erklärung darüber, was mit „Verletzung der Social-Media-Richtlinien“ gemeint ist, eine Verpflichtung zur Verteidigung von Angestellten gegen Belästigungskampagnen und die Schaffung eines Komitees, das neue Social-Media-Richtlinien entwickelt.

Bis zum Dienstagmorgen haben mehr als 140 AP-Journalisten weltweit den Brief unterzeichnet, darunter Korrespondenten aus Washington DC, New York, Chicago, Austin, Peking, Boston, Kairo, Los Angeles, Moskau und Neu-Delhi. Die Zahl der Unterzeichner wächst stündlich.

Die AP hat sich zwar noch nicht öffentlich zu dem Brief geäußert, doch die Zeitung The Intercept veröffentlichte am Montagabend eine geleakte Mittelung der Geschäftsführung an die Redaktion, die offensichtlich ein Versuch in Schadensbegrenzung war. Darin hieß es, der Vorstand werde „Bedenken sorgfältig anhören und natürlich darüber nachdenken (...) die Entscheidung, eine Beschäftigte zu entlassen, war schwer; und wir haben sie nicht leichtfertig gefällt.“

Laut dem Bericht in The Intercept hat AP-Chefredakteurin Sally Buzbee, die ab dem 1. Juni den Posten als Chefredakteurin der Washington Post übernimmt, das Memorandum nicht unterzeichnet. Der AP-Mitarbeiter erklärte laut The Intercept, Buzbee wolle sich von der Kontroverse distanzieren.

Wilders Entlassung geschieht vor dem Hintergrund einer enormen Opposition gegen den einseitigen Krieg, der gegen die palästinensische Bevölkerung geführt wird. Während des letzten Monats gab es weltweit zahlreiche Großdemonstrationen gegen die israelischen Luftangriffe auf Gaza und deren finanzielle Unterstützung durch die USA.

AP hat feige vor den rechtesten und reaktionärsten Elementen der herrschenden Klasse kapituliert, die die steigende internationale Unterstützung für die Palästinenser durch Zensur und Einschüchterung unterdrücken wollen. Die Angriffe auf Wilder müssen außerdem im Kontext der anhaltenden Verfolgung von Antikriegsjournalisten wie Julian Assange und den Whistleblowern Edward Snowden und Chelsea Manning gesehen werden. Julian Assange sitzt noch immer im Gefängnis Belmarsh, weil er die Kriegsverbrechen der UA im Irak und Afghanistan enthüllt hat. Snowden befindet sich weiterhin im Exil in Russland. Falls er jemals in die USA zurückkehren sollte, droht ihm dort die Todesstrafe.

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