Deutsche Bahn: GDL kündigt Arbeitskampf an

Bei der Deutschen Bahn (DB) zeichnet sich ein Arbeitskampf in den Sommerferien ab. Lokführer und Zugpersonal, die während der Corona-Pandemie unter großer Gefahr für Gesundheit und Leben durchgehend gearbeitet haben, wollen verhindern, dass sie nun auch noch für die Verluste des Konzerns zur Kasse gebeten werden, wie es der Bahnvorstand verlangt.

Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL), die nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent der Lokomotivführer sowie 40 Prozent der Zugbegleiter und Bordgastronomen vertritt, hat die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn am 8. Juni für gescheitert erklärt und Arbeitskampfmaßnahmen angekündigt.

Streikende Lokführer am Berliner Ostbahnhof (2014)

Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ließen sich nicht gefallen, „dass ihnen ihre Betriebsrente einfach weggenommen wird, dass das Management ihnen 2020 eine Nullrunde verordnet, und dass der Vorstand dieser Deutschen Bahn AG, der mit Tricksen, Täuschen und Taschen Füllen arbeitet, von den direkten Mitarbeitern angebliche Solidarität einfordert“, begründete der Gewerkschaftsvorsitzende Claus Weselsky die Entscheidung in einem Video. Die GDL werde „nicht dulden, dass wir bei ständig steigender Inflation 2021 mit Null Euro Einkommenserhöhung abgespeist werden sollen“.

Konkrete Kampfmaßnahmen hat die GDL bisher allerdings nicht angekündigt. Sie hat weder zu Warnstreiks aufgerufen, noch eine Urabstimmung angesetzt, die Voraussetzung für einen richtigen Streik wäre.

Weselsky begründete dies damit, dass „alle Beschlüsse, die jetzt folgen und die Arbeitskämpfe zum Inhalt haben, nicht nur sorgsam abgewogen, sondern – das ist leider so –auch in jeglicher rechtlichen Hinsicht abgesichert werden“ müssten. Das Management der DB warte nur darauf, „die erste Arbeitskampfmaßnahme vor Gericht zu stoppen“.

Tatsächlich hofft Weselsky darauf, dass der Bahnvorstand doch noch einlenkt oder die Bundesregierung eingreift. Die Deutsche Bahn AG befindet sich nämlich zu 100 Prozent im Besitz des Bundes. Weselsky, der selbst CDU-Mitglied ist, appellierte in seinem Video ausdrücklich an die „Verantwortung des Eigentümers“, dem Management Einhalt zu gebieten.

Die Forderungen der GDL sind zudem in keiner Weise geeignet, einen Reallohnverlust zu vermeiden. Sie verlangt lediglich eine Lohnerhöhung, wie sie die Gewerkschaft Verdi im vergangenen Jahr den 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen nach wochenlangen Warnstreiks aufgezwungen hat: 1,4 Prozent 2020, eine einmalige Corona-Prämie 2021 und 1,8 Prozent 2022. Die Höhe der geforderten Prämie hat die GDL bereits von ursprünglich 1300 auf 600 Euro heruntergeschraubt.

Gegenüber Welt TV sagte Weselsky: „Aus unserer Sicht ist ein bescheidener Tarifabschluss durchaus möglich und am Ende des Tages muss ein Arbeitskampf nicht sein, denn alle wissen, dass es geht.“

Mit dem Abbruch der Tarifverhandlungen reagiert die GDL auf den enormen Druck der Bahnbeschäftigten, die auf dem Altar des Profits geopfert werden. Seit Jahren wachsen Arbeitsdruck und Stress, während die Bezahlung immer schlechter wird.

Ursprünglich sollte die Bahn an die Börse gebracht werden. Für diese Aufgabe stellte die damalige rot-grüne Bundesregierung 1999 den Manager Hartmut Mehdorn an die Spitze des Konzerns, der für seine rabiaten Sanierungsmethoden berüchtigt ist. 2009 scheiterte der Börsengang an der globalen Finanzkrise. Mehdorn musste gehen, doch die Folgen des Kahlschlags blieben: Kaputte Infrastruktur, unpünktliche Züge und chronischer Personalmangel, der durch unerträglichen Arbeitsdruck ausgeglichen wird.

Nun dient die Corona-Krise – wie in der Autoindustrie und vielen anderen Branchen – als Vorwand, um die Profitabilität des Konzerns durch einen neuen Frontalangriff auf die Belegschaft zu steigern.

Ende Mai 2020 gründeten der Bund, die DB, der Konzernbetriebsrat und die Hausgewerkschaft EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) ein „Bündnis für unsere Bahn“ mit der Aufgabe, „die Corona-Schäden solidarisch zu bewältigen“ – im Klartext: auf die Beschäftigten abzuwälzen. Die GDL, die in Konkurrenz zur DGB-Gewerkschaft EVG steht, weigerte sich trotz mehrmaliger Aufforderung, diesem Bündnis beizutreten.

Erstes Ergebnis des Bündnisses waren vorgezogene Tarifverhandlungen. Im Oktober letzten Jahres unterzeichnete die EVG einen neuen Tarifvertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten, der für 2021 gar keine und für den 1. Januar 2022 eine minimale Lohnerhöhung von 0,5 bis 1,5 Prozent vorsieht, was angesichts steigender Inflation einen massiven Reallohnverlust bedeutet.

Die EVG feierte es „als großen Erfolg, die DB AG darauf verpflichtet zu haben, auch in den nächsten Jahren mindestens 18.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jährlich neu einzustellen“. In Wirklichkeit ist diese Zahl das absolut nötige Minimum, um die Bahn angesichts der hohen Zahl altersbedingter Abgänge und ihrer Bedeutung zum Erreichen der Klimaziele funktionsfähig zu erhalten.

Seit April dieses Jahres wendet die Bahn auch das sogenannte Tarifeinheitsgesetz an. Danach kommt in einem Betrieb jeweils nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft zur Anwendung. Das Gesetz war 2015 verabschiedet worden, um kleineren Spartengewerkschaften – GDL, Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UfO), Vereinigung Cockpit (VC), usw. –, die damals mehrmals gestreikt hatten, das Wasser abzugraben.

Die Bahn erkennt die GDL nur in 16 ihrer 300 Betriebe als stärkste Gewerkschaft an. Die GDL hat in 13 Fällen gegen ihre Nichtanerkennung geklagt. Am letzten Freitag wies das Frankfurter Arbeitsgericht die ersten drei dieser Klagen zurück.

Ein Arbeitskampf gegen das Spardiktat der Bahn würde in der gesamten Arbeiterklasse auf große Unterstützung stoßen. Ob in der Auto- und Zulieferindustrie, in der Luftfahrt oder im Öffentlichen Dienst – überall sind Arbeiterinnen und Arbeiter mit denselben Angriffen konfrontiert. Nachdem die „Profite vor Leben“-Politik über 90.000, größtenteils vermeidbare Corona-Opfer gefordert hat, werden nun die Folgen der Krise genutzt, um ganze Industriebereiche profitabler zu gestalten und die gewaltigen Summen, die in die Finanzmärkte und großen Konzerne flossen, auf Kosten der Arbeiter wieder reinzuholen. Selbst eine Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus wird bereits diskutiert.

Die Medien und die politischen Parteien verstehen die Bedeutung des Konflikts bei der Bahn sehr gut. Sie fürchten seine Signalwirkung. Deshalb haben sie sich sofort auf die Bahnbeschäftigten eingeschossen.

Die Führung übernahm wie so oft die Bild-Zeitung. Unter der Überschrift „Macht ein Machtkampf unseren Sommer-Urlaub kaputt?“ wiederholte das Revolverblatt aus dem Hause Springer fast wörtlich einen Lügenkatalog, den die Deutsche Bahn in Form einer Presseerklärung veröffentlicht hatte.

Einen Punkt ließ Bild allerdings weg, weil er selbst ihr zu entlarvend schien. Im DB-Statement heißt es: „Im Übrigen ist es falsch, was der GDL-Chef über Boni der Führungskräfte sagt. Er behauptet, es könnten darüber 1,5 Mrd. Euro eingespart werden. Das ist falsch, es wäre in etwa ein Drittel.“

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zahlen der Bahn korrekt sind – was wir nicht tun –, kassieren die Führungskräfte neben ihrem Festgehalt im hohen sechsstelligen Bereich 500 Millionen Euro als Boni! Damit könnte man eine weit höhere Tarifersteigerung finanzieren, als die GDL sie verlangt.

Der Kampf gegen das Spardiktat der Bahn erfordert eine klare Strategie. Die Bahnbeschäftigten stehen im Konflikt mit dem Konzernvorstand, der Bundesregierung, der Hausgewerkschaft EVG, dem Betriebsrat – und auch mit der GDL.

Trotz ihrem Streit mit der EVG und ihrer teilweise radikaleren Sprache schwört auch die GDL auf die Sozialpartnerschaft. Sie hat immer wieder bewiesen, dass sie zu jedem Zugeständnis bereit ist, wenn sie von der Bahn als Tarifpartner anerkannt wird. Das zeigt schon ihre bescheidende Forderung in der gegenwärtigen Tarifauseinandersetzung, die ebenso wie der Abschluss der EVG eine Reallohnsenkung bedeutet.

2015, als sich wegen ihrer Streikbereitschaft zahlreiche Arbeiter aus anderen Transportbereichen der GDL anschlossen, beendete sie den Tarifkonflikt bei der Bahn mit der Unterzeichnung eines vierjährigen Stillhalteabkommens. Anfang 2019 vereinbarte die GDL dann einen Tarifabschluss mit einer Laufzeit von 29 Monaten, der kaum die Inflationsrate ausglich und sie bis Februar 2021 zum Streikverzicht verpflichtete.

Vor allem steht ihre bornierte Haltung als Standesgewerkschaft einer breiteren Mobilisierung der Arbeiterklasse im Weg, ohne die kein Streik gewonnen werden kann. Weselsky treibt sogar einen Keil zwischen die Beschäftigten der Bahn in Betrieb und Verwaltung. Im März sagte er dem Tagesspiegel: „Im Personalbereich hat die Bahn viel zu viele Leute an Bord, die machen vor allem Projekte zur Selbstbeschäftigung, mindestens die Hälfte davon ist verzichtbar.“

Die 127.000 Beschäftigten der Bahn AG außerhalb Deutschlands befinden sich außerhalb von Weselskys Gesichtskreis. Wenn es nach ihm ginge, würde die Bahn sie so schnell wie möglich abstoßen.

Die Verteidigung von Arbeitsplätzen, Löhnen und sozialen Rechten erfordert einen Bruch mit den Gewerkschaften und ihrer nationalistischen Perspektive. Sie erfordert den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees, die von einer sozialistischen Perspektive angeleitet werden und sich international vernetzen und zusammenschließen.

Dafür treten die World Socialist Web Site und die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ein. Wir laden alle Beschäftigten der Bahn ein, Kontakt mit uns aufzunehmen und mit uns über diese Fragen zu diskutieren sowie den Bundestagswahlkampf der SGP zu unterstützen.

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