Perspektive

US-Zentralbank Fed druckt weiter Geld: Globale Verschuldungsorgie setzt sich fort

Aus der zweitägigen Sitzung des geldpolitischen Ausschusses der Federal Reserve, die gestern zu Ende ging, lässt sich eine klare Schlussfolgerung ziehen.

Die wichtigste Zentralbank der Welt hat signalisiert, nichts zu tun, was ihr als Entzug der Unterstützung für den Schuldenberg und das fiktive Kapital ausgelegt werden könnte, die ihre Politik in den USA und weltweit geschaffen hat. Sie wird den Strom ultrabilligen Geldes aufrechterhalten, der es einer Finanzoligarchie ermöglicht hat, sich in geschichtlich beispiellosem Ausmaß zu bereichern.

Die Statue „Fearless Girl“ vor der New Yorker Börse. Im Inneren erwarten Händler die neueste Zinsentscheidung der Federal Reserve. Mittwoch, 16. Juni 2021 (AP Photo/Richard Drew)

In der Finanzpresse wurde die Andeutung der Fed, möglicherweise schon Ende 2023 – anstatt wie zuvor signalisiert erst 2024 – mit der Anhebung des Leitzinses von nahezu null zu beginnen, als „hawkish“ (scharfmacherisch) bezeichnet. Tatsächlich hat die Fed jedoch keinen Finger gerührt, um ihre Geldpolitik zu ändern.

Das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten, das die Fed als Reaktion auf das Einfrieren der Finanzmärkte im März 2020 beim Ausbruch der Pandemie initiiert hatte, wird mit 120 Milliarden Dollar pro Monat fortgesetzt.

Im Vorfeld der Sitzung war in Finanzkreisen die Frage aufgeworfen worden, ob die Fed beginnen werde, den Umfang ihrer Vermögensankäufe zu „verschmälern“. Jerome Powell, der Vorsitzende der Fed, bemühte sich zu versichern, dass man nichts tun werde, was die Finanzmärkte verunsichern könnte.

Die Bedingungen für eine Reduktion der Ankäufe liegen „noch in weiter Ferne“, erklärte er, und sofern die Fed “über eine Verschmälerung spricht“, werde jeder Schritt „geordnet, methodisch und transparent“ erfolgen und weit im Voraus kommuniziert werden. Diese Aussage kommt einer Garantie für die Finanzmärkte gleich, dass die Fed selbst jede Andeutung eines Entzugs der Stabilisierung beim ersten Anzeichen von Marktturbulenzen zurücknehmen werde.

Vor der globalen Finanzkrise des Jahres 2008 standen in den Büchern der Fed Anlagevermögen im Wert von etwa 900 Milliarden Dollar. Dieser Wert ist infolge der quantitativen Lockerung schnell auf mehr als 4 Billionen Dollar angestiegen, stieg im Jahr 2020 ein weiteres Mal auf mehr als 8 Billionen Dollar und ist nun auf dem Weg, bis zum Ende dieses Jahres mindestens 9 Billionen Dollar zu erreichen.

Die Politik der Fed, der auch andere große Zentralbanken gefolgt sind, hatte zwei Auswirkungen. Erstens hat sie den Transfer von Reichtum in die Hände einer globalen Unternehmens- und Finanzoligarchie unmittelbar begünstigt. Daten, die Forbes im April veröffentlichte, besagen, dass allein im Jahr 2020 das kollektive Vermögen der Milliardäre der Welt um 60 Prozent von 8 Billionen Dollar auf 13,1 Billionen Dollar angestiegen ist, was das Magazin als „die größte Beschleunigung von Vermögensbildung in der Geschichte der Menschheit“ bezeichnet.

Zweitens hat sie einen Berg von Schulden geschaffen. Einen Hinweis auf das Ausmaß dieses Prozesses lieferte in dieser Woche ein Artikel im Wall Street Journal. Dieser stellt fest, dass die Gesamtverschuldung aller US-amerikanischen Unternehmen Ende März 11,2 Billionen Dollar betrug, was etwa der Hälfte des US-Bruttoinlandsprodukts entspricht. Diese Unternehmen hatten im vergangenen Jahr Anleihen in Höhe von 1,7 Billionen Dollar emittiert – fast 600 Millionen Dollar mehr als der bisherige Höchststand.

Die gleiche Situation herrscht in Europa, wo tausende Unternehmen nur durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank und deren Aufkäufe von finanziellen Vermögenswerten sowie durch direkte staatliche Unterstützung aufrechterhalten werden.

Das Ausmaß dieser Operation wurde in den jüngsten Äußerungen des französischen Finanzministers Bruno Le Maire deutlich. „Wir wollen unsere Unterstützung nicht abrupt kürzen und damit zehntausende Insolvenzen auslösen“, erklärte er.

Die Schaffung eines Schuldenbergs ist nur eine Folge der Politik der Fed. Die Flutung des globalen Finanzsystems mit ultrabilligem Geld hat eine Welle von Spekulationen ausgelöst, die von Rohstoffen über Immobilien und Aktien bis hin zu Kryptowährungen reicht, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Wall Street notiert derzeit auf einem Rekordhoch und das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Aktien, die traditionelle Messgröße für die Bewertung des Marktes, ist angestiegen.

Die Anleiherendite von Ramschanleihen („Junk-Bonds“) – also Unternehmensanleihen mit einem Rating unterhalb des Investment-Grade-Status – ist auf ein Allzeittief gefallen. Bloomberg berichtete diese Woche über ein Unternehmen, das einen Junk Bond über 500-Millionen-Dollar zum Kauf von Bitcoin aufgelegt hatte und von Moody‘s ein günstiges Rating erhielt, weil es „sehr niedrige Kreditkosten“ aufwies.

Im Zentrum der Spekulation standen zuletzt die Rohstoffe, deren Preise wild schwankten. Die Holzpreise in den USA stiegen im Mai auf Rekordhöhen und stürzten in diesem Monat dann um 41 Prozent ab. Industrierohstoffe wie Eisenerz und Kupfer waren ebenfalls Gegenstand von Spekulationen, die ihre Preise auf Rekordhöhen schnellen ließen.

Den neuesten globalen Daten zufolge steigen die Wohnungspreise so schnell wie seit der Zeit vor der globalen Finanzkrise 2008 nicht mehr. Neuseeland verzeichnete im vergangenen Jahr einen Anstieg von 22 Prozent, die USA einen Anstieg von 13,5 Prozent.

Es ist für ihre gegenwärtigen Kämpfe von entscheidender Bedeutung, dass die Arbeiterklasse die objektive Bedeutung dieser gewaltigen Eskalation der Spekulation begreift, die von der Fed und anderen Zentralbanken gefördert wird. Schulden, Unternehmensanleihen und andere finanzielle Vermögensanlagen sind das, was Marx als fiktives Kapital charakterisierte. Das heißt, sie haben keinen inhärenten Wert. Sie stellen vielmehr letztlich einen Anspruch auf den Mehrwert dar, der der Arbeiterklasse im Produktionsprozess entzogen wurde.

Die Anhäufung dieses Berges von fiktivem Kapital hat entscheidende Auswirkungen auf die Entwicklung des Klassenkampfes. Sie bedeutet eine immense Verschärfung des Angriffs auf die Arbeiterklasse – die Extraktion immer größerer Mengen an Mehrwert, um diese Vermögensansprüche zu bedienen.

In seiner Präsentation und der an die Fed-Sitzung anschließenden Fragerunde widmete Powell der Inflation und der Möglichkeit ihres Anstiegs große Aufmerksamkeit.

Die Hauptsorge der Zentralbank gilt nicht dem Preisanstieg als solchem. Sondern sie gilt der Frage, ob dieser eine Erhebung der Arbeiterklasse für Lohnerhöhungen und gegen die „Umstrukturierung“ von Arbeitsplätzen und -bedingungen mit sich bringt, mit der den unerbittlichen Forderungen des Finanzkapitals nach stärkerer Ausbeutung des Mehrwerts entsprochen wird.

Powell deutete an, dass die Fed bereit sei, ihre geldpolitischen Instrumente einzusetzen, sollte ein andauernder Anstieg der Inflation zu Kämpfen um hohe Löhne führen.

Doch die Geldpolitik allein – höhere Zinsen, um eine sogenannte „Überhitzung“ der Wirtschaft zu verhindern – reicht nicht aus. Zudem birgt sie die Gefahr, eine Finanzkrise auszulösen.

Deshalb müssen andere Mittel entwickelt werden, allen voran der Einsatz der Gewerkschaftsbürokratie als Industriepolizei des Finanzkapitals, eine Methode, die in den USA und international angewandt wird.

Hierin liegt die Bedeutung des Kampfes für den Aufbau von Aktionskomitees und einer internationalen Arbeiterallianz, den das Internationale Komitee der Vierten Internationale und seine Sektionen führen, um den Kampf der Arbeiterklasse gegen die von den Gewerkschaftsapparaten organisierte Lohndrückung unabhängig voranzutreiben.

Diese Komitees werden in dem Maße voranschreiten und sich entwickeln, wie sie von einer internationalen sozialistischen Perspektive geleitet werden. Die sich vertiefende Wirtschaftskrise hat nicht nur die objektive Notwendigkeit für dieses Programm offenbart; sie hat auch die ideologische Tünche beseitigt, die von der kapitalistischen herrschenden Klasse und all ihren Agenturen verbreitet wurde.

Die zentrale Doktrin der herrschenden Eliten, die über Jahrhunderte entwickelt wurde, lautet, dass der so genannte kapitalistische freie Markt wie ein Naturgesetz funktioniert und die einzig lebensfähige, die einzig mögliche Form der sozioökonomischen Organisation ist und dass ein sozialistisches Programm, das auf der bewussten Steuerung und Regulierung der Wirtschaft zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse beruht, daher irrational ist.

Die sozialistische Bewegung hat diese Perspektive immer wieder entlarvt und die Absurdität der Behauptung enthüllt, dass die Menschheit zwar die äußeren Bereiche des Universums, die innere Struktur des Atoms und die Mechanismen des Lebens erforschen kann, aber nicht in der Lage sein soll, die Gesellschaft bewusst zu organisieren.

Theoretisch längst widerlegt, werden die Doktrinen des freien Marktes nun in der Praxis in Stücke gerissen. Der sogenannte freie Markt hat aufgehört zu arbeiten. Ohne das tägliche, ständige Eingreifen des kapitalistischen Staates in Form der Fed würde er sofort zusammenbrechen.

Der Staat hat nun die Rolle des wirtschaftlichen Hauptorganisators übernommen. Die Hauptfrage lautet heute, in wessen Interesse er funktionieren wird. Der gegenwärtige kapitalistische Staat, das Instrument zur Bereicherung der Oligarchen und zur Verarmung der Arbeiterklasse, muss gestürzt und eine Arbeiterregierung errichtet werden. Das ist die inhärente Logik der Kämpfe, die sich jetzt entfalten.

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