Delta-Variante breitet sich weiter aus

WHO warnt: „Wir gehen davon aus, dass es nur noch schlimmer wird“

Die infektiösere und tödlichere Delta-Variante des Coronavirus, die im letzten Oktober in Indien entdeckt wurde, hat sich laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mittlerweile auf mindestens 80 Länder ausgebreitet. Vermutlich wird sie in den kommenden Monaten die Alpha-Variante, die erstmals in Großbritannien entdeckt wurde, als weltweit vorherrschende Variante des Coronavirus ablösen.

In einigen Ländern, wie Indien und Großbritannien, ist sie bereits die vorherrschende Variante des Coronavirus. Dort gehen mindestens 90 Prozent aller Neuinfektionen auf die Delta-Variante zurück. In den USA ist sie für mindestens zehn Prozent aller neuen Fälle verantwortlich und wird „wahrscheinlich“ die vorherrschende Variante werden. Die Direktorin der US-Seuchenschutzbehörde Centers for Disease Control and Prevention, Rochelle Walensky, bestätigte diese Warnung am Freitag in der Sendung „Good Morning America“.

Ein Schulbusfahrer im Schutzanzug bringt positiv getestete Personen zu einem Krankenhaus in Jakarta (Indonesien). Aufgenommen am 18. Juni 2021 [AP Photo/Dita Alangkara]

In der portugiesischen Hauptstadt Lissabon ordneten die Behörden für das Wochenende einen Lockdown der ganzen Region an, nachdem innerhalb von 24 Stunden mehr als 1.300 neue Fälle gemeldet wurden. Bei fast der Hälfte der Fälle handelte es sich um die Delta-Variante. In Moskau ist die Delta-Variante laut den städtischen Gesundheitsbehörden mittlerweile die vorherrschende Variante und verantwortlich für 89,3 Prozent aller neuen Fälle.

In Indien sind die Infektions- und Todeszahlen immer weiter gesunken und liegen derzeit laut bestätigten Zählungen mit 69.000 bzw. 1.600 auf dem tiefsten Stand seit zwei Monaten. Experten sind jedoch besorgt, dass diese Zahlen das wahre Ausmaß der Opfer der Delta-Variante in Indien unterschätzen, die sich Ende Februar und Anfang März wie ein Lauffeuer ausgebreitet hatte.

In Afrika breitet sich die Variante u. a. in Namibia, Sierra Leone, Liberia, Ruanda, Sambia und Südafrika aus, in Südasien in Myanmar, Bangladesch und Indonesien. Aufgrund der Ausbreitung der Krankheit hat sich der weltweite Rückgang an Neuinfektionen, der seit Mai andauert und größtenteils das Ergebnis der massiven Impfkampagnen in den reicheren Ländern der Welt ist, bereits verlangsamt.

Weltweit lag die Zahl der Neuinfektionen am Donnerstag bei knapp über 367.000 und damit um nur 20.000 niedriger als eine Woche zuvor. Im Unterschied dazu lag der Rückgang der Zahl an Neuinfektionen vor einer Woche im Vergleich zur Zahl vor zwei Wochen bei über 71.000. Ähnliche Veränderungen zeigten sich bei der Kurve der weltweiten täglichen Neuinfektionen in den Wochen vor dem Aufstieg der Alpha-Variante zur dominanten Form des Coronavirus, der zu einem starken Anstieg der Fallzahlen im Dezember und Januar beitrug. Die Zahl der Toten pro Tag liegt weiterhin bei über 9.000 weltweit.

Der Generaldirektor der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, warnte am Freitag: „Mittlerweile gibt es in jeder Region Länder mit einem scharfen Anstieg der Fall- und Todeszahlen. In vielen Ländern Lateinamerikas breitet sich die Epidemie rasant aus, in anderen bleibt sie konstant auf hohem Niveau. In Afrika ist die Zahl der Fälle alleine in der letzten Woche um 52 Prozent gestiegen, die Zahl der Toten stieg um 32 Prozent, und wir gehen davon aus, dass es nur noch schlimmer werden wird.“

Einen starken Anstieg der Delta-Variante gibt es besonders in den Ländern und Regionen mit den niedrigsten Impfraten. „Diese Entwicklung ist sehr, sehr beunruhigend“, erklärte WHO-Krisenkoordinator Dr. Mike Ryan. „Die brutale Realität ist, dass wir trotz mehrerer Varianten mit erhöhter Übertragbarkeit große Teile der Bevölkerung, der anfälligen Bevölkerung Afrikas, dem Virus ohne Impfschutz aussetzen.“

Die Entwicklung der Delta-Variante zur vorherrschenden Form ist umso beunruhigender, wenn man bedenkt, dass sie sich als besonders gefährlich erwiesen hat. Sie ist bis zu 60 Prozent ansteckender als die Alpha-Variante und damit bis zu 2,5-mal infektiöser als der ursprüngliche Wildtyp des Virus. Außerdem führt sie viermal häufiger zu stationären Behandlungen im Krankenhaus. Vollständig Geimpfte sind zwar weitgehend vor Delta geschützt, doch ein Großteil der Welt ist immer noch hochgradig gefährdet.

Dr. Tedros erklärte: „Mehr als die Hälfte aller Länder mit hohen und oberen mittleren Einkommen und Wirtschaftsleistungen haben genug Dosen verteilt, um mindestens 20 Prozent ihrer Bevölkerungen vollständig zu impfen. Bei den Ländern mit niedrigen und unterem mittleren Einkommen haben nur drei von 79 das gleiche Niveau erreicht.“ Er machte außerdem deutlich: „Wenn Impfstoffe erst im nächsten Jahr gespendet werden, wird es für diejenigen, die heute sterben, sich infizieren oder dies riskieren, bereits zu spät sein.“ Er forderte eine weitere Erhöhung der Impfstoffproduktion und eine gleichmäßigere Verteilung auf der Welt.

Zudem haben Daten von Public Health England über die Delta-Variante gezeigt, dass diese spezielle Mutation des Coronavirus der Immunität „entkommen“ kann, wenn Personen nur eine von zwei Impfungen des mRNA-Impfstoffs erhalten haben, den Moderna, Pfizer und andere Anbieter herstellen. Tausende sind deshalb erkrankt.

Diese Gefahr wird durch die Tatsache verstärkt, dass sich das Virus unter den teilweise Geimpften ungehindert ausbreiten kann. Deshalb besteht durchaus die Möglichkeit, dass es sich unter dem Druck der Teilimmunität so entwickelt, dass es auch die Immunität von vollständig Geimpften aushebeln kann.

In einer Welt, in der öffentliche Gesundheitsmaßnahmen wie Masken, Tests und Kontaktverfolgung weitgehend eingestellt wurden, wird eine solche Entwicklung die Pandemie in einer noch gefährlicheren Form erneut entfachen. In vielen Bereichen ist die Impfung der einzige Schutz gegen das Coronavirus. Sollte dieser Schutz fehlschlagen, drohen in vielen Städten erneut schreckliche Bilder wie die aus Wuhan, Italien und New York zu Beginn der Pandemie.

Eine solche Entwicklung der Pandemie wäre in vieler Hinsicht noch schlimmer. Daten aus Großbritannien deuten darauf hin, dass Kinder anfälliger für die Delta-Variante sind, sodass geöffnete Schulen nicht nur Übertragungsvektoren sind, sondern auch zu Leichenhäusern für ihre Schüler werden könnten. Allgemeiner gesagt deutet die höhere Übertragbarkeit der Delta-Variante darauf hin, dass aus Dutzenden Infizierten innerhalb eines Monats Millionen werden könnten, wenn die Variante nicht durch Impfstoffe aufgehalten wird.

Es mangelt nicht an Warnungen davor, wie schlimm die Pandemie selbst in Ländern mit hohen Impfquoten wie den USA werden könnte. Bisher sind fast vier Millionen Menschen gestorben, doch es bleiben noch 7,8 Milliarden Menschen, die vor einem vorzeitigen Tod durch das Coronavirus gerettet werden können.

Doch die Kapitalistenklasse, die die Reichtümer der Gesellschaft kontrolliert, ist jedoch mehr mit Profiten als mit Menschenleben beschäftigt. Für Impfstoffe werden Summen ausgegeben, die bestenfalls als Alibi für wirkliche Ausgaben herhalten können, und so gut wie nichts für andere lebensrettende öffentliche Gesundheitsmaßnahmen. Die tatsächliche Lösung für die Pandemie ist nicht medizinischer oder wissenschaftlicher, sondern sozialer und politischer Natur: Die internationale Arbeiterklasse muss den immensen Reichtum, den die Bourgeoisie angehäuft hat, dafür einsetzen, das weltweite, seit 18 Monaten andauernde Massensterben zu beenden.

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